Neue Strategie für bessere Ernährung Immer schön soft mit der Zucker-Lobby

Berlin · Egal in was man beißt: Zu viel Fett und Zucker lauern mittlerweile fast überall. Ernährungsministerin Julia Klöckner will Lebensmittel jetzt gesünder machen – doch der SPD gehen die Pläne nicht weit genug.

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Zahlreiche Deutsche sind zu pummelig. Rund 47 Prozent der Frauen und 62 Prozent der Männer haben laut Robert-Koch-Institut starkes Übergewicht. Bereits 15 Prozent der Kinder und Jugendlichen bringen viel zu viele Pfunde auf die Waage. Der Grund: Sie alle nehmen zu häufig Zucker, Fett und Salz zu sich. Bundesernährungsministerin Julia Klöckner (CDU) will das ändern – nach Auffassung der SPD greift ihr Vorhaben aber zu kurz. Es droht ein Krach ums Süße.

In dieser Woche ließ die Ministerin die im Koalitionsvertrag vereinbarte „Nationale Reduktions- und Innovationsstrategie für Zucker, Fette und Salz in Fertigprodukten“ verschicken. Ziel sei es, eine gesunde Lebensweise zu fördern, die Zahl der Übergewichtigen und Adipösen (Fettleibigen) zu senken und ernährungsbedingte Krankheiten wie Diabetes oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu verringern.

 Bundesernährungsministerin Julia Klöckner (CDU)

Bundesernährungsministerin Julia Klöckner (CDU)

Foto: dpa/Christoph Schmidt

Die neue Strategie nimmt vor allem Fertigprodukte ins Visier, die laut Ministerium fast die Hälfte der Nahrungsmittel ausmachen, die die Deutschen futtern. Sie sollen künftig weniger Dickmacher enthalten.

Klöckner will den Zuckergehalt in Softdrinks bis 2025 zweistellig senken. Ähnliches ist für Milchprodukte und Frühstücksleckereien wie Cornflakes geplant. Auch sollen Lebensmittel für Kinder nicht mehr Süße enthalten dürfen als Lebensmittel für Erwachsene. Und was weniger Salz angeht, stehen Brot- und Backwaren, Wurst und Klassiker wie die Tiefkühl-Pizza im Fokus. Klöckner hofft auf Rezepturänderungen der Produzenten. Diese müssten aber „zu geschmacklich guten Resultaten führen, die von Verbraucherinnen und Verbrauchern akzeptiert werden“.

Soweit, so gut. Doch die CDU-Politikerin plant keine neuen Gesetze, also keinen Zwang, sondern setzt fast nur auf Freiwilligkeit der Hersteller. Auch von Sanktionen ist keine Rede. Und bis zum Jahr 2025, das ist die Zielmarke für eine nachhaltige Reduzierung von Zucker und Co, ist es noch lange hin. In der SPD ist die Skepsis daher groß: „Die nationale Reduktionsstrategie darf nicht zum Papiertiger verkommen“, so die verbraucherpolitische Sprecherin der Fraktion, Ursula Schulte.

Ausgerechnet bei gesüßten Getränken „der Wirtschaft die Zielvereinbarung selbst zu überlassen und dann auch noch sieben Jahre Zeit zu geben, ist für mich wirklich enttäuschend, und damit kann ich mich nicht abfinden“, so Schulte zu unserer Redaktion. In der SPD wird auf Großbritannien verwiesen. Dort müssten Hersteller eine Strafsteuer zahlen, wenn sie Softdrinks zu süß machten. Kritik üben auch die Grünen: Statt klare Regelungen zu schaffen wie in anderen Ländern, „setzt die Ministerin weiter auf diffuse Freiwilligkeit“, so Verbraucherexpertin Renate Künast. „Im Kampf gegen Fehlernährung und chronische Erkrankungen erwarte ich mehr. “

Verärgert ist man bei der SPD auch über das Verfahren: Klöckner habe ihre Strategie ohne Abstimmung in der Koalition vorab veröffentlicht. Bei der Union stärkt man der Ministerin hingegen den Rücken, sie habe „punktgenau“ geliefert, so Fraktionsvize Gitta Connemann (CDU) auf Nachfrage. „Mit konkreten Zielen und einem engen Monitoring wird mehr erreicht als durch Steuern auf Lebensmittel oder Backrezepte des Gesetzgebers.“ Ein Ergebnis unter vielen sei das Verbot von zugesetztem Zucker in Babytees. „Ich glaube nicht, dass die SPD solche Erfolge durch Boykott verhindern will.“ Reibungslos wird Klöckners Strategie das parlamentarische Verfahren aber wohl nicht durchlaufen.

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