Wenn das eigene Kind stirbt

Saarlouis. Eine Trauergruppe für Eltern, deren Kinder verstorben sind, wäre vor 200 Jahren unwahrscheinlich gewesen. "Damals haben Eltern nicht so intensiv getrauert wie heute

Saarlouis. Eine Trauergruppe für Eltern, deren Kinder verstorben sind, wäre vor 200 Jahren unwahrscheinlich gewesen. "Damals haben Eltern nicht so intensiv getrauert wie heute. Weil die Kindersterblichkeit heute niedriger ist als früher, ist das Unverständnis dafür größer", erklärt der Soziologe an der Universität Trier, Matthias Hoffmann, der sich in seiner Doktorarbeit mit den Themen Sterben und Tod auseinander gesetzt hat. "Heute ist es normal, dass ein Kind erwachsen wird. Außerdem hatten Familien früher meist mehrere Kinder." Heute konzentriere sich die Liebe der Eltern viel stärker auf wenige Kinder, oft sogar nur auf eins. Daher sei auch die Trauer intensiver, wenn dem Kind tatsächlich etwas zustoße.Die Selbsthilfegruppe für trauernde Eltern von Michael Schmitz in Saarlouis gibt es seit 2006. Da die Gruppe großen Zulauf hat, gründete der Trauerbegleiter den Verein "Trauernde Eltern und Kinder im Saarland". Inzwischen gibt es mehrere Gruppen. Sein Anstoß, eine solche Gruppe ins Leben zu rufen, war die eigene Betroffenheit: 2004 starb sein Sohn bei einem Verkehrsunfall. "Es war kurz vor seiner Einschulung. Ich hatte ihm noch eine Schultüte gekauft", erinnert sich Schmitz. "Jedes Mal wenn ich ein Schulkind gesehen habe, war es wie ein Messerstich ins Herz." In der Selbsthilfegruppe betreut er Eltern, die das Gleiche durchmachen müssen. "Wenn das eigene Kind stirbt, ist das das Grausamste, was passieren kann." Man mache doch Pläne. Man male sich aus, was das Kind später für einen Beruf ergreift. Sein Sohn Daniel habe gerne im Garten gespielt und sich immer die Hände schmutzig gemacht. "Ich war davon überzeugt, dass er mal was mit seinen Händen machen wird."

Um die Trauer zu verarbeiten, besuchte er damals ein Seminar speziell für trauernde Väter. Seine Frau ging zu einer Trauergruppe in Merzig, doch die war überfüllt. "Eine Gruppe stärkt, man fühlt sich aufgehoben." Doch wer ein Rezept erwartet, wie man mit seinem Schmerz umgeht, der irrt. "Den Königsweg gibt es nicht", sagt Schmitz. Manchen helfe es, Fotoalben anzuschauen, anderen täten lange Spaziergänge gut. Schmitz betont, er sei kein Therapeut: "Die Gruppe ist keine dauerhafte Stütze, sie soll den Menschen helfen, den eigenen Weg zu finden." Die Teilnehmer dürfen erzählen, müssen aber nicht. "Manche kommen nur einmal, andere zwei Jahre lang", so Schmitz.

Eine spezielle Gruppe für trauernde Väter hält Soziologe Hoffmann für eine gute Idee, denn das typische Rollenbild sei noch immer erkennbar. "Emotionen sind immer noch Frauensache. Männer haben oft Probleme, ihr Innenleben preiszugeben. Wenn sie unter sich sind, ist das einfacher. Das ist wie am Stammtisch", erklärt Hoffmann. Neben der Selbsthilfegruppe für Eltern gibt es auch eine Trauergruppe für Kinder, deren Eltern oder Elternteile gestorben sind. Die Arbeit mit Kindern sei anders - für Schmitz einfacher. Sie seien unbefangener, direkter, täten sich leichter als Erwachsene. "Sie gehen in die Trauer rein und raus, wie sie in eine Pfütze springen. In einem Moment kommen die Tränen, im nächsten spielen sie schon wieder und lachen."

Infos zum Verein unter Tel. (0 68 31) 9 66 58 18, E-Mail: info@tek-saarland.de.

Auf einen Blick

Ausgewählte Sendungen zur Themenwoche "Leben mit dem Tod" im SR:

Samstag, 17. November: SR 2 Kulturradio, 9.05 Uhr, "Letzte Ruhe - letzte Rechnung?" Bestattungskultur im Wandel von Christian Otterbach; 12.30 Uhr, Interview der Woche mit Margot Käßmann, Patin der Themenwoche: "Wie wir es neu lernen, Abschied zu nehmen". SR Fernsehen, 18.45 Uhr, "Der letzte Weg - Bestattungskultur im Wandel", 19.45 Uhr Aktueller Bericht "Wie gehen wir mit dem Tod um?", mit Blick auf die Sterbehilfedebatte in Luxemburg.

Sonntag, 18. November: SR 2 Kulturradio, 11.04 Uhr, Fragen an den Autor Christof Müller-Busch "Abschied braucht Zeit. Palliativmedizin und Ethik des Sterbens", 20.04 Uhr "Warum tust Du Dir das an? - Ehrenamt im Hospiz" von Karin Lamsfuß; SR 3 Saarlandwelle, 12.35 Uhr, Land und Leute, "Mein Kind stirbt" von Frank Hofmann. red

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