Konzert mit Eva Klesse im Schloss Saarbrücken „Als Kind hatte ich noch nicht diese bescheuerten Klischees in meinem Kopf“

Saarbrücken · Eva Klesse ist in vielerlei Hinsicht etwas Besonderes. Sie ist Schlagzeugerin, sie hat eine Jazz-Professur. Und wird deshalb ständig zum Thema Gleichstellung befragt. Vor allem aber ist sie eine besonders gute Musikerin, wie man bei ihrem Gastspiel bei „Jazz im Schloss“ erlebte.

 Sie „malt“ auch gern am Schlagzeug: Jazzprofessorin Eva Klesse, daneben Marc Muellbauer am Bass.

Sie „malt“ auch gern am Schlagzeug: Jazzprofessorin Eva Klesse, daneben Marc Muellbauer am Bass.

Foto: Dingler/Sebastian dingler

Noch immer sind Frauen im Jazz eher selten, eine Ausnahme bildet da nur der Gesang. Sicher gibt es einige Pianistinnen, Saxofonistinnen und Gitarristinnen. Schlagzeugerinnen sind dagegen absolut selten. Das macht natürlich neugierig, wenn dann in Person von Eva Klesse sogar eine Professorin für Schlagzeug nach Saarbrücken kommt.

Klar, dass sie die immer die gleichen Fragen gestellt bekommt. Sie würde, das sagt die Schlagzeugerin im Pausengespräch, auch gerne mal ein paar andere hören. Sie habe sich im Alter von zehn Jahren gar nichts dabei gedacht bei ihrem Wunsch, das Trommeln zu lernen. Sie habe einfach den Schlagzeug spielenden Musiklehrer cool gefunden, schließlich habe der eine Lederhose getragen, anders als die in weite Röcke gehüllte Blockflötenlehrerin.

Ihre Eltern hätten nichts dabei gefunden, ihr ein Drumset zum Geburtstag zu schenken. „Als junges Mädchen war mir gar nicht bewusst, dass ich eine außergewöhnliche Entscheidung getroffen hatte. Das finde ich in der Rückschau großartig. Das heißt, als Kind hatte ich noch nicht diese bescheuerten Klischees in meinem Kopf, die mir gesagt haben, was typisch Mann und was typisch Frau ist.“

Klesse ist tatsächlich die erste Frau in ihrem Bereich, die eine Professur bekommen hat, sie lehrt in Hannover. Später sei noch eine Posaunenprofessorin in Köln und eine Saxofonprofessorin in Essen dazugekommen, erzählt sie. Ob sie nun die weltweit einzige Schlagzeugprofessorin ist, interessiert sie so wenig, dass sie nie danach recherchiert hat. „Da habe ich Wichtigeres zu tun.“

Und zu tun gibt es so einiges, jedenfalls mehr, als es die männlichen Kollegen müssen: „Ich sitze derzeit in sehr vielen Jurys, Kommissionen, Ehrenämtern landesweit und spreche praktisch jede Woche mit der Presse über das Thema Gleichstellung. Das zum Beispiel sind Aufgaben, die männliche Kollegen jetzt nicht automatisch mit dazu bekommen.“ Klesse hofft, dass das Geschlecht eines Tages kein Thema mehr sein wird im Jazzbereich.

Ob sie denn meine, dass Frauen anders spielen als Männer? Da stöhnt sie auf und fragt zurück: „Spielen Rothaarige anders?“ Sie selbst hat aber zumindest einen sehr individuellen Stil, den sie bei ihrem Konzert im Schloss zeigte. Im Bühnengespräch mit Peter Kleiss sprach sie davon, dass in ihrem Quartett die Rollen nicht so streng festgelegt seien, dass sie allein für den Groove verantwortlich sei. Manchmal mache das auch Saxofonist Evgeny Ring, dann könne sie eben „malen“.

Der Begriff traf sehr gut auf ihr Spiel zu: Facettenreich lockte Klesse dem Schlagwerk alle möglichen Klangfarben hervor. Sehr oft improvisierte sie völlig frei über die Linien von Pianist Philip Frischkorn und Bassist Marc Muellbauer. Dann wieder wechselten die Aufgaben und die anderen durften „malen“.

Facettenreich war auch das Repertoire des Quartetts: Die ganze Bandbreite modernen Jazz’ wurde da gegeben – von wohlklingenden Balladen über wilde, aber durchstrukturierte Kompositionen bis hin zu Freejazz-Passagen. Die Kompositionen stammten größtenteils von Muellbauer und Frischkorn.

Letzterer blieb neben Klesse auch als Instrumentalist besonders im Gedächtnis haften. Auch wenn der Pianist in atemberaubender Geschwindigkeit übergreifen musste, erklang jeder Ton sauber und stimmig. Frischkorn befasst sich gerade mit der griechischen Götterwelt, erzählte er.

Seine Vertonung der Sage vom Labyrinth des Minotaurus war eines der stärksten Stücke des Konzerts. Ein sich ständig wiederholendes kompliziertes Motiv symbolisierte die Ausweglosigkeit des Irrgartens. Immer wieder bäumten sich verschiedene Instrumente auf, kamen aber nicht dagegen an. Erst am Ende löste sich das Gewirr der verschiedenen Wege in ruhige Klavierakkorde auf.

Das Publikum war spürbar von diesem Stück und auch vom gesamten Konzert begeistert. Stattgefunden hatte es in der neuen Reihe „Jazz im Schloss“, die von der Volkshochschule des Regionalverbands veranstaltet wird. Die künstlerische Leiterin Elfi Kleiss freute sich über den guten Zuspruch, den die Veranstaltung genoss. Zum ersten Mal war der Festsaal mit 110 Zuschauern komplett besetzt – unter den derzeitigen Einschränkungen.

Fortgesetzt wird „Jazz im Schloss“ am 11. Februar mit einer weiteren Bandleaderin: Kontrabassistin Lisa Wulff spielt dann zeitgenössischen Jazz mit ihrem klassisch besetzten Quartett.

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