Kommunalpolitik „Den Garagenschlüssel haben nur wir“

Wadgassen · Aus Sicht der Kommunen sei es unsinnig, jetzt ein Landesrechnungszentrum zu bauen, kritisiert Wadgassens Bürgermeister Sebastian Greiber. Er ist auch Mitglied des IT-Kooperationsrates. Das geplante Zentrum soll Daten von Land, Uni und Kommunen speichern.

 So sehen Rechenzentren von innen aus. Hier eines der Telekom vor Inbetriebnahme.

So sehen Rechenzentren von innen aus. Hier eines der Telekom vor Inbetriebnahme.

Foto: picture alliance / dpa/Jens Wolf

Herr Greiber, was würde ein gemeinsames Landesrechenzentrum für eine Kommune wie Wadgassen bedeuten?

Greiber Im ersten Schritt, wie für alle anderen Kommunen auch, gar nichts – außer das unsere Server dann an einem anderen Ort stehen würden – aber das geht auch heute schon. Wir stehen aber eigentlich erst vor der Diskussion, wie man die IT in den Städten und Gemeinden in Zukunft aufstellt. Derzeit ist das ja sehr heterogen. Überall ist es ganz anders, oder um es anders zu sagen: Wir sprechen alle ganz unterschiedliche IT-Sprachen. Zum Vergleich: Es gibt zwei nennenswerte verschiedene Smartphone-Systeme Android oder iPhone. Jeder, der da zu Hause schon mal gewechselt oder synchronisiert hat, weiß wie umständlich das mit den Daten zwischen zwei verschiedenen Systemen ist. In der kommunalen Rechenwelt gibt es aber Dutzende Systeme mal 52, also in jeder der 52 saarländischen Kommunen eine andere Kombination. Da ist also aktuell die Chance auf einen 6er im Lotto größer, als im Saarland zwei „IT-gleiche“ Kommunen zu finden. Um also Synergien zu erreichen und Einsparpotentiale zu eröffnen, muss man zuerst über Standardisierung sprechen, damit wir am Ende überhaupt mal auf nur zwei standardisierte Systeme kommen. Erst dann macht es so richtig Sinn, bestimmte Rechenkapazitäten nicht mehr in den Rathäusern selbst vorhalten, sondern zentral in Anspruch nehmen.

Dann ist das Landesrechenzentrum also sinnvoll?

Landesrechnungszentrum Saarland Kritik Greiber
Foto: (c) by PHOTOGRAPHIE Sebastian Gr/Sebastian Greiber

Greiber Wie so oft im Saarland wird der zweite Schritt vor dem ersten gemacht. Bis alle diese Standardisierungsprozesse am Ziel sind, und die Kommunen effizient an das Zentrum angeschlossen sind, dauert es zehn Jahre, vielleicht noch länger. Bis wir es dann nutzen können, ist es vielleicht schon viel zu klein, oder die technischen Standards haben sich geändert. Die Standardisierung ist ein dynamischer Prozess, Schritt für Schritt, und dafür haben wir im Moment im Saarland bei den Serverkommunen und vor allem privat betriebenen Rechenzentren genug Kapazität.

Also doch nicht sinnvoll?

Greiber Man würde eine unnötige Doppelstruktur aufbauen.

Der Landesregierung geht es aber doch besonders um die Sicherheit der Daten.

Greiber Ein vorgeschobenes Argument. Die privat betriebenen Zentren haben hohe Sicherheitsstandards, teilweise sogar höher als das Land bauen will. Bei denen sind zum Beispiel die Daten von Banken drin. In einem dieser Rechenzentren liegen auch die Daten von 30 rheinland-pfälzischen Kommunen. Die haben ihre IT übrigens mit einer saarländischen Software- standardisiert und vertrauen einem Rechenzentrum im Saarland. Wir haben diese Kompetenz also vor der Haustür, rühmen uns dessen auf Pressefotos – wollen sie aber nicht selbst nutzen. Und was die Sicherheit betrifft: Die privaten Rechenzentren haben gar keinen Zugriff auf unsere Daten. Sie stellen uns im Prinzip nur eine Garage zur Verfügung, in die wir unsere Rechner stellen. Den Garagenschlüssel haben nur wir. Der beste Witz dabei ist aber, dass Finanzstaatssekretär Ulli Meyer sagt: Wir schreiben das Landesrechenzentrum aus, sprich, es sind dann Private, die es de facto betreiben. Ein Auftrag in dem Volumen muss europaweit ausgeschrieben werden. Und dann spielen da noch ganz andere IT-Anbieter mit – ich bezweifle, dass das im Interesse der saarländischen IT-Wirtschaft ist.

Ist der Bau dieses Rechenzentrum politisch noch abwendbar?

Greiber Ich hoffe es. Da sollte einerseits Vernunft Einzug halten, andererseits ist es bereits zu einem Prestigeprojekt geworden. Und mit teuren Prestigeobjekten hat die Landesregierung in den letzten Jahrzehnten so ihre Erfahrungen gemacht.

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