Traumatische Erinnerungen

Heusweiler. Heute ist es nicht mehr so schlimm, doch vor zehn Jahren noch kam bei Gerhard Altmeyer bei jedem Hubschraubergeräusch die Erinnerung an seinen Einsatz auf der "Helgoland" hoch. Das deutsche Hospitalschiff mit dem Namen der Nordseeinsel lag im Hafen von Da Nang unweit eines Lagers mit bis zu zwei Millionen Flüchtlingen

Heusweiler. Heute ist es nicht mehr so schlimm, doch vor zehn Jahren noch kam bei Gerhard Altmeyer bei jedem Hubschraubergeräusch die Erinnerung an seinen Einsatz auf der "Helgoland" hoch. Das deutsche Hospitalschiff mit dem Namen der Nordseeinsel lag im Hafen von Da Nang unweit eines Lagers mit bis zu zwei Millionen Flüchtlingen. Es versorgte im Auftrag der Bundesregierung kranke und durch Kriegseinwirkungen verletzte Vietnamesen. Altmeyer hatte sich beim Deutschen Roten Kreuz für den Einsatz auf dem Schiff von Februar bis September 1971, anstelle des Bundeswehrdienstes, gemeldet. Die Hafenstadt Da Nang war im Krieg zwischen März 1965 und April 1975 der größte Militärstützpunkt der Amerikaner.Auf vietnamesischer Seite kamen im Vietnamkrieg drei Millionen Menschen ums Leben, davon zwei Millionen Zivilisten. Jeweils zwei weitere Millionen wurden verstümmelt und durch Chemikalien vergiftet. Die Amerikaner bezahlten ihren bis heute umstrittenen Indochina-Einsatz mit 58 000 gefallenen Soldaten.

Für viele erkrankte und verletzte Vietnamesen war das DRK-Hospitalschiff buchstäblich die letzte Rettung. Gerhard Altmeyer war anfangs zur Nachwache eingeteilt, ehe er Krankentransporte begleitete und zum leitenden Ambulanzpfleger aufstieg. Er berichtet: "Auf der Helgoland wurde jeder behandelt, sprich, in Notfällen auch Angehörige der nordvietnamesischen Nationalen Front für die Befreiung Südvietnams (NFL), die so genannten Vietcong. Hauptsächlich waren es jedoch Zivilpersonen und Kinder mit Kriegsverletzungen durch Minen- oder Geschosseinwirkungen. Innerhalb der Einsatzzeit von 1966 bis 1972 wurden mehr als 200 000 Personen medizinisch versorgt. Mit zwei Operationssälen und drei Stationen, einer Röntgenabteilung und einem Labor waren wir ähnlich wie ein deutsches Kreiskrankenhaus ausgestattet."

Was blieb an dem Mann aus Heusweiler hängen, der auch heute noch nicht ganz ohne Tränen über seine Erlebnisse spricht? Die Antwort kommt ohne zu zögern: "Ich musste täglich schlimme Dinge verkraften. So fand ich eines Tages eine Frau nach einem Sturz mit dem Motorrad leblos auf der Straße. Nach mehreren Wiederbelebungen brachten wir sie zur Helgoland. Bei der Ankunft war sie jedoch gestorben. Dieses Ereignis geht mir nicht mehr aus dem Kopf."

Altmeyer, der nach seiner Rückkehr im Auftrag des Arbeitsamtes als Wirtschaftsberater für berufliche Rehabilitation arbeitete, wurde jahrelang von traumatischen Erinnerungen heimgesucht. "Wenn ich heißen Teer roch, musste ich an Napalm denken, und auch Düsenjets oder Helikopter erinnerten mich an die Zeit in Vietnam", erzählt der 64-Jährige. Auf der Helgoland lernte er aber auch, die Kollegen blind zu verstehen, die Zeit exakt einzuteilen und vor allem das Leben und die Mitmenschen zu achten. 1994 reiste er mit früheren Mitstreitern für vier Wochen nach Da Nang, um alte vietnamesische Kollegen und Freunde wiederzusehen.

Und kürzlich, 40 Jahre nach dem Vietnam-Einsatz der Helgoland, traf er sich in der DRK-Bildungszentrale in Mainz mit anderen Einsatzkräften des DRK. In den Gesprächen kam die Erinnerung an die schlimme, aber auch erfahrungsreiche Zeit wieder hoch.

Übrigens: Die Helgoland fährt heute als Fahrgastschiff unter der Flagge Ecuadors. Foto: aki

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