Geringverdienende Selbständige „Von Krankenkassen gnadenlos abkassiert“

Saarbrücken · Der Saarbrücker Blumenhändler Andreas Müller hat eine Kampagne für gerechtere Krankenkassen-Beiträge für geringverdienende Selbständige ins Leben gerufen. Eine entsprechende Petition hat bereits 100 000 Unterschriften.

 Andreas Müller an seinem Blumenstand auf dem St. Johanner Markt. Er setzt sich für gerechtere Krankenkassenbeiträge für geringverdienende Selbstständige ein.

Andreas Müller an seinem Blumenstand auf dem St. Johanner Markt. Er setzt sich für gerechtere Krankenkassenbeiträge für geringverdienende Selbstständige ein.

Foto: Oliver Dietze

Der Wahl-Saarländer Andreas Müller hat eine Kampagne für gerechtere Krankenkassenbeiträge für geringverdienende Selbständige initiiert. Eine entsprechende Petition, die der 48-Jährige unmittelbar nach der Vereidigung des neuen Bundesgesundheitsministers nach Berlin schicken will, hat bereits rund 100 000 Unterschriften erhalten. Nach Angaben Müllers werden derzeit mehrere 100 000 Menschen in Deutschland „von den Krankenkassen gnadenlos abkassiert“. Er fordert, die Krankenkassenbeiträge an die gesetzlichen Kassen für Selbständige unter Wegfall der Mindestbeitragsbemessungsgrenze nach dem tatsächlichen Gewinn zu ermitteln. Wie der Gesetzgeber mit Selbständigen bislang umgehe, sei „in höchstem Maße ungerecht und unsozial und im Vergleich zum Arbeitnehmer eine krasse Ungleichbehandlung“, sagt Müller. Denn nicht alle Selbständigen seien wohlhabend, „haben Wohneigentum und ein tolles Auto“. Zur Veranschaulichung skizziert er seine eigene Situation.

Müller, gebürtig aus Koblenz, war nach eigenen Angaben sowohl Leiter einer Aldi- als auch einer Post-Filiale in der Nähe von Koblenz. Als letztere schloss, bot ihm eine Bekannte in Saarbrücken einen Filialleiter-Job in ihrer Bäckerei an. Als die jedoch insolvent war, drohte erneut die Arbeitslosigkeit. Daraufhin beschloss er, sich als Händler von Pflanzen und Schnittblumen auf dem Saarbrücker Wochenmarkt selbständig zu machen. Neun Jahre ist das jetzt her. „Viel verdiene ich da nicht“, sagt er. Konkret seien es rund 1200 Euro brutto im Monat. Davon gehen 410 Euro monatlich an die Krankenkasse für die Kranken- und Pflegeversicherung (34 Prozent seines Einkommens). „Dieser Mindestbeitrag für freiwillig gesetzlich Versicherte wird von einem fiktiven Einkommen, der Mindestbeitragsbemessungsgrenze von zurzeit 2231,25 Euro berechnet“, erklärt Müller. „Im Falle eines Arbeitnehmers in Vollzeit, der den Mindestlohn bekommt, zahlen Arbeitnehmer und Arbeitgeber zusammen einen niedrigeren Beitrag an die Krankenkasse als ich. Das ist absurd!“

Bei einem Antrag auf eine Beitragsermäßigung bei der Krankenkasse werde man ähnlich behandelt wie ein Hartz-IV-Empfänger: Es bestehe eine Auskunftspflicht in Bezug auf das Vermögen (Auto, Schmuck, Sparvermögen, etc.) sowie auf das Gesamteinkommen der Bedarfs- beziehungsweise der Lebensgemeinschaft. Weil für Müller keine Ermäßigung in Betracht kommt, bleibe von seinem Einkommen „nach Abzug dieser immens hohen Beiträge an die Krankenkasse zum Leben nicht mehr viel übrig. Eine Altersvorsorge ist gar nicht möglich“, erklärt Müller. „Da muss sich etwas ändern, denn das ist ungerecht.“ Der Beitrag an die gesetzlichen Krankenkassen für Selbständige müsse dabei nicht nur nach dem tatsächlichen Gewinn ermittelt werden, sondern auch die Frage nach der Bedarfsgemeinschaft und dem Vermögen müsse entfallen. Müller: „Nur wenn das tatsächliche Einkommen zugrunde gelegt wird, gibt es gerechte Beiträge.“

Am 27. November will Müller der künftigen gesundheitspolitischen Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Christine Aschenberg-Dugnus, in Berlin schon mal die ersten Unterschriften überreichen. Sie habe ihm zugesagt, sich in den Jamaika-Sondierungsgesprächen für seine Ziele einzusetzen. Das wäre schon mal ein erster Schritt.

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