Ernährung Gesunde Ernährung bleibt ein dicker Brocken

Saarbrücken/Berlin · Die Bundesregierung will, dass die Lebensmittelbranche Zucker, Salz und Fett in ihren Produkten reduziert. Wie halten es die saarländischen Hersteller damit?

 Zu viel Fett und Salz führen zu Übergewicht und erhöhen das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes (Symbolbild).

Zu viel Fett und Salz führen zu Übergewicht und erhöhen das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes (Symbolbild).

Foto: dpa/Jens Büttner

Glaubt man dem „Ernährungsreport 2019“, den Bundesernährungsministerin Julia Klöckner (CDU) kürzlich vorstellte, müssten die Deutschen sehr gesund leben: 91 von 100 gaben demnach an, dass es bei der Ernährung auf Gesundheit ankomme. Tatsächlich werden die Deutschen aber immer dicker – und die Saarländer bilden keine Ausnahme. Im Jahr 2017 waren nach Angaben des Statistischen Landesamts 63 Prozent der Männer und 42 Prozent der Frauen im Saarland übergewichtig. Ursache ist meist eine falsche Ernährung. Zu viel Zucker, Fett und Salz führen zu Übergewicht und erhöhen das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes.

Im Dezember einigte sich Bundesernährungsministerin Klöckner mit mehreren Branchen der Lebensmittelindustrie darauf, bis zum Jahr 2025 Zucker, Salz und Fett in Fertigprodukten zu reduzieren. So sagten zum Beispiel die Hersteller von Tiefkühlpizzen zu, den Salzgehalt auf durchschnittlich maximal 1,25 Gramm Salz pro 100 Gramm Pizza zu verringern. Das Deutsche Bäckerhandwerk lehnte einen fixen Grenzwert für Salz in Brot ab: Man fürchtete um die Rezepturfreiheit. Der Verband sagte aber zu, die Bäcker für einen „sinn- und maßvollen Umgang“ mit Salz sensibilisieren zu wollen.

Hans-Jörg Kleinbauer, Landesinnungsmeister der Bäckerinnung Saarland, steht einer Reduzierung von Fett, Salz und Zucker grundsätzlich offen gegenüber. Er sieht darin sogar eine Möglichkeit für die Bäcker, Geld zu sparen. Allerdings sieht er auch Grenzen bei der Umsetzbarkeit: Brot und Gebäck seien handwerklich hergestellte Waren. Die Zutaten ließen sich nicht so exakt dosieren wie bei industriell gefertigter Ware. „Während ein Lehrbub den Hefeteig etwas dicker mit Zuckerguss glasiert, nimmt ein anderer etwas weniger.“ Zudem sei Salz ein Backhilfsstoff, der den Teig beeinflusse, und deshalb nicht willkürlich reduziert werden könne.

Auch für Traditionsgebäck sollten aus Kleinbauers Sicht Ausnahmen gelten. „Wenn ich eine Martinsbrezel ohne Zucker backe, ist es doch keine Martinsbrezel mehr.“ Der Innungsmeister sieht in den Zielvorgaben auch eine Bevormundung der Kunden. „Bei der ganzen Diskussion sollte man deren Wünsche nicht ignorieren. Ich denke, man erreicht mehr, wenn man die Menschen aufklärt, statt ihnen etwas vorzuschreiben.“ Es sei doch kein Problem, wenn Kinder einmal im Jahr eine Martinsbrezel äßen, sondern wenn sie sich insgesamt ungesund ernährten. „Man muss ihnen beibringen, mit Maß und Ziel zu essen.“

Nestlé Wagner in Nonnweiler – nach eigenen Angaben einer der größten Hersteller von Tiefkühlpizzen in Europa – will die Vorgaben bis 2025 umsetzen. „Für Nestlé Wagner ist die schrittweise Reduktion des Salzgehaltes schon seit vielen Jahren ein wichtiges Thema“, sagt Sprecherin Louisa Ernst. Bei der Entwicklung neuer Produkte und der Überarbeitung bestehender Produkte werde sie bereits berücksichtigt. Einige Produkte hätten heute schon den angepeilten Salzgehalt. „Über das gesamte Pizza-Sortiment hinweg erreichen wir diesen Durchschnittswert hingegen noch nicht“, sagt Ernst.

Von heute auf morgen umsetzen lässt sich das Vorhaben offenbar nicht, zudem ist es mit Kosten verbunden. „Die Überarbeitung von Produktrezepturen ist aufwändig und komplex“, sagt Ernst. Im Zentrum stehe dabei die Akzeptanz durch die Verbraucher. Deshalb wolle man schrittweise vorgehen. „Das bedeutet, dass Produkte über einen längeren Zeitraum immer wieder überarbeitet werden müssen, um den Salzgehalt in mehreren Schritten zu verringern“, sagt die Sprecherin. „Das geht natürlich mit entsprechenden Kosten einher.“

Gesetzlich geregelt sind die Zielvorgaben, auf die sich die Bundesernährungsministerin mit der Lebensmittelindustrie geeinigt hat, nicht. Es ist eine freiwillige Selbstverpflichtung, weshalb die Verbraucherorganisation Foodwatch Klöckner bereits scharf kritisierte. Andere Länder machten ernst im Kampf gegen Fettleibigkeit, sagte Foodwatch-Geschäftsführer Martin Rücker. So hätten etwa Frankreich und Spanien eine Lebensmittelampel eingeführt. Klöckner belasse es dabei, „bei der Lebensmittelindustrie lieb ,bittebitte‘ zu sagen“.

Auch die Deutsche Diabetes-Gesellschaft warf Klöckner vor, sich den Interessen der Lebensmittelindustrie zu beugen. Alle Maßnahmen, Salz, Zucker oder Fett in ungesunden Lebensmitteln zu reduzieren, seien bisher ins Leere gelaufen, weil sie auf Freiwilligkeit basiert hätten, sagte deren Geschäftsführerin Barbara Bitzer dem SWR. Lebensmittel müssten auf der Vorderseite für jedermann sichtbar gekennzeichnet werden.

Im kommenden Herbst sollen die Zielvorgaben erstmals überprüft werden. Für den Fall, dass die Hersteller nicht umsetzen, was sie zugesagt haben, hat Klöckner weitere Maßnahmen angekündigt – welche das sein könnten, ließ sie offen.

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