Streit um kommunale Finanzen „Das kann einem den Spaß rauben“

Saarlouis · Wadgassens Bürgermeister: Eine Saarland-Kasse würde die Kommunen eher erwürgen als sie wirklich von Schulden zu entlasten.

 Wadgassens Bürgermeister Sebastian Greiber (SPD) hält die „Saarland-Kasse“, die das Land vorgeschlagen hat, für eine Mogelpackung.

Wadgassens Bürgermeister Sebastian Greiber (SPD) hält die „Saarland-Kasse“, die das Land vorgeschlagen hat, für eine Mogelpackung.

Foto: rup

Herr Greiber, was hätte Wadgassen von einer Saarland-Kasse?

Greiber Wenig. Unsere Kassenkredite, genehmigt bis zu einem Volumen von 26 Millionen Euro, würden optisch aus unserer Bilanz verschwinden. Aber nur optisch. Sie würden zwar in einen Zweckverband oder einer anderen Form der Organisation übernommen, blieben aber der Gemeinde zugeordnet. Der Zweckverband würde die Zinszahlungen des Kassenkredites übernehmen. Wir würden aber noch einen Teil, 25 Prozent unserer Zinszahlungen, weiter bedienen.

Klingt gut.

Greiber Es sieht dann so aus, als würden wir 75 Prozent unserer Last nicht mehr selbst zahlen müssen. Angeblich wäre dem Zweckverband ein besseres Zinsmanagement möglich – wobei alle Kommunen ein aktives Zinsmanagement betreiben.

Sie kritisieren das Modell. Wo liegt der Haken?

Greiber Auch der Zweckverband muss ja irgendwoher das Geld aufbringen. Dazu wird er vom Land mit Geld ausgestattet – mit kommunalem Geld. Das sind Mittel aus dem Kommunalen Finanzausgleich (KFA) und versprochene Rückerstattungen aus dem Saarland-Pakt. Was ich für eine Riesenschweinerei halte ist, dass das Land damit einseitig den Saarland-Pakt aufgekündigt hat. Die Kommunen haben jahrelang mit sehr vielen Millionen dazu beigetragen, dass das Land seine Sparvorgaben einhalten konnte. Doch jetzt zieht das Land seine Zusage zurück, den Kommunen Geld zurückzugeben. Das hat mit Vertragstreue nichts mehr zu tun. Anderes Beispiel: Vor etwa zwei Jahren wurde die Grunderwerbssteuer erhöht, die auch an die Landkreise ging. Das Land hat damals den Anteil für die Landkreise weggenommen – und den Kommunen versprochen, dass das nicht zu ihren Lasten gehe. Dass also die Kreis­umlage nicht steige. Auf die Einlösung dieses Versprechens warten wir bis heute. Die Umlage ist gestiegen. Und wie finanzieren wir das? Durch Kassenkredite.

Sie stören sich also an den Rechenmodellen des Landes?

Greiber Ja. Anderes Beispiel. Der Finanzminister sagt, er hoffe auf 100 Millionen Euro mehr an Steuereinnahmen für die Kommunen in den nächsten Jahren. Das sieht er als Gegenfinanzierung für die Kommunen. Man macht also die Stabilität im Haushalt abhängig von der Konjunkturentwicklung. Das finde ich sehr fahrlässig, zumal in einer Situation der Hochkonjunktur. Das ist ja wohl riskanter als, wie wir jetzt, auf die niedrigen Zinsen zu setzen, die wir auf ein Jahrzehnt ganz gut planen können.

Wie wirkt sich die Saarland-Kasse am Ende für Wadgassen aus?

Greiber Die Mittel wie die aus dem KFA fehlen uns natürlich als Einnahme im Haushalt. Per Saldo also ist das bestenfalls ein Nullsummenspiel. Wie soll die Kommune dann noch investieren? Denn neue Kassenkredite sind ja dann auch nicht mehr möglich. Das eigentliche Problem also, dass die saarländischen Kommunen für ihre Aufgaben finanziell nicht ausreichend ausgestattet sind, verschärft sich noch und wird nicht gelöst. Und die alten Schulden werden durch neue Schulden getauscht. Deshalb ist die Saarland-Kasse eine Mogelpackung.

Würde die Saarland-Kasse kommunale Verwaltung einschränken?

Greiber Ja. Hinzu kommt eine Aufsicht durch so etwas wie den Stabilitätsrat. Wir sollen uns also aus lauter Dankbarkeit einem Sparkommissariat unterwerfen, das immer ein Veto-Recht hat. Da können also Landesbeamte entscheiden, ob in Wadgassen an der Turnhalle der Grundschule die Kindertoiletten erneuert werden – oder nicht. Obwohl gewählte Ortsräte, Gemeinderäte, ein gewählter Bürgermeister dies beschlossen haben. Die Kommunen würden also in ihrer Selbstverwaltung, die letztlich grundgesetzlich garantiert ist, eingeschränkt. Ein sehr hoher Preis dafür, dass sich die finanzielle Situation eigentlich nicht ändert.

Was wäre die Alternative?

Greiber Die Kommunen müssten das Geld auch bekommen, das ihnen zusteht. Dann hätten wir die Chance, auch aus eigener Kraft aus den Haushalts-Problemen wieder rauszukommen. Nehmen wir dieses: Vor zehn Jahren noch hat die Gemeinde Wadgassen Schlüsselzuweisungen vom Land bekommen, die eine Million Euro höher waren als die Kreisumlage. Heute bekomme ich eine Million Euro weniger als ich Kreisumlage zahlen muss. Ich kann also die Million nicht ausgeben. Stattdessen muss ich eine Million zusätzlich irgendwo auftreiben. Wie soll das funktionieren?

Frustriert Sie die Aussicht auf eine Saarland-Kasse?

Greiber Die Grundaufgabe kann niemand von uns lösen: Permanent mehr Aufgaben und Ausgaben für die Kommunen, auf der anderen Seite kommt nicht mehr Geld rein. Und das verärgert mich dann schon: Zwischen den Zeilen der Vorwurf auf Landesebene, dass es die Kommunen halt nicht hinkriegen. Da wird im Grunde den Mitarbeitern aller 52 Rathäuser und den Gemeinderäten im Saarland suggeriert, sie seien Deppen. Und seltsamerweise finden sich die zwei Handvoll Experten im Saarland nur beim Land. Wobei sich die großen Finanzskandale der letzten Jahre so gut wie immer nur auf Landesebene abspielen. Die Saarland-Kasse wird den Kommunen Kassenkredite nur auf dem Papier tilgen, nicht in Wirklichkeit. Das geschieht, indem sie den Kommunen das Geld wegnehmen, mit dem sie in die Daseinsvorsorge ihrer Bürger investieren sollten. Da bleibt uns nur noch Mangelverwaltung – auf 30 bis 40 Jahre, so lange soll das Projekt angelegt werden. Das kann einem schon den Spaß an der Kommunalpolitik rauben.

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