„Die Intelligenz wandert häufig ab“

Der Saartalk ist eine Gesprächsreihe von SR und SZ. Diesmal stellten sich die frühere saarländische Arbeitsministerin und Top-Gewerkschafterin Regina Görner (CDU), Professor Dirk van den Boom, Politikwissenschaftler der Uni Münster sowie der Saarbrücker IT-Unternehmer und Wirtschaftsinformatiker Professor August-Wilhelm Scheer den Fragen der Chefredakteure Norbert Klein (SR) und Peter Stefan Herbst (SZ). SZ-Redakteur Oliver Schwambach hat das Gespräch in Auszügen dokumentiert.

 Der IT-Unternehmer Professor August-Wilhelm Scheer, die Ex-Ministerin Regina Görner und der Politikwissenschaftler Professor Dirk van den Boom (von links) im Gespräch mit den Chefredakteuren von SR und SZ, Norbert Klein und Peter Stefan Herbst.

Der IT-Unternehmer Professor August-Wilhelm Scheer, die Ex-Ministerin Regina Görner und der Politikwissenschaftler Professor Dirk van den Boom (von links) im Gespräch mit den Chefredakteuren von SR und SZ, Norbert Klein und Peter Stefan Herbst.

Foto: Oliver Dietze

Herbst : Herr Professor Scheer, Sie haben einen Zweitwohnsitz in den USA, sind dort seit langem sehr gut vernetzt. Wie stark hat Sie der Wahlerfolg von Donald Trump überrascht?

Scheer: Eigentlich nicht so stark. Mich hat immer gewundert, wie in der Berichterstattung in Deutschland während des ganzen vorigen Jahres über Trump berichtet worden ist. (…) Er hat eben einen Anti-Wahlkampf bestritten, hat sich der neuen Medien sehr stark bedient und geredet, wie ihm der Schnabel gewachsen war. (…) Und das Zweite war, dass Frau Clinton in Amerika eben nicht besonders beliebt war.

Klein: Frau Görner, was sagt der Politprofi dazu? Warum hat Trump gewonnen?

Görner: Ich glaube, dass es inzwischen so ist, dass (…) viele Menschen gar keine Vorstellung mehr davon haben, was eigentlich zu den Qualifikationen eines Politikers gehört. Das macht es für solche Personen natürlich viel einfacher, Eindruck zu schinden.

Herbst : Herr van den Boom, glauben Sie, dass der Präsident Trump ein anderer sein wird als der Kandidat?

Van den Boom: Am Anfang sicher nicht. Wenn Sie sich den Stab anschauen, den er um sich versammelt hat (…), da ist keiner dabei, der dazu geeignet wäre, ihm wirklich in die Parade zu fahren. (…) Es kann sein, dass es einen Lernprozess geben wird, je nachdem, wie er auf Gegenwind reagiert. Das Problem ist, dass er ein dermaßen eitler Mensch ist, dass er Gegenwind eher noch als Bestätigung empfindet. (…)

Herbst : Wie stark werden in Deutschland soziale Medien durch Computerprogramme und falsche Fakten missbraucht?

Van den Boom: Wahrscheinlich gar nicht so stark, wie wir das diskutieren. Vor allem ist die Wirkung noch gar nicht so groß. (...) Wir sind hier also hinter den Verhältnissen in den USA ein gutes Stück zurück. (…) Tageszeitung und der öffentlich-rechtliche Rundfunk sind für viele Bürger immer noch eine zentrale Quelle der politischen Bildung

Herbst : Am 26. März wird im Saarland ein neuer Landtag gewählt. Viele Menschen bekommen davon noch sehr wenig mit. Befinden sich die saarländischen Parteien noch im Winterschlaf?

Van den Boom: Es gab ja schon einige Launches der verschiedenen Kampagnen, die jetzt so langsam anlaufen. Ich glaube, dass, wenn man zu früh mit dem Wahlkampf anfängt, er dann sehr schnell ermüdet. (…) Es ist schon richtig, dass auf einen relativ kurzen Zeitraum zu konzentrieren. (…) Und ich glaube, dass in der öffentlichen Wahrnehmung die Tatsache, dass die Wahlen kommen, schon angekommen ist. (…) Ich bin mir aber nicht sicher, ob die Debatte, die es schon gibt über den Wahlkampf, auf Facebook zum Beispiel, von den politisch Verantwortlichen wahrgenommen und auch genutzt wird. (…) Die tauchen sehr selten auf - und zwar parteiübergreifend.

Klein: Welche Rolle spielt die Angst im saarländischen Wahlkampf, Ängste, bei denen sich vor allem Populisten und auch die AfD bedienen?

Görner: Ich glaube, dass wir unterschätzen, was Sicherheitsfragen generell für Menschen bedeuten. Das betrifft nicht nur die Frage von Terrorangriffen und Kriminalität. (…).

Herbst : Was kann die Landespolitik wirklich noch steuern?

Görner: Ich will mal in die Vergangenheit gehen, um zu zeigen, was sie kann. Das Thema Flüchtlinge hat im letzten Jahr in sehr vielen Bundesländern sehr viele heftige, irrationale Reaktionen erzeugt. Hier im Saarland hatten wir eine vergleichsweise gelassene, ruhige Umgangsweise damit. Wir haben mehr Flüchtlinge untergebracht als man sich in anderen Bundesländern zugetraut hat - in diesem kleinen Land. (…) Das hat mit den kurzen Wegen hier zu tun, mit den unmittelbaren Ansprechpartnern und, dass man als Politiker ganz unaufwändig vor Ort gehen kann und gucken kann, was ist hier los.

Klein: Konkret, was kann die Landespolitik tun?

Scheer: (…) Das sieht jeder in seinem Umfeld, in seiner Familie, dass wir ein großes Problem haben, dass die Intelligenz häufig abwandert. Von meinen drei Kindern ist keines mehr hier geblieben. (…) Wir müssen dafür sorgen, dass wir hier nicht nur eine einigermaßen gute Universität haben, sondern auch Arbeitsplätze haben, damit diejenigen, die hier mit dem Geld der Steuerzahler ausgebildet werden, hinterher hier auch ihre Steuern zahlen. (…)


Wahlentscheidend ist, wie sich die Kandidatinnen präsentieren"

Zum Abschluss des Saartalks gilt es traditionell für die Gäste, vorgegebene Sätze schnell und möglichst spontan zu ergänzen.


Klein: Frau Görner, Hass und Hetze im Internet müssen . .

Görner: . . auch von den Bereitstellern von Internetdienstleistungen bekämpft werden. Das ist nicht nur Aufgabe des Nutzers.

Herbst : Der Einfluss von sozialen Medien auf Wahlkämpfe kann . . .

Scheer: . . . in der Zukunft noch zunehmen, und die Politiker müssen sich damit beschäftigen.

Klein: Wahlentscheidend für die Landtagswahl im Saarland ist . . .

Van den Boom: . . . möglicherweise nicht allein das Flüchtlingsthema, vor allem aber die Art und Weise wie sich die Spitzenkandidatinnen präsentieren. Das halte ich von zentraler Bedeutung.

Herbst : Wichtig für die Zukunft des Saarlandes ist vor allem . . .

Görner: . . ., dass wir auf jeden Fall dafür sorgen, dass wir Arbeitsplätze haben in den unterschiedlichsten Qualifikationsbereichen. Das gilt für die Zukunft mit Digitalisierung und ähnlichen Dingen, aber das gilt natürlich auch für die traditionellen Industrien.

Klein: Deutschland muss bei der Digitalisierung schneller voran kommen, weil . . .

Scheer: . . . wir im internationalen Wettbewerb stehen. Wir haben die erste Halbzeit hoch verloren, und wir müssen sehen, dass wir in der zweiten Halbzeit aufholen.

Herbst : Die Landtagswahl im Saarland und die Bundestagswahl in diesem Jahr werden . . .

Van den Boom: . . . sehr verknüpft sein, denn da wir den Auftakt machen, werden alle hierhin schauen und sehen, inwieweit es ein Test für die Bundestagswahl sein wird.

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