Abkehr vom Kuschelkurs

Dortmund · Lange hat Borussia Dortmund die Anzeichen der sportlichen Krise negiert. Nun hat der BVB als Liga-Schlusslicht den Ernst der Lage erkannt. Trainer Jürgen Klopp steht trotz der achten Saison-Niederlage nicht zur Diskussion.

Nach dem Absturz auf den letzten Tabellenplatz ist die Stimmung bei Borussia Dortmund am Tiefpunkt. Sportdirektor Michael Zorc spricht vom "Abstiegskampf", Kult-Trainer Jürgen Klopp spürt erstmals Gegenwind und muss sich unangenehmen Fragen nach seinem Job stellen. "Ich sehe mich hier total in der Verantwortung und stelle mich dem. Ich stehe ganz bestimmt nicht im Weg, aber ich kann auch nicht gehen, bevor es eine bessere Lösung gibt", bekräftigte Klopp trotz des 0:2 bei Eintracht Frankfurt seinen Willen zum Weitermachen.

Freiwillig aufgeben will der 47-Jährige, der mit einem Vertrag bis 2018 ausgestattet ist, nicht. Auch Zorc wollte eine Trainerdiskussion gar nicht erst aufkommen lassen: "Jürgen stellt sich der Verantwortung. Wir sind einhundertprozentig davon überzeugt, dass wir mit ihm aus der Situation herauskommen."

Nach acht Niederlagen in der Fußball-Bundesliga, so viele wie nie zuvor am 13. Spieltag, und ersten Unmutsbekundungen den eigenen Fans mochte Zorc die Situation aber nicht mehr schönreden: "Es geht jetzt nur darum, bis Weihnachten möglichst viele Punkte zu holen, um die Abstiegsplätze zu verlassen. Alles andere wäre Schönfärberei." Der Sportchef fordert deshalb ein Umdenken bei allen Beteiligten: "Wir sind mitten im Abstiegskampf angekommen, das muss jedem klar sein. In den letzten Wochen hat man immer geschaut, wie sind die Abstände nach oben. Damit ist seit dem heutigen Spiel endgültig Schluss."

Zum wiederholten Male gelang es nicht, den Trend umzukehren, weil die Hessen schon mit der ersten gefährlichen Aktion zur Führung durch Alexander Meier (5. Minute) kamen. Das zweite Gegentor, bei dem Matthias Ginter ungewollt für Eintracht-Stürmer Haris Seferovic (78.) auflegte, gehörte für Klopp sogar ins "Kuriositätenkabinett".

Erneut war unübersehbar, dass es beim BVB hinten wie vorne klemmt. Die Ausfälle der Innenverteidiger Mats Hummels und Sokratis sind nicht zu kompensieren, und die Offensivabteilung hat viel zu oft Ladehemmung. Adrian Ramos und Ciro Immobile wirken, wenn sie denn spielen, wie Fremdkörper. Henrich Mchitarjan und Shinji Kagawa sind derzeit nicht mehr als Mitläufer, der erneut verletzte Marco Reus , der erst im neuen Jahr wieder in den Kader zurückkehren wird, fehlt an allen Ecken und Enden.

Nun müssen die erfolgsverwöhnten Dortmunder den Abstiegskampf annehmen. Ob sie dazu fähig sind, wird sich zeigen. Denn rustikal passt längst nicht mehr zum BVB, der seit Jahren auf technisch hochklassigen Tempo-Fußball setzt. "Wir sind keine Mannschaft, die sich nur hinten reinstellt", meinte Zorc: "Aber wir haben jetzt 21 Gegentore. Die haben wir schon mal in einer ganzen Saison bekommen. Da musst du über nichts anderes mehr diskutieren."

Immerhin scheinen die Profis den Ernst der Lage erkannt zu haben. "Der Tabellenplatz ist allen bewusst, es ist eine brutale Situation. Aber Selbstzweifel sind jetzt falsch", sagte Sven Bender : "Wenn sich jetzt einer hinter dem anderen versteckt, wird es ganz schwer." Schon am Freitag wartet gegen Hoffenheim eine diffizile Aufgabe. Die Pfiffe in Frankfurt waren ein deutliches Indiz, dass die Stimmung unter den BVB-Fans kippt. "Dass wir uns das Vertrauen zurückerarbeiten müssen, ist mir völlig klar", sagte Klopp, und das gilt auch und besonders für ihn selbst.

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