Mit Punk hält ein Quintett sich den Grips frisch

Martin Ebsen ist Gitarrist bei den deutschen Punkrockern Turbostaat. Aktuell schreibt die Gruppe für ihr nächstes Album und tritt auf Festivals und in Clubs auf. SZ-Mitarbeiter Kai Florian Becker sprach mit Ebsen.

 Turbostaat bringt Punk-Musik nach Saarbrücken. Foto: Julia Hoppen

Turbostaat bringt Punk-Musik nach Saarbrücken. Foto: Julia Hoppen

Foto: Julia Hoppen

Wollten Sie als Kind Musiker werden?

Martin Ebsen: Darüber habe ich nie nachgedacht. Ich habe es einfach gemacht und kann jetzt keine Geschichte erzählen, wie ich als Kind mit dem Tennisschläger vor dem Spiegel pose und denke: Boah, irgendwann werde ich Gitarrist in einer Rockband. Es ergab sich einfach - auch dank der Punk-Einstellung, dass jeder mitmachen kann und keine Voraussetzungen dafür braucht. Andererseits spielte die enorme Langeweile eine Rolle, die man als Jugendlicher auf dem Dorf hatte. Irgendwann wird einem das vorhandene Freizeitangebot einfach zu wenig.

Wie viel Punk steckt heute noch in Ihnen?

Das ist schwierig zu beantworten. Jeder hat seine eigene Verbindung zum Punk. Für mich geht es beim Punk darum, dass man einfach Sachen macht, sich in einem gewissen Rahmen bewegt und sich eine gewisse Rotzigkeit und ein freies Denken bewahrt. Mir fällt oft auf, wenn ich Leute in meinem Alter treffe, die auf ganz unterschiedliche Arten mit Punk groß wurden: Sie alle haben eine ähnliche Herangehensweise an Dinge, wie sie miteinander reden und was sie denken. Das hat sich bei fast allen nicht geändert.

Ernährt Sie die Band denn, oder haben Sie einen Nebenjob?

Nee, ich bin ein Faulpelz (lacht). Genügsam und faul.

Ihr letztes Album heißt "Stadt der Angst". Spüren Sie, dass die Menschen immer unzufriedener mit ihrem Leben werden und zugleich ängstlicher ob der ungewissen Zukunft?

Warum das so ist, weiß ich nicht. Es gab allerdings eine statistische Untersuchung, wie sich das Sicherheitsgefühl der Menschen in den letzten Jahrzehnten entwickelt hat. Dabei kam heraus, dass die Angst vor Straftaten zugenommen hat, während die Kriminalitätsrate zurückging. Wir leben quasi in den sichersten Zeiten überhaupt; dennoch haben die Menschen so viel Angst wie nie zuvor. Das ist paradox. Diese Untersuchung bildete die Grundlage für das Album. Hinzu kamen die eigenen Ängste, die einen jahrzehntelang blockieren können, das zu tun, was man eigentlich machen will. Im Grunde genommen merkt man aber irgendwann: Du bist ja frei und kannst machen, was du willst. Fürchterlich viel Angst vor der Zukunft habe ich nicht, da ich schon einiges erlebt habe. Irgendwie werde ich schon klarkommen mit dem, was passieren wird. Das klingt jetzt nach Larifari, ist aber ernst gemeint. Man kann auch recht rational mit seinen Ängsten umgehen.

Punk bestimmt Ihr Leben. Wie wichtig ist es Ihnen, politisch Flagge zu zeigen gegen Rassismus und Ungerechtigkeiten?

Unsere politische Einstellung ist uns sehr wichtig. Wir sind aber nicht die Band, die sich vorne hinstellt und Parolen brüllt oder entwirft. Wir treten lieber immer etwas zurück und erzählen Geschichten. Natürlich fragen wir uns bandintern immer wieder, wann wir wo Flagge zeigen müssen. Manchmal tun wir das dann eben auch.

Erreicht man denn Menschen mit einem Auftritt auf dem Leipziger Festival "Courage Zeigen", das zu mehr zivilgesellschaftlichem Engagement aufrief?

Das weiß ich nicht, ob dieser Auftritt im Speziellen was genutzt hat. Aber ich fand die Idee, die aus einem bürgerlichen Engagement heraus entstand, pfiffig. Es gab beim Völkerschlachtdenkmal in Leipzig alljährlich einen großen Naziaufmarsch. Nun stellten die Organisatoren, zu denen auch Die Prinzen zählen, an genau jenem Tag und an genau jenem Ort ein Festival auf die Beine, damit die Nazis nicht mehr aufmarschieren konnten. Eine coole Sache.

Turbostaat spielt am 26. September um 19 Uhr im Jugendzentrum Försterstraße in Saarbrücken. Tickets im Internet unter www.4plus1-konzerte.de oder www.turbostaat.de .

Zum Thema:

HintergrundTurbostaat haben bis dato fünf Alben auf den Markt gebracht. In der Band spielen Jan Windmeier (Gesang), Rotze Santos (Gitarre), Martin Ebsen (Gitarre), Tobert Knopp (Bass) und Peter Carstens (Schlagzeug). kfb

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