Betrüger oder Opfer der komplizierten Regeln?

Aachen. Ein Dopingfall nach dem nächsten erschüttert den Pferdesport: Sind denn die Reiter alle Betrüger? Oder sind sie Opfer des komplizierten Regelwerks? Zumindest klagen Reiter immer wieder, dass eine Behandlung ihrer Pferde nicht möglich sei, die Regeln zu schwierig seien

Aachen. Ein Dopingfall nach dem nächsten erschüttert den Pferdesport: Sind denn die Reiter alle Betrüger? Oder sind sie Opfer des komplizierten Regelwerks? Zumindest klagen Reiter immer wieder, dass eine Behandlung ihrer Pferde nicht möglich sei, die Regeln zu schwierig seien.

Auch die jüngst erwischte Dressurreiterin Isabell Werth, bei deren Pferd Whisper Fluphenazin gefunden worden war, kritisierte die Regularien des Weltverbandes FEI und der deutschen FN. Schon vor dem Fall hatte sie gesagt:"Bei jeder Behandlung stehen wir mit einem Bein im Gefängnis."

Alles Betrüger? "Nein", versichert Soenke Lautbach, der neue Generalsekretär der FN, der sich vorgenommen hat, den Stall auszumisten. Aber er sagt auch: "Wir wissen, dass es nicht nur Einzeltäter sind, es sind mehr als nur ganz wenige." Einen Vergleich mit dem Radsport hält er trotzdem nicht für statthaft: "Die meisten Reiter wollen nicht manipulieren." Es sei wie im richtigen Leben, sagt Otto Becker, der Bundestrainer der Springreiter: "Es wird immer den einen oder anderen geben, der alles Mögliche ausprobiert." Zugleich fordert aber auch Becker eine Reform der Regeln, denn "wir müssen unsere Pferde behandeln dürfen, wenn sie krank sind".

Tatsächlich besitzt der Reitsport ein Reglement, das strenger und schwerer verständlich als das im Humansport ist. Zum einen gibt es auch beim Reiten den klaren Betrug durch Dopingsubstanzen. Darüber hinaus gibt es aber noch die verbotene Medikation im Wettkampf.  Das bedeutet, dass es im heimischen Stall zulässige Behandlungen für die Pferde gibt - aber die Medikamente dürfen dann nicht mehr im Körper sein, wenn das Pferd im Sport eingesetzt wird. Es gibt aber auch noch eine Ausnahme: Im Einzelfall darf der Reiter trotzdem reiten, wenn der Turnierarzt einem Antrag des Reiters zustimmt.

Andererseits ist das Kontrollsystem lascher: Es gibt anders als bei den Menschen keine Trainingskontrollen. Diese werden frühestens 2010 eingeführt - allerdings nur in Deutschland. Die Reiter beklagen oft, dass sie nicht wissen, wann Medizin nicht mehr nachweisbar ist und ein wieder gesundes Pferd geritten werden darf. Nur: Die meisten der aktuellen Fälle haben damit überhaupt nichts zu tun. Bei Werth zum Beispiel ist völlig klar, dass Fluphenazin illegal ist. Zum einen ist die Substanz nicht für Pferde zugelassen, sondern ein Psychopharmakon aus der Humanmedizin. Zum andern steht es auf der Dopingliste.

Genauso wenig erlaubt war die Behandlung von Marco Kutschers Pferd Cornet Obolensky, das nach der ersten Runde des olympischen Teamwettbewerbes eine Injektion mit den Mitteln Arnika und Lactanase erhielt. Auch Lactanase ist in Deutschland nicht zugelassen, und die Behandlung war nicht beim Turnierarzt angemeldet worden.

Die meisten Fälle scheinen ein Mentalitätsproblem offenzulegen.  Ludger Beerbaum beispielsweise hatte das mit seinem spektakulärem Geständnis zumindest für seine eigene Person dokumentiert: "Im Laufe der Jahre habe ich mich darin eingerichtet, auszuschöpfen, was geht." Und:"In der Vergangenheit hatte ich die Haltung: Erlaubt ist, was nicht gefunden wird." Immerhin hat der erfolgreichste Springreiter der zurückliegenden 20 Jahre Läuterung versprochen: "Das ist heute nicht mehr aufrechtzuerhalten." dpa

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