Bildung spielt die Schüsselrolle im Kampf gegen Armut

In meinem Heimatdorf Noswendel ist die Indienhilfe Father Mathias bereits seit vielen Jahren bekannt. Seit über 30 Jahren besteht durch diese Hilfsaktion eine ganz enge Beziehung zu diesem fernen asiatischen Land.

 Über den Besuch aus Deutschland freuten sich auch die vielen Mädchen der Schule in Sipcot. Fotos: Annika Veit

Über den Besuch aus Deutschland freuten sich auch die vielen Mädchen der Schule in Sipcot. Fotos: Annika Veit

Edgar Schuster, der Vorsitzende der Indienhilfe, ermöglichte es mir, vor nicht allzu langer Zeit den Noswendeler Freund Father Mathias zu besuchen und gemeinsam mit ihm den Süden dieses großen, mit 1,2 Milliarden Menschen bewohnten Landes kennen zu lernen.

Gemeinsam mit meiner Freundin Christine Voß startete ich in das Abenteuer Indien , ein Abenteuer in eine für uns vollkommen fremde und aufregende Kultur. Von Mathias und seinem Fahrer Balan wurden wir am Flughafen in Chennai (Madras) herzlich empfangen. Schon auf der ersten Fahrt hatten wir ungewohnte Erlebnisse: viele Menschen auf den Straßen, ständig hupende Autos, daneben Kühe, von barfüßigen Menschen oder Ochsen gezogene Karren, Fahrräder, Lastwagen, Omnibusse und Motorräder, auf denen oft vier Menschen Platz fanden, überall bunte Farben, sowie unterschiedliche schlechte, aber auch sehr gute Gerüche.

Wir fuhren nach Sipcot, dem Wohnort von Father Mathias. Im Haus Genesareth Mansion lebt er mit seinem Wachmann Dase, seinem Mitarbeiter Joseph, dessen Frau Kavitha und deren beiden Töchtern Irene und Serena. Mit Blumengirlanden und Grüßen in mehreren Sprachen wurden wir herzlich empfangen. Wir bekamen einen roten Punkt auf unsere Stirn, indische Kleider und wurden von Mathias und all seinen Freunden so liebevoll aufgenommen, dass wir uns schnell in den indischen Alltag einleben konnten.

Unser Interesse galt natürlich besonders den Einrichtungen, die Father Mathias mit Unterstützung der Noswendeler Indienhilfe geschaffen hat und heute noch mit einem großen Aufwand unterhält. So besuchten wir das St.Thomas Centrum in Sipcot mit einem Kindergarten, einer Schule, einer Kirche und einer Sozialstation. Diese Einrichtungen werden heute durch den Brigittinen-Orden geleitet und von 300 Schülern besucht. Der Kindergarten ist in Indien sehr schulisch ausgerichtet. Von zwei bis sechs Jahren werden die Kinder unterrichtet und lernen bereits früh lesen und schreiben.

Neben ihrer Landessprache Tamil lernen sie auch Englisch und Hindi . Die Schüler stürmten mit ihren Heften auf uns zu und waren sehr stolz, uns zeigen zu können, was sie gelernt hatten. Wir tanzten und sangen mit ihnen, spielten zusammen im Hof auf einem Karussell und einer Schaukel und beobachteten den Unterricht. Zudem durften wir auch selbst einige Stunden Unterricht erteilen.

Die Ausbildung der Kinder stand und steht bis heute im Mittelpunkt von Father Mathias Interesse. Die schulische Erziehung der Kinder und die spätere Berufsausbildung der Jugendlichen stellen die Schlüsselrolle der Bekämpfung von Armut dar. Die Einrichtungen sind für alle zugänglich, unabhängig davon, welcher Religion (oder Kaste) die Schüler angehören. Ohne die finanzielle Unterstützung wäre ein Schulbesuch für viele Schüler hier nicht möglich.

So wurde auch ein zweites Schulzentrum, die "St. Xaviers Matriculation School" in Soganur, 30 Kilometer von Sipcot entfernt, aufgebaut. 1999 wurde von Edgar Schuster der Grundstein für diese neue Schule gelegt. Anfangs 50 Schulkinder besuchen heute 630 Schüler dieses Schulzentrum mit neun Klassenstufen. Hier im St. Xaviers Zentrum haben sich Schwestern des Dominikaner-Ordens niedergelassen und leiten diese Einrichtungen.

Bei unserem ersten Besuch in der Schule wurden wir eindrucksvoll begrüßt. Alle Schüler, gekleidet in Schuluniformen, hatten sich in einem Raum versammelt. Eine Lehrerin begrüßte uns mit freundlichen Worten, und eine Blumengirlande wurde uns umgelegt. Die Kinder sangen Schullieder, führten traditionelle Tänze auf und applaudierten für uns. Dies war sehr herzergreifend. Danach wurde ein neuer Schulbus eingeweiht. Fünf eigene Schulbusse sorgen für den Transport der Schüler aus 20 Dörfern, ein enormer Kostenfaktor, der ebenfalls durch die Indienhilfe Father Mathias finanziert wird.

Auch hier in der sehr ländlichen Gegend hätten die meisten dieser Kinder kaum eine Chance, eine Schule zu besuchen, da ihre Familien weder das sonst übliche Schulgeld, noch die Fahrtkosten aufbringen könnten. Hier in der Schule, in der auch der Umgang mit Computern gelehrt wird, durften wir einen neuen Klassenraum einweihen. Wir schenkten allen Schülern Hefte und Stifte und waren ergriffen von der Freude und Dankbarkeit, die diese uns entgegenbrachten.

Bei einem zweiten Besuch trugen wir unsere indischen Sarees, Blumen schmückten unsere Haare und mit dem Punkt auf der Stirn sowie mit Henna bemalten Händen sahen wir fast wie echte Inderinnen aus. Die Kinder waren an diesem Tag, dem Alter entsprechend, in verschiedenfarbige T-Shirts gekleidet. Sie marschierten, tanzten, sangen und führten ein Schauspiel auf.

In Sipcot hatten wir die Gelegenheit, uns einige Häuser in einem ländlichen Teil der Stadt anzuschauen. Fünf bis sechs Menschen, die meist in einem Zimmer zusammenleben, baten uns herzlich in ihre Behausungen. Dies war sehr bewegend, da wir dort zum ersten Mal unmittelbar Armut begegnet sind.

Armut zeigte sich auch in der Krankenstation in Thiruvalam. Father Mathias gründete diese, um Kranke zu unterstützen, denen kaum finanzielle Mittel für eine medizinische Versorgung zur Verfügung stehen. Dreimal die Woche erhalten diese dort die Möglichkeit, sich kostenlos ärztlich behandeln zu lassen. Außerdem können sie hier Medikamente für sehr wenig Geld erwerben. Wir haben Joseph, der die "Dispensary" leitet und verwaltet, die Krankenschwestern und den Arzt bei ihrer Arbeit insofern unterstützt, in dem wir an die oft stundenlang wartenden Patienten ein warmes Essen verteilt haben, Menschen, die sich aus Armut nicht jeden Tag eine warme Mahlzeit leisten können. Diese Momente stimmten uns sehr traurig, offenbarten sie doch die Lebenssituation dieser Menschen. Zugleich waren wir aber auch sehr glücklich, ihnen für einen Tag eine Freude bereitet zu haben.

Ähnliche Erlebnisse hatten wir auch bei unserem Besuch im St. Thomas Hospital in Chetpet, einem ehemals deutschen Krankenhaus, mit dem Mathias schon seit über 40 Jahren Kontakt hält und zusammenarbeitet. Hier werden heute noch Leprakranke behandelt.

Bei unserem dreitägigen Aufenthalt besuchten wir Leprakranke , die zusammen in einem Haus leben. Sie empfingen uns fröhlich, sangen und tanzten für uns. Diese schwerkranken Menschen zeigten einen solchen Lebensmut, was uns sehr rührte.

Auf einer Rundreise durch Tamil Nadu, einer der 28 Bundesstaaten Indiens, lernten wir auch einmalige indische Tempelanlagen kennen, wie in dem Weltkulturerbe Mahabalipuram, in Trichy oder im unbeschreiblich schönen Madurai.

Nach vier Wochen endete für uns das Abenteuer Indien . Doch die Erfahrungen, die wir in diesem, bis dahin für uns fremden Land gesammelt haben, werden uns für immer begleiten.

Wir haben wunderschöne Landschaften und Tiere in freier Wildbahn gesehen. Wir durften unterschiedliche Religionen und Kulturen kennenlernen und die köstliche indische Küche wurde uns nähergebracht.

Die Erfahrungen, die wir in den Kindergärten, den Schulen und der Krankenstation sammelten, haben unseren Horizont erweitert. Wir konnten miterleben, wie die Spendengelder der Indienhilfe eingesetzt werden und dazu beitragen, jungen und alten, armen und kranken Menschen zu helfen. Somit ist es sinnvoll, die "Indienhilfe Father Mathias" weiterhin zu unterstützen.

 Essensausgabe in der Krankenstation in Thiruvalam.

Essensausgabe in der Krankenstation in Thiruvalam.

 Annika Veit, links, mit Father Mathias und Christine Voß.

Annika Veit, links, mit Father Mathias und Christine Voß.

 Einer der neuen Busse, der die Schüler von den Dörfern in der Umgebung zur Schule nach Soganur bringt.

Einer der neuen Busse, der die Schüler von den Dörfern in der Umgebung zur Schule nach Soganur bringt.

 Kinder mit einer Lehrerin in der Schule von Soganur.

Kinder mit einer Lehrerin in der Schule von Soganur.

Zum Thema:

HintergrundDie Indienhilfe Father Mathias aus Noswendel ist weit über Wadern hinaus bekannt. Seit mehr als 30 Jahren engagiert sie sich in Südindien, unterstützt die Arbeit von Father Mathias. Der Kontakt kam zustande, weil sich Father Mathias als Priester längere Zeit in Noswendel aufhielt.Seit 2013 ist die Indienhilfe als gemeinnütziger Verein organisiert. Vorsitzender ist Edgar Schuster, der sich von Beginn an für dieses Projekt engagiert und mehrfach vor Ort war.Die Noswendeler freuen sich auf den nächsten Besuch von Father Mathias. Er kommt Ende Juli für mehrere Wochen nach Deutschland.Wer die Indienhilfe Father Mathias unterstützen will, für den gibt es folgendes Spendenkonto bei der Sparkasse Merzig-Wadern: Stichwort: Father Mathias, Kontonummer: DE19 5935 1040 0200 02690 09. red

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