Kriegsende in Namborn „Haben geweint und hatten furchtbare Angst“

Namborn · „Als die Amis kamen“. Film-Doku erzählt nach, wie die Menschen in Namborn das Ende des Zweiten Weltkriegs erlebt haben.

Volles Haus: Der Andrang war so groß, dass Joachim Ferrang (stehend) seine Dokumentation über das Kriegsende in Namborn zwei Mal hintereinander zeigen musste. Bei der Premiere hatten die Zeitzeugen Anneliese Stabler, Dietmar Schwan, Otmar Simon und Elisabeth Trapp, die Witwe des inzwischen verstorbenen Günter Trapp (von links), Ehrenplätze in der ersten Reihe.

Volles Haus: Der Andrang war so groß, dass Joachim Ferrang (stehend) seine Dokumentation über das Kriegsende in Namborn zwei Mal hintereinander zeigen musste. Bei der Premiere hatten die Zeitzeugen Anneliese Stabler, Dietmar Schwan, Otmar Simon und Elisabeth Trapp, die Witwe des inzwischen verstorbenen Günter Trapp (von links), Ehrenplätze in der ersten Reihe.

Foto: Thorsten Grim

Als am vergangenen Samstag die Zeiger der Namborner Kirchturmuhr langsam aber sicher auf 19 Uhr zuwandern, ist der Nebensaal der örtlichen Marktschenke bereits proppenvoll. Viele wollen noch hinein, doch es gibt keinen freien Platz mehr. Das unterstreicht, dass es ein großes Interesse an dem gibt, was der aus Namborn stammende Filmemacher Joachim Ferrang aus der Tiefe der Vergangenheit ans Tageslicht befördert hat. Auch wenn das wiederum nicht allen gefällt, wie Ferrang im Vorfeld des Filmabends an der einen oder anderen Stelle zu hören bekommt. Die alten Zeiten sollte man doch ruhen lassen, heißt es.

Doch genau das wollte Ferrang eben nicht. Er wollte sie nicht ruhen lassen. Denn er hat sich schon immer für die Geschehnisse des Zweiten Weltkriegs interessiert. Immer schon wollte er wissen, wie das war, damals, als auch Namborn ein Teil von Nazi-Deutschland war. Und wie der Krieg in dem Ort seiner Kindheit und Jugend schließlich endete. Viel habe er mit seiner Mutter über dieses Thema geredet – aber erst, als diese schon im fortgeschrittenen Alter war. Vorher hatte auch sie über dieses Kapitel ihres Lebens lieber den Mantel des Schweigens gebreitet.

Im Lebensabend angekommen sind auch die Zeitzeugen, als Ferrang sie für seinen Film befragt. Als er mit dem Projekt beginnt, das war vor knapp vier Jahren, sind diese zwischen 80 und 90 Jahren alt. „Die Geschichte, die sie uns erzählen, könnte so oder so ähnlich überall hier im Südwesten so gewesen sein“, erklärt der Filmemacher vor dem Film-Start dem Premieren-Publikum. So gesehen stehe Namborn exemplarisch für das Ende des Zweiten Weltkriegs.

Drei der Zeitzeugen sind inzwischen verstorben. Aber „ihre Erinnerungen an das Kriegsende in Namborn haben sie mir noch erzählt. Und ihre Erinnerungen sind nun für immer auf Film festgehalten“, sagt Ferrang dankbar und bittet um einen kurzen Moment des Gedenkens für die verstorbenen Blandina Simon, Günter Trapp und Rudolf Henkes. Einen Ehrenplatz in der vordersten Stuhlreihe haben indes die noch lebenden Zeitzeugen Dietmar Schwan, Anneliese Stabler und Otmar Simon.

Eine weitere Zeitzeugin, Josefine Henkes, ist laut Ferrang erkrankt und kann der Filmpremiere nicht beiwohnen. Doch auch sie bekommt, wie alle anderen Mitwirkenden beziehungsweise deren Angehörige, Fotos überreicht, deren Motive Ferrang aus den Filmaufnahmen herausgezogen hat – zum Dank, dass sie die Film-Doku überhaupt erst möglich gemacht haben. Besonderen Dank richtet Doku-Filmer Ferrang an Günter Schönecker, der als Sprecher durch den Film führt. Sein roter Faden ist die Chronik des damaligen Schullehrers Franz Veith.

Alsdann heißt es Film ab für „Die Amis kommen – Kriegsende in Namborn“ und das Licht in dem kleinen Saal geht aus. Als erster Zeitzeuge, der sich an die Geschehnisse vom 19. und 20. März 1945 noch gut erinnert, kommt Rudolf Henkes zu Wort: „Die Leute waren am Tag des Einmarsches nervös und ängstlich. Sie haben sich gefragt, was kommt auf uns zu? Wir hatten das noch nicht mitgemacht. Sie hatten immer Angst.“ Anneliese Stabler erzählt: „Die Leute haben geweint und hatten furchtbare Angst. Was wird jetzt werden?“ Dietmar Schwan erinnert sich: „Die Bevölkerung in Namborn war in der Zeit ängstlich und aufgeregt. Vorwiegend waren es Frauen, Kinder und Alte. Die Männer waren ja eingezogen und im Krieg.“ Blandina Simon weiß noch, dass sie im Bunker war. „Wir hatten Angst. Wir Kinder hatten das noch nicht so wahrgenommen, wir konnten das noch nicht nachempfinden. Die älteren Leute, auch meine Oma, hatten alle Angst.“

Nahezu die ganze Bevölkerung versuchte, sich in Stollen und Kellern zu verstecken, während die Geschosse der Amerikaner ins Dorf donnerten. Grund dafür waren heftig feuernde Geschütze, die deutsche Truppen in Namborn gegen die heranrückenden Amerikaner in Stellung gebracht hatten. Auch der Kirchturm und die Uhr wurden von Maschinengewehrsalven und Geschossen getroffen. Einige der Schäden am Glockenstuhl sind noch heute sichtbar. Schließlich hisste ein mutiger Namborner – oder war es eine Gruppe? Die Erinnerungen der Zeitzeugen sind hier nicht eindeutig – die weiße Fahne am Kirchturm. Daraufhin endeten die Kampfhandlungen. Die Amerikaner sollen sich, da sind sich wiederum alle einig, bei ihrem Einmarsch anständig benommen haben.

Zwei weitere Themen des Films sind der Absturz eines deutschen Jagdflugzeugs in Namborn und, damit zusammenhängend, der eines alliierten Bombers in Güdesweiler. Außerdem berichtet Sprecher Günter Schönecker vom sogenannten Nerobefehl Hitlers, dem auch der Namborner Eisenbahntunnel hätte zum Opfer fallen sollen. Doch der letztlich schnelle Einmarsch der Amerikaner verhinderte diese sinnlose Zerstörung.

Nach der ersten Filmvorführung – Ferrang zeigt den Film im Anschluss noch einmal für die, die zunächst keinen Platz mehr bekommen haben – gibt es Redebedarf im Publikum. „Es ist gut, dass dieser Film jetzt gemacht wurde“, ist zu hören. Ein Gesprächspartner pflichtet dem bei und ergänzt: „Es könnte die letzte Gelegenheit gewesen sein.“

Die inzwischen verstorbene Blandina Simon ist eine der Zeitzeugen, die Filmemacher Joachim Ferrang in seiner Doku zu Wort kommen lässt.

Die inzwischen verstorbene Blandina Simon ist eine der Zeitzeugen, die Filmemacher Joachim Ferrang in seiner Doku zu Wort kommen lässt.

Foto: Thorsten Grim

Den Film gibt es als DVD oder auf Speicherstick zu kaufen bei Joachim Ferrang, Tel. (01 57) 57 22 46 57.

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