Museumspavillon spaltet Regierung

Saarbrücken · 48 Sitzungen und 53 Zeugen: Es war der längste Untersuchungs- Ausschuss, der je im Saarland tagte und gestern endete – als ewiger Streitfall.

 Bei der letzten Sitzung vor der Landtagswahl stritten die Fraktionen noch einmal über den IV. Pavillon. Foto: B&B

Bei der letzten Sitzung vor der Landtagswahl stritten die Fraktionen noch einmal über den IV. Pavillon. Foto: B&B

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Was ist stärker als das saarländische Harmoniebedürfnis? Die Wahrheitsliebe? Mit Sicherheit der Wahlkampf. Die Großkoalitionäre SPD und CDU konnten und wollten sich im Falle Saarbrücker "Skandalbau" Vierter Pavillon nicht auf eine gemeinsame Sicht einigen. Wie auch? Bevor SPD-Mann Ulrich Commerçon 2012 das wegen Missmanagement und Kostensteigerungen notgebremste Projekt übernahm, hatten sich bereits vier CDU-Minister - zunächst als stolze Initiatoren, dann als Krisenmanager - um den Erweiterungsbau der Modernen Galerie gekümmert. Darunter die heutige Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU). Nach Meinung von Petra Berg (SPD) hat erst Commerçon durch einen architektonischen Neustart den Bau "in die richtigen Bahnen" gebracht, städtebaulich wie finanziell. Das führte sie aus. Moderat im Ton, aber hart im Urteil fiel ihr Fazit aus. Vor Commerçon versagten ihrer Meinung nach "politische Steuerung und Kontrolle", auch sprach sie von einer "desaströsen Kommunikation" der Kosten - ohne Ross und Reiterin zu nennen. Es war Kramp-Karrenbauer (CDU), die vor dem ersten Spatenstich im Sommer 2009 in einer Presseerklärung die Kostenangaben nach unten, auf 14,5 Millionen Euro, korrigierte, indem sie Nebenkosten außen vor ließ. Dies ist wohl das brisanteste Faktum, das der Ausschuss ermittelte. Die Ministerpräsidentin musste persönliche "Fehler" einräumen, mehrfach bereits, und gestern tat sie es wieder. "Niemand kann zufrieden sein mit dem, was rund um das Thema passiert ist", sagte sie. Das Saarland habe insgesamt kein gutes Bild abgegeben.

Doch die klare politische Verantwortung für den Image- und Finanzschaden, für überhöhte Projektsteuererhonorare und Spesen-Prasserei, für Geld- und Zeitverlust beim Bau, sie ließ sich aus 137 Aktenordnern und mehr als 53 Zeugenvernehmungen in 48 Sitzungen nicht extrahieren. Das ist das "objektive" Fazit der Ausschussarbeit. Trotzdem haben die Fraktionen Schuldige gefunden. Die Ausschussvorsitzende Dagmar Heib (CDU) hält das "System Melcher" - die "maßlose Selbstbedienungsmentalität" und kriminelle Täuschungsenergie des damaligen Stiftungs-Vorsitzenden - für die Hauptursache allen Bau- und Kostensteigerungs-Übels. Die Opposition freilich sieht ein ausschließlich "politisches Totalversagen" gegeben. Die Wortwahl fiel dementsprechend aus, insbesondere bei Michael Hilberer (Piraten). Der sprach von "Verschleierung" und von einer "aktiven Täuschung" der Öffentlichkeit durch die CDU. Man habe bereits vor Baubeginn wissentlich mit gänzlich unrealistischen Kostenschätzungen - neun Millionen Euro - operiert, um das Vorhaben bürgerverträglicher zu machen. Zuvor hatten dies schon Petra Berg (SPD) und Heinz Bierbaum (Linke) so festgehalten: Zu keinem Zeitpunkt wäre ein Museumsbau zu den anfangs kommunizierten Kosten machbar gewesen. Heute klebe das Preisschild 39 Millionen dran. Hilberer: "Das ist das teuerste Täuschungsmanöver einer saarländischen Landesregierung aller Zeiten."

Ähnlich ließen sich Michael Neyses (Grüne) und Heinz Bierbaum (Linke) ein, betonten die Hauptverantwortung von Kramp-Karrenbauer für das "Debakel". Neyses rückte in diesem Zusammenhang den öffentlich kursierenden Begriff der Kostenexplosion zurecht. Davon könne korrekterweise keine Rede sein, meinte er, denn intern, sprich bei den zuständigen CDU-Kuratoren, gerade auch bei Kramp-Karrenbauer, sei bereits 2009 klar gewesen, dass der Bau etwa 20 Millionen kosten würde.

Und es gab noch ein weiteres Kampffeld: Vertrauensbruch. Alle Oppositionsparteien, aber auch die SPD, kritisierten die massive Behinderung der Ausschussarbeit durch eine lückenhafte und "desolate" Aktenlage. Unfähigkeit der Regierung oder Absicht? Auch dafür gilt: Der Ausschussvorhang ist zu, die zentralen Fragen aber sind offen.

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