So kann’s gehen Saarländer haben Taktgefühl

Mit welchem Recht wird Saarländern eigentlich unterstellt, sie wüssten partout nicht, sich zu benehmen und gewählt auszudrücken? Also ich bin da ja ganz anderer Auffassung – wenn ich mal von dem dialektbedingt etwas derberen Tonfall absehe.

Saarländer haben Takt und Anstand
Foto: SZ/Robby Lorenz

Insbesondere in nördlicheren, dörflich geprägten Landesteilen ab und zu akustisch wahrzunehmen. Da klingt eine Liebeserklärung ob der brummbärigen Stimme durchaus schon mal wie ein sofort zu vollstreckendes Todesurteil.

Aber rund um die Landeshauptstadt, da lebt ja wohl die sprachliche Hautevolee. Übertreiben es die Menschen mitunter sogar, sich auf ihre ganz individuelle Weise fürnehm zu artikulieren. Da sitzen sie sodann an einem „Tich“, man sollte es nicht mennen. Um dort sich unter „Stößchen“ mit einem „Crämöösche“ zuzuprosten. Na, wer sagt’s denn...

Und wenn das Backwerk von Schwiegermama am Sonntag in einträchtiger Familienrunde auch noch so schauderhaft munden mag, wer würde ihr mit brachialer Ehrlichkeit einen Schlag in die Magengrube versetzen? Staubt der Sandkuchen ein wenig, klebt die teigige Masse dauerhaft wie eine Haftkrem für die Dritten am Gaumen, so bittet der höfliche Saarländer um ein Glas Wasser unter dem Vorwand: „Mensch, hann isch e Durschd.“

Und in der Eckkneipe um die Ecke mit überschaubarer Restauration bewahrt der Gast Takt und Anstand. Sollte das Gericht auch noch so die Magenschleimhäute reizen, wird er niemals den Koch an dessen eigenen Künsten zweifeln lassen. Erst recht nicht, wenn dieser sich mit stolz geschwellter Brust und der rein rhetorischen Frage an den Kunden wendet, während er das große Küchenmesser in Händen hält: „Na, hat’s geschmeckt?“ Der Saarländer antwortet rücksichtsvoll: „War mo ebbes Anneres.

Doch auch mich kann der gemeine Saarländer immer wieder mit seinem umwerfenden Charme überraschen. Wie zuletzt ein Kollege im Büro. Er debattierte mit meiner Chefin über einen Vorfall, der lang zurücklag. Sehr lang. Also wirklich richtig lange. Viele, viele Jahre. Eigentlich erinnert sich niemand mehr daran. Aufzeichnungen gab es damals noch nicht. Meine Chefin bekommt mit, dass Sie die einzige im weiten Rund ist, die sich daran entsinnt. Und beendet den Diskurs darüber mit knappen Worten: „Ich bin ja auch alt.“ Hastig erwidert ein Kollege, eingefleischter Saarländer: „Ach nein, Sie sind mir nur an Jahren voraus.“ Hier herrscht halt Takt und Anstand.

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