Pater: Thema Sexualität darf kein Tabu mehr sein

St. Wendel. Seit Februar befasse sich Pater Fabian Conrad unentwegt mit Missbrauchsfällen aus den 70er- und 80er-Jahren am St. Wendeler Arnold-Janssen-Gymnasium (AJG). Der Schulleiter telefoniere mit Opfern, halte ständig Kontakt mit dem fürs AJG verantwortlichen Orden der Steyler Missionare in St. Augustin bei Bonn, berichtete er der SZ

 Schüler und Lehrer sprechen mit SZ-Vertretern über die Misshandlungen am Arnold-Janssen-Gymnasium. Fotos: B & K

Schüler und Lehrer sprechen mit SZ-Vertretern über die Misshandlungen am Arnold-Janssen-Gymnasium. Fotos: B & K

St. Wendel. Seit Februar befasse sich Pater Fabian Conrad unentwegt mit Missbrauchsfällen aus den 70er- und 80er-Jahren am St. Wendeler Arnold-Janssen-Gymnasium (AJG). Der Schulleiter telefoniere mit Opfern, halte ständig Kontakt mit dem fürs AJG verantwortlichen Orden der Steyler Missionare in St. Augustin bei Bonn, berichtete er der SZ. Lehrer und Schüler diskutierten darüber. Der 48-jährige Geistliche, der Anfang der 80er am AJG das Abitur machte: "Da ist etwas Schreckliches passiert, was ich nur bedauern kann." Das habe er in einem Schreiben betont, das er an die Eltern der zurzeit rund 640 Gymnasiasten und der über 60 neu angemeldeten Schüler verschickt habe. Die Misshandlungen am AJG seien nicht zu entschuldigen, würden aufgearbeitet. Dabei werde immer wieder gefragt, wie das überhaupt habe geschehen können und niemandem aufgefallen sei. Lehrer, die bereits in der betreffenden Zeit an dem St. Wendeler Gymnasium unterrichteten, seien geschockt, nichts mitbekommen zu haben. Von sexuellen Übergriffen auf Fünft- und Sechstklässler beim völlig offen gehandhabten Nacktbaden im schuleigenen Schwimmbad. Conrad: "Genau das war der Grund: Weil es mit jeweils an die 25 Schüler öffentlich war, konnte sich niemand vorstellen, dass sich da Verbotenes im Geheimen abspielt." Aber Betroffene berichten, dass sie sehr wohl andere Lehrer und Pater darüber informiert haben wollen, von ihnen aber nicht ernst genommen worden seien. Schlimmer noch: Die angesprochenen Lehrer hätten mit Schläge gedroht, sollten die Opfer ihre Vorwürfe aufrecht erhalten. Damit sowas nie mehr geschieht, setze Conrads Schule jetzt auf Vertrauenslehrer und Mediatoren (Konfliktberater). Thomas Strube (41) ist seit 2000 Lehrer am AJG und Ansprechpartner für Schüler. "Früher wurde oft verschwiegen und vertuscht. Wir wollen zur Offenheit erziehen", sagt er. Vize-Schulleiterin Renate Ohlmann (53) ergänzt: "Heute steht die Gesellschaft Schule und Kirche skeptischer gegenüber. Auch Sexualität ist kein Tabu mehr." Und hier sieht Pater Conrad bei der katholischen Kirche Reformbedarf: "Wir brauchen beim Zölibat, das den Umgang mit Sexualität bestimmt, ein Umdenken." Dabei stellt er die Ehelosigkeit bei Ordensbrüdern nicht in Frage, wohl aber bei Priestern. Denn das generelle Eheverbot bei katholischen Würdeträgern habe zum Verschweigen des Themas Sexualität geführt. Conrad: "Dies war eine treibende Kraft, dass Missbräuche am AJG unentdeckt blieben, weil über Sex prinzipiell niemand sprach." Dass dies heute bei Eltern, Schülern sowie Lehrern anders ist, bestätigt Schülersprecher Lukas Gentele (16). Der Elftklässler: "Wir haben einen aufklärenden Unterricht." Diese Offenheit gehe über die Schulstunden hinaus, berichtet Vanessa Ludwig (15) aus der neunten Klasse, Sprecherin der Mittelstufe: "Unsere Lehrer fordern uns auf, darüber zu sprechen, wenn etwas nicht in Ordnung ist."

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