Strenge Sitten vor 500 Jahren in St. Wendel

St. Wendel. "Wer sich zur Zeit des Sonntagsgottesdienstes nicht in der Kirche oder in seinem Hause aufhält, wird vom Bürgermeister bestraft": Strenge Sitten waren es, die für die St. Wendeler im frühen 16. Jahrhundert galten. Der Kurfürst von Trier ließ solches und anderes Anno 1514 durch seinen hiesigen Amtmann Clais von Gersbach aufzeichnen

 Das historische Dokument verdeutlicht die Sorgen der Obrigkeit. Foto: Verein

Das historische Dokument verdeutlicht die Sorgen der Obrigkeit. Foto: Verein

St. Wendel. "Wer sich zur Zeit des Sonntagsgottesdienstes nicht in der Kirche oder in seinem Hause aufhält, wird vom Bürgermeister bestraft": Strenge Sitten waren es, die für die St. Wendeler im frühen 16. Jahrhundert galten. Der Kurfürst von Trier ließ solches und anderes Anno 1514 durch seinen hiesigen Amtmann Clais von Gersbach aufzeichnen. Denn es gab offenbar Missstände, die exakte Regelungen erforderten. Der Schultheiß, wie der Bürgermeister damals hieß, und zwei vereidigte Bürger, gegebenenfalls Büttel, sind für die Einhaltung der Ordnung und das Eintreiben der Bußgelder verantwortlich. Mit dieser ältesten schriftlich fixierten Stadtordnung befasste sich der Arbeitskreis Stadtgeschichte der St. Wendeler Altstadtfreunde, der unter Gerhard Weber inzwischen zwölf Jahre aktiv ist. Weil der frühneuhochdeutsche Text nicht immer unmittelbar dem heutigen Leser verständlich ist, hatte sich die Germanistin Margarete Stitz im Stadtarchiv mit dem Original beschäftigt und konnte eine Umschrift, die im Heimatbuch des Kreises St.Wendel 1962 erschienen war, an vielen Stellen korrigieren und somit besser erklären. Die kleine Stadt war noch stark landwirtschaftlich geprägt. Daher beginnen die gewerbepolizeilichen Vorschriften bei den Müllern, die von Zeit zu Zeit beim Mahlen kontrolliert werden müssen und zu direkten Abgaben an die Armen verpflichtet sind. Der besteuerte Weinausschank unterliegt ebenso der Prüfung wie Gewicht und Qualität des Brotes. Metzger müssen ihre Preise rechtfertigen und dürfen kein Rauchfleisch verkaufen. Ein wichtiger Abschnitt enthält Bestimmungen, die den Verkauf auf dem täglichen Markt schützen: "Hocker", die Lebensmittel weiterverkaufen, dürfen erst nach zwölf Uhr "hökern". Bei strenger Strafe ist die jährliche Eichung aller Maße angeordnet. Mehr als ein Drittel des Texts handelt vom disziplinierten Verhalten der Bürger. Ab neun ist SperrstundeDas Betreten der Stadtmauer ist grundsätzlich verboten. Um neun Uhr ist Sperrstunde in den Wirtshäusern. Nach dieser Zeit darf sich niemand mehr "uff der gassen" ohne Licht sehen lassen, für die persönliche Sicherheit nachts ist jeder selbst verantwortlich. Keiner darf bei Gott oder der Gottesmutter schwören - es droht das Halseisen und Gefangenschaft im Turm. Übermäßiges Trinken, Glücksspiele, Verfluchen der Mitbürger oder Anstiftung zur Lüge ziehen Geldbußen nach sich. Für das Wohlverhalten der Handwerks- und Dienstknechte verpflichten sich ihre Meister beim Schultheißen. Während der Sonntagsmesse darf sich niemand außerhalb der Kirche aufhalten, es sei denn zum Wohl der Stadt und des Kurfürsten. Ziemlich modern wirkt die Anordnung von Geldstrafe bei verbalen oder tätlichen Angriffen gegen Ordnungshüter. Ein Gewehr im Affekt zu zücken, kostet Geldbuße. Für Schläge und Wunden sind dann die Schöffen zuständig. Mit dem Fischerei- und Jagdverbot und der Festsetzung der Strafe für die Beschädigung von Wildgehegen und Zäunen bricht der Text ab. Handelt es sich vielleicht nur um eine Abschrift? Da es innerhalb von weniger als 100 Jahren noch zwei weitere Stadtordnungen für St.Wendel gibt, erscheint es dem Arbeitskreis interessant, das Thema im nächsten Jahr fortzusetzen. sti

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