SZ-Bauernkalender Chemie soll nur ein Baustein im integrierten Konzept sein

Von Vogelscheuchen, Hacken und Agrochemie – ein Einblick in die Welt des Pflanzenschutzes aus der Sicht des Landwirts.

  Pflanzenschutz auf traditionelle Art: die Vogelscheuche  Foto: Patrick Seeger/dpa

Pflanzenschutz auf traditionelle Art: die Vogelscheuche Foto: Patrick Seeger/dpa

Foto: picture-alliance/ dpa/Patrick Seeger

Jeder von uns kennt Vogelscheuchen. Mit Hüten und Lumpen bekleidet, Köpfen und Gliedmaßen aus Stroh oder Reisig, so stellen wir uns eine Vogelscheuche vor. Während sie in der Dämmerung so manchen Wanderer in der freien Landschaft erschrecken, sollen die schaurigen Gestalten am Tage gefiederte Räuber wie Rabenkrähen oder Tauben von den Äckern fernhalten – als eine möglicherweise antiquiert wirkende, aber zum Teil immer noch wirkungsvolle Maßnahme zum Pflanzenschutz.

Aber was ist Pflanzenschutz eigentlich? Ist Pflanzenschutz nur ein Synonym für den Einsatz chemisch-synthetischer Wirkstoffe, oder verbirgt sich dahinter mehr, als man zunächst annehmen möchte?

Unter dem Begriff Pflanzenschutz werden alle Arbeiten in landwirtschaftlichen Kulturpflanzenbeständen zusammengefasst, die diese frei von konkurrierenden Pflanzen, Schad-Erregern wie Pilzkrankheiten oder tierische Schädlinge halten. Darunter fällt beispielsweise auch die Vogelscheuche.

Aber wie erfolgt nun praktischer Pflanzenschutz? Pflanzenschutzmaßnahmen beginnen schon weit vor der tatsächlichen Ausbringung entsprechender Wirkstoffe in die Kulturpflanzenbestände, denn die Planung der Fruchtfolge ist ein wichtiger Teil des Pflanzenschutzkonzeptes. Zentraler Punkt dieser Überlegung ist, welche Kulturpflanzen nacheinander auf einer bestimmten Ackerfläche angebaut werden. Diese Abfolge von sogenannten Halm- und Blattfrüchten bietet nicht nur eine Kulturartenvielfalt in der Landschaft. Da jede Kultur andere Ansprüche hat und andere Reststoffe im Boden hinterlässt, ist die Reihenfolge der verschiedenen Kulturen von gesundheitlicher Relevanz für die angebauten Kulturpflanzen.

Werden über die Gestaltung der Fruchtfolge hinaus auch Aspekte der Bodenbearbeitung, der Sortenwahl, der mechanischen Unkrautbeseitigung und des chemischen Pflanzenschutzes mit berücksichtigt, spricht man von integriertem Pflanzenschutz. Dies bedeutet, die verschiedenen Aspekte des Ackerbaus so aufeinander abzustimmen, dass kostenintensive chemische Pflanzenschutzmaßnahmen möglichst minimiert werden.

Ist das Getreide im Herbst des Vorjahres ausgesät worden, steht im Frühjahr eine Begutachtung der Getreidebestände an, um den Anteil fremder Pflanzen in der Kultur zu bestimmen. Diese fremden Pflanzen konkurrieren mit dem ausgesäten Getreide um die Lebensgrundlagen – Licht, Wasser und Nährstoffe. Wird der Anteil an Fremdpflanzen auf der Fläche zu groß, sind Ertragseinbußen im Getreide und somit eine Schmälerung des Einkommens in der Familie des Landwirts die Konsequenz. Um dies zu vermeiden, wird eine Unkrautbekämpfungsmaßnahme durchgeführt. Die kann bei kleinen Unkräutern mechanisch, also mit einer Hacke, einem Striegel oder einer Egge durchgeführt werden. Sind zu viele und größere Beikräuter vorhanden, wird mit der Pflanzenschutzspritze ein entsprechend zugelassenes Herbizid, also ein Mittel gegen Gräser und Unkräuter, in den Bestand ausgebracht.

Im Laufe des weiteren Pflanzenwachstums und gerade bei feuchter Witterung können Pilzerkrankungen den Kulturpflanzen zu schaffen machen, die unter Umständen auch Auswirkungen auf die Gesundheit des Menschen haben können. Pilzbefall im Getreide ist somit beim Landwirt im wahrsten Sinne des Wortes genauso beliebt wie Fußpilz am eigenen Zeh. Beim Auftreten beider Pilze ist eine medikamentöse Behandlung vonnöten, um gesundheitliche Beeinträchtigungen auszuschließen. Im Pflanzenbau wird dieses Pflanzenmedikament als Fungizid bezeichnet.

Im Laufe des Sommers können auch tierische Schädlinge in den Kulturen auftreten, etwa in den Kartoffeln oder im Raps. Jeder kennt den Kartoffelkäfer. Er ernährt sich von den Blättern der Knollengewächse – und ohne Blätter stirbt die Pflanze vorzeitig ab, ohne dass die Früchte ausgebildet werden und reifen können.

Ernteverluste oder gar der Ausfall kompletter Ernten wären bei einem entsprechenden Käfer-Vorkommen die Folge, was in früheren Jahrhunderten zu Hungersnöten, Unruhen und Kriegen geführt hat. Um Ernteausfälle zu verhindern, werden daher sogenannte Insektizide angewendet. Deren Einsatz ist hinsichtlich des Mitteleinsatzes und der Ausbringung streng geregelt und unterliegt sehr hohen Auflagen.

Ohnehin ist der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln ein stark reglementierter Bereich. Bevor Pflanzenschutzmittel zugelassen und eingesetzt werden dürfen, durchlaufen sie eine jahrelange, strenge Prüfung. Natürlich sind die eingesetzten Mittel für die entsprechenden Schadorganismen giftig – und auch für den Anwender gilt es entsprechende Sicherheitsmaßnahmen zu beachten.

Dennoch ist es nicht zielführend, die Möglichkeiten des chemischen Pflanzenschutzes als gesundheitsschädliche Giftausbringung zu pauschalisieren. Zum einen macht die Dosis das Gift, und zum anderen sind chemische Pflanzenschutzmittel immer nur ein Baustein des Gesamtkonzeptes zum integrierten Pflanzenschutz.

Im SZ-„Bauernkalender“ berichten Landwirte aus der Region jeden Monat über anstehende Arbeiten oder behandeln aktuelle Themen aus der Landwirtschaft.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort