Sammlungsbewegung „Aufstehen“, aber wofür eigentlich genau?

Saarbrücken · Mehrere Saar-Gewerkschafter unterstützen die Sammlungsbewegung. Es zeichnet sich aber ein Konflikt über die Flüchtlingspolitik ab.

Detlev Schönauer ist ein Zugpferd der von Oskar Lafontaine initiierten Sammlungsbewegung „Aufstehen“. Er  tritt am Montag beim landesweiten Start auf. Doch mit seinen Positionen eckt er bei vielen Linken an.

Detlev Schönauer ist ein Zugpferd der von Oskar Lafontaine initiierten Sammlungsbewegung „Aufstehen“. Er  tritt am Montag beim landesweiten Start auf. Doch mit seinen Positionen eckt er bei vielen Linken an.

Foto: BeckerBredel

Für den landesweiten Start der linken Sammlungsbewegung „Aufstehen“ am Montag hat sich Oskar Lafontaine einen besonderen Ort ausgesucht. Das Bürgerhaus Burbach beherbergt bei Wahlen jene Wahllokale, in denen die Linke in der Vergangenheit an die 50 Prozent holte. 2009 war das, lang ist’s her. Als am Abend der Bundestagswahl 2017 die Stimmen im Bürgerhaus ausgezählt wurden, stand die AfD bei fast 20 Prozent.

Mit der Sammlungsbewegung wollen Lafontaine und Sahra Wagenknecht nun einen neuen Anlauf für linke Mehrheiten unternehmen. 1642 Unterstützer haben sich im Saarland bisher registriert, darunter 245 Linken- und 137 SPD-Mitglieder. Die einen sehen die Bewegung als Mittel, um damit eine rot-rot-grüne Koalition im Bund vorzubereiten, die anderen wollen damit gezielt AfD-Wähler ansprechen, auch indem sie gegen die Flüchtlingspolitik mobilisieren. Es wird interessant sein zu sehen, wie sie sich am Montagabend begegnen werden.

Zu der ersten Gruppe gehören Gewerkschafter. Als erste aus dem Gewerkschaftslager haben sich im Saarland Mark Baumeister, der Geschäftsführer der Gewerkschaft Nahrung Genuss Gaststätten (NGG), und Ralf Damde, der Landeschef der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG), aus der Deckung gewagt. Auch Verdi-Sekretär Michael Quetting, als Vorkämpfer für eine bessere Personalausstattung in Krankenhäusern landesweit bekannt, zeigt Sympathien und überlegt, ob er sich bei „Aufstehen“ engagieren wird.

Baumeister wird am Montag im Bürgerhaus reden. Der Sozialdemokrat, der vorübergehend auch mal Grünen-Mitglied war, sagte der SZ: „Ich finde das eine interessante Initiative. Mir geht es darum, dass wir ein Bündnis progressiver linker Kräfte hinbekommen, das die Themen gleiche Bezahlung von Männern und Frauen, prekäre Beschäftigung, höherer Mindestlohn und Rentenpolitik angeht.“ Große Koalitionen brächten immer nur relativ schlechte Kompromisse für die zustande, die darauf angewiesen seien, dass sich etwas ändere. Auch Quetting sagt, es sei richtig, dass versucht werde, diejenigen zu sammeln, die eine andere Sozialpolitik wollten.

Auch der zweiten Gruppe bei „Aufstehen“ geht es um eine Stärkung des Sozialstaates, aber gepaart mit einem Stoppsignal für Angela Merkels Flüchtlingspolitik. Diese Gruppe vertritt der Kabarettist Detlev Schönauer, der schon bei der Gründungsversammlung von „Aufstehen“ in Berlin dabei war. Schönauer sagt, „Aufstehen“ sei keine linke Sammlungsbewegung, sondern überhaupt eine Sammlungsbewegung. Er will auch AfD-Wähler ansprechen, das seien ja nicht alles Nazis.

Im Unterschied zu Baumeister will Schönauer diese Menschen aber nicht nur mit einer anderen Sozialpolitik (zurück)gewinnen, sondern auch mit einer anderen Migrationspolitik. Viele Bürger fühlten sich angesichts der „Chirurgen,  Ingenieure oder gar Raketenwissenschaftler“, die angeblich aus Syrien gekommen seien, „verarscht“, sie fragten sich: „Was will man uns hier verheimlichen?“ Für Schönauer ist die Begrenzung der Migration das Alleinstellungsmerkmal der Bewegung, beim Rest vertrete sie ja ähnliche Positionen wie die Linke.

Für viele Linke müssen Schönauers Positionen jedoch eine Zumutung sein. Er hat Kriminalstatistiken ausgewertet und Grafiken gebastelt, mit denen er zeigen will, dass Zuwanderer deutlich krimineller sind als Deutsche. Straffällig gewordene Migranten sollten „eingesperrt oder abgeschoben“ werden. Er ist auch der Meinung, dass die Gewalt von Linksextremen in den „Mainstream-Medien“, er nennt die „Tagesschau“, gerne heruntergespielt, die von Rechtsextremen hingegen übertrieben wird (zumindest kürzlich bei der Verhaftung der rechten Terrorgruppe „Revolution Chemnitz“). Dass es in Chemnitz eine Hetzjagd gab, bestreitet er. „So etwas gibt es bei jedem Bundesliga-Spiel.“

Auf eines legt Schönauer aber Wert: „Ich bin kein Rassist.“ Er habe viele ausländische Freunde, seine Tochter sei Französin, sein Schwiegersohn Chilene und so weiter. Er habe auch überhaupt nichts gegen Bürgerkriegsflüchtlinge und politisch Verfolgte. Aber solange in Deutschland Rentner Flaschen sammeln müssten und sich Menschen von ihrer Arbeit nicht ernähren könnten, könne man nicht viele Millionen Wirtschaftsflüchtlinge aufnehmen.

Es gibt führende Gewerkschafter im Saarland, die wegen solcher Positionen einen Bogen um die Sammlungsbewegung machen, obwohl ihnen die Idee nicht unsympathisch ist. NGG-Chef Baumeister will sich die Entwicklung genau ansehen. Wenn die Bewegung nach rechts abdrifte oder Politik gegen Flüchtlinge mache, sagt er, sei er „definitiv nicht dabei“.

Mark Baumeister, Chef der Gewerkschaft NGG, sieht die Bewegung als Chance, ein Linksbündnis vorzubereiten.

Mark Baumeister, Chef der Gewerkschaft NGG, sieht die Bewegung als Chance, ein Linksbündnis vorzubereiten.

Foto: BeckerBredel/BeckerBredel Fotografen

Wie Baumeister wird auch Schönauer am Montag im Bürgerhaus Burbach eine Rede halten und erklären, warum er bei „Aufstehen“ mitmacht. Er weiß, dass er polarisiert. Und er wird einen kurzen kabarettistischen Auftritt als französischer Bistrowirt Jaques hinlegen, bei dem CDU und SPD ihr Fett wegbekommen werden. Und auch die Offene-Grenzen-Fraktion der Linken. Die Frage ist, ob das dann alle im Saal witzig finden werden. Schönauer sagt, es werde „bestimmt interessant“.

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