Wenn „gereifte“ Jungs feiern

Saarbrücken · Er lebt Musik, sagt Norbert Küntzer. Seit über 30 Jahren ist er in der Szene aktiv. Er gründete das Rockbüro, ist Mitherausgeber der Saar Rock History und seit ein paar Jahren Chef des Saarbrücker Altstadtfests.

 Da waren sie noch ganz im Flower-Power-Feeling: Norbert Küntzer, Matthias Segner, Karl Heinz „Salz“ Meyer, Gerhard Lang und Piet Eifel (von links), die Urbesetzung von Farewell. Foto: Küntzer

Da waren sie noch ganz im Flower-Power-Feeling: Norbert Küntzer, Matthias Segner, Karl Heinz „Salz“ Meyer, Gerhard Lang und Piet Eifel (von links), die Urbesetzung von Farewell. Foto: Küntzer

Foto: Küntzer

. Da sitzen sie im Saarbrücker Café Odeon. Alte Freunde seit Ewigkeiten und immer noch irgendwie ein bisschen die Jungs, die vor vielen Jahren in schimmelanfälligen Probekellern an ehrgeizigen Rockmusik-Projekten zimmerten. Norbert Küntzer und Piet Eifel machen Musik seit sie denken können - und womöglich sogar schon länger.

Ihre gemeinsame Geschichte liest sich ein bisschen wie ein Who is Who der saarländischen Rocklegenden. Farewell war am Anfang, dazu - legendär und gerade wieder aktiv - Art of Schwanengesang. Ein paar andere, teils getrennt verbrachte Projekte dazu. Und seit einiger Zeit: Les Cajons. Und immer legt Küntzer den Rhythmus, auf seinem geliebten Schlagzeug und auf allem, was sich sonst noch trommeln lässt. Und Piet Eifel sorgt mit seiner seidenweichen und zugleich rotzigen Stimme für die Unverwechselbarkeit.

Jetzt wird der eine, Küntzer, tatsächlich schon 60. Und der andere ist mit seinen 57 Jahren auch nicht mehr so weit davon weg. Ansehen sieht man ihnen das "gereifte" Alter nicht. Aber man kann es hören. Auf der aktuellen CD von Les Cajons "Peregrina". Die nämlich gibt Zeugnis eines langen Musikerlebens, ist zugleich voller Experimentierlust - aber nicht (mehr) auf Teufel komm raus sperrig. "Die CD repräsentiert unsere Lebenserfahrung und Lebenskultur", sagt Piet Eifel. "Peregrina" ist anspruchsvoll, hat - wie schon Art of Schwanengesang - Texte von Mörike und Brecht vertont und enthält auch Filmmusik zum Dokumentarfilm "Deutsche. Leben in Israel". Aber musikalisch ist das Ganze zugänglich, "hat einen gewissen Unterhaltungsfaktor, einen, ja, Arschwackelfaktor", wie Piet Eifel treffend formuliert. Tango, Flamenco, Polka - alle möglichen Musikstile werden vermixt, es geht ein bisschen in Richtung Weltmusik oder Pop-Chanson.

Zur aktuellen Besetzung der Cajons gehören neben Küntzer und Eifel der Bassist Matthias Segner und neuerdings der Pianist Wolf Giloi - einer der Grundpfeiler der saarländischen Chanson-Szene. "Er ist jetzt unser musikalischer Direktor", sagt Küntzer, "und wir sind ganz stolz, dass er bei uns mitspielt". Das Projekt Cajons läuft gut, meint Küntzer. Es gibt mehr und mehr Auftritte.

Ein besonderer steht jetzt an. Das Geburtstagskonzert. Denn natürlich feiert ein Musiker einen runden Geburtstag gern mit Musik. Und da Norbert Küntzer noch eine zweite Leidenschaft pflegt, nämlich seine Liebe zur Frankreich und insbesondere zu Nantes, ist fast selbstverständlich, wo die Bühne steht, auf der die Cajons den 60. ihres Obertrommlers feiern: Am 16. Oktober wird in Nantes gespielt. Auf einem Partnerschaftsfest (siehe Info-Kasten). Norbert Küntzer hat eine besondere Beziehung zur Saarbrücker Partnerstadt seit er 1998 ein Jahr dort gelebt hat. Und Piet Eifel ist mit einer Nanteserin verheiratet. Man darf wohl davon ausgehen, dass es ein mehrtägiges Geburtstagsfest werden wird.

Mit diesem Geburtstag schließt sich übrigens in gewisser Weise auch ein Kreis. Als vor über 30 Jahren Küntzers Vater Ernst, damals Kulturdezernent der Stadt Saarbrücken , seinen eigenen 60. Geburtstag feierte, engagierte er auf Empfehlung seines Sohnes Norbert eine besondere Band. Voraussetzung war: "Die müssen auch was von den Beatles spielen". Die Band, die da spielte, hieß Art of Schwanengesang. Und die hat bis heute ein paar sehr eigenwillig arrangierte Beatles-Titel im Programm . . .

Norbert Küntzer ist seit Jahrzehnten in der Saarbrücker Musikszene aktiv. Immer als Musiker und schon lange als Mit-Gestalter. 1988 war er Mitgründer des ersten Saarbrücker Rockbüros, damals unter Kulturdezernent Rainer Silkenbeumer im Kulturamt angedockt. "Die Idee war, mehr für die Rockmusik zu tun". Seinerzeit gab es Vergleichbares nur in Berlin und Wuppertal. Hauptaufgabe etwa war die Suche nach Probenräumen, die Vermittlung von Spielorten und ganz allgemein Lobby-Arbeit für die Rockmusik . Das damals gestartete Rockmobil fährt auch heute noch erfolgreich vor allem zu Schulen. Und wurde übrigens in Nantes kopiert. Als Rapmobil ist es dort unterwegs. In seiner Zeit beim Kulturamt leitete Küntzer mit befreundeten Musikern auch die erste Kinderrockband Saarbrückens. Die legendäre Superflimmerschepperband der Ganztagsgrundschule Rastpfuhl stand sogar mit Udo Lindenberg auf der Bühne. Ein paar Jahre war Küntzer beim Amt für Kinder und Jugend - und seit 2007 ist der Vater einer elfjährigen Tochter fürs Saarbrücker Altstadtfest zuständig. Das formte er mit der Zeit zum größten Musikfestival weit und breit. Nebenbei veröffentlichte er noch gemeinsam mit Roland Helm den Wälzer "Saar Rock History".

"Musik hat mein ganzes Leben durchzogen. Ich lebe Musik", sagt der gerade noch 59-Jährige beim SZ-Gespräch. Besonders die Liebe zum Schlagzeug forderte anfangs auch manchen Einsatz. "Mein erstes Schlagzeug habe ich mir heimlich gekauft". Vater Küntzer hätte den Sohn nämlich lieber am Klavier gesehen. "Ich habe an einer Tankstelle gejobbt und dann die Kisten mit dem Schlagzeug hinten im Keller versteckt". Als seine Band im Alten Turm in Dudweiler einen ersten Probenraum ergatterte, wurden die Drums ebenso heimlich wieder abtransportiert. Die Saar-Musik-Koryphäen Bernd Wegener und Manni von Bohr waren Norbert Küntzers Lehrer. Und jetzt wird er also 60 - vergleichsweise jung, wenn man an Mick Jagger , Paul McCartney und all die anderen Rock-Heroen denkt.

 Knapp 40 Jahre später: Piet Eifel, Norbert Küntzer, Wolf Giloi und Matthias Segner sind Les Cajons. Foto: Rich Serra

Knapp 40 Jahre später: Piet Eifel, Norbert Küntzer, Wolf Giloi und Matthias Segner sind Les Cajons. Foto: Rich Serra

Foto: Rich Serra

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HintergrundLes Cajons spielen am 16. Oktober in Nantes. An diesem Tag wird das Saarbrücker-Nanteser Partnerschafts-Projekt "Die Natur hat keine Grenzen" gefeiert. Im Rahmen des Jubiläums der Städtepartnerschaft haben französische Jung-Gärtner im Saarbrücker Deutsch-Französchen Garten ein Areal gestaltet. Jetzt erfolgt die Gegenaktion. Junge Gärtner des Saarbrücker Zentrums für Bildung und Beruf (ZBB) haben Beete und Statuen im Parc du Grand Blottereau in Nantes gestaltet. Zur feierlichen Eröffnung spielen Les Cajons.

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