Streit um Notwendigkeit von Reform des Polizeigesetzes

Saarbrücken · Die Polizei im Saarland darf potenzielle Gefährder künftig länger überwachen. Der Beschluss ist umstritten.

Für Piraten-Fraktionschef Michael Hilberer stand gestern in seiner letzten Rede als Abgeordneter im Landtag fest: "Das ist eine Luftnummer und reiner Wahlkampf." Wovon der 37-Jährige, der nicht wieder für den Landtag kandidiert, sprach: die Änderung des Saarländischen Polizeigesetzes, die der Landtag gestern unter Zustimmung von CDU, SPD und Linken in zweiter und letzter Lesung verabschiedete. Grüne und Piraten stimmten dagegen. Die Änderung sieht eine Ausweitung der Polizeiüberwachung von sogenannten Gefährdern von derzeit drei auf künftig sechs Monate vor (wir berichteten). Begründet hatte dies unter anderem der SPD-Abgeordnete Günter Waluga mit dem Hinweis, dass sich potenzielle Gefährder etwa nach der Haftentlassung im Wissen um die derzeitige Gesetzesregelung drei Monate konspirativ und gesetzeskonform verhalten und erst danach zuschlagen könnten. Deshalb müsse man länger observieren. Unklar blieb allerdings, weshalb sich Gefährder entsprechend der Gesetzesänderung künftig nicht auch sechs Monate lang konspirativ und gesetzeskonform verhalten sollten. Piraten-Fraktionschef Hilberer jedenfalls warf der großen Koalition aus CDU und SPD vor, mit der Gesetzesänderung der Öffentlichkeit lediglich vorzugaukeln, dass man für größtmögliche Sicherheit der Bevölkerung sorge. Denn schon jetzt erlaube das Polizeigesetz eine Ausweitung der Observation von Gefährdern per richterlicher Anordnung. Im vorigen Jahr sei dies von der Polizei in drei Fällen beantragt und auch drei Mal von Gerichten bewilligt worden. "Das ist die unnötigste Gesetzesänderung überhaupt", so Hilberer.

Kein gutes Haar an der Gesetzesänderung ließ auch der Grünen-Landtagsabgeordnete Klaus Kessler. "Die derzeitige Regelung funktioniert doch offensichtlich, wozu eine Änderung?", fragte Kessler. Zudem sei die Änderung aus Sicht des Datenschutzzentrums unverhältnismäßig und verfassungswidrig. Für mehr Sicherheit werde einzig eine bessere personelle Ausstattung der Polizei sorgen, so der Grünen-Politiker.

CDU-Mann Günter Becker, der gestern nach 18 Jahren als Landtagsabgeordneter zum letzten Gefecht ans Rednerpult trat, verteidigte die Novelle des Polizeigesetzes in seiner gewohnt raubeinigen Art. Mit Blick auf datenschutzrechtliche Bedenken von Grünen und Piraten erklärte er: "Sie würden vor lauter Persönlichkeitsrechten Polizisten am liebsten die Augen verbinden, wenn sie Personalausweise kontrollieren." Becker dagegen vertraue darauf, dass die Polizei "sorgsam" mit ihren Befugnissen umgehe. In seltener Einigkeit mit der großen Koalition zeigte sich auch die Linke, die der Änderung zustimmte - wenngleich unter der Voraussetzung, "dass es keinen weiteren Personalabbau bei der Polizei mehr geben darf", so die Linken-Angeordnete Birgit Huonker.

Innenminister Klaus Bouillon (CDU) wies kritische Töne von Grünen und Piraten in dieser Sache als "postfaktisch" zurück. Die Änderung sei verhältnismäßig und "verfassungsrechtlich okay". Zudem verkündete er, dass sein Ministerium sich am Dienstagabend mit der Landeshauptstadt "im Grundsatz" auf eine Videoüberwachung zur Kriminalitätsbekämpfung an der Johanneskirche geeinigt habe. Details müssten aber noch geklärt werden.

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