„Am Berg geht es nur um möglich oder unmöglich“

Saarbrücken · Eine Fersenbein-OP 1995 bedeutete im Bergsteigerleben Reinhold Messners eine Zäsur. Fortan mussten es nicht mehr die ganz großen Berge sein für den Mann, der als Erster auf allen 14 Achttausendern der Welt stand. Stattdessen durchquerte er 2004 etwa die Wüste Gobi. Zu seinem 70. Geburtstag 2014 veröffentlicht er sein biografisches Werk „Über Leben“, auf dem seine Vortragsreihe basiert, mit der er am 19. Januar nach Saarbrücken kommt. SZ-Mitarbeiter Hans-Christian Roestel hat mit dem Bergsteiger, Autor, Filmer und Museumschef gesprochen.

 Er hat auf den höchsten Bergen, in den heißesten Wüsten und an den kältesten Enden der Welt mehr erlebt, als sich die meisten Menschen überhaupt vorstellen können. Am 19. Januar berichtet Reinhold Messner davon in Saarbrücken.

Er hat auf den höchsten Bergen, in den heißesten Wüsten und an den kältesten Enden der Welt mehr erlebt, als sich die meisten Menschen überhaupt vorstellen können. Am 19. Januar berichtet Reinhold Messner davon in Saarbrücken.

Foto: Horst Ossinger/dpa

Herr Messner, in Ihrem Buch versammeln Sie 70 Botschaften, kennzeichnend für Ihr höchst facettenreiches Leben. Sie haben das Mal als Quintessenz Ihrer Erfahrungen bezeichnet, wie der Mensch wirklich tickt, wenn er am Rande der eigenen Möglichkeiten steht. Wo stehen Sie jetzt, nach diesem Buch, nach Ihrem letzten Museumsprojekt und Ihrem Filmdebüt diesen Sommer?

Messner: Ich habe gemerkt, dass auch dies erlernbar ist. Ich bin ja mittlerweile am zweiten Film, darauf liegt jetzt der Fokus. Was die Museen betrifft, so übertrage ich zum 1. Januar 2017 die Verantwortung an meine älteste Tochter. Ich befinde mich da nicht mehr im Stadium des Antreibens, sondern ich werde nur noch helfen. Und das auch bis zu meinem Lebensende, damit alles funktioniert. Aber sie wird das Ganze in die Zukunft führen. Ob das gelingt, ist noch eine andere Frage. Wie Sie wissen, gibt es nur ganz wenige Museen, die sich frei wirtschaftlich tragen. Positive Energie werde ich nun ziehen aus den neuen Herausforderungen, wie dem Film, den ich jetzt im Himalaya begonnen habe. Hier gebe ich natürlich auch die Erfahrungen mit hinein aus meinem ersten Film, den ich in Afrika gedreht habe (über eine Bergrettung am Mt. Kenia, Anm. d. Red.).

Was kennzeichnet Ihre Vorträge jetzt, nachdem die Reihe bereits zwei Jahre läuft?

Messner: Also der Vortrag ist alle Tage neu. Ich behandele da verschiedene Themen. Wenn ich auf die Bühne komme, bin ich im Grunde nur ein ‚Storyteller‘. Und über das Geschichtenerzählen transportiere ich meine Erfahrungen. Erfahrungen, die die meisten Menschen nicht haben können, weil sie nicht irgendwo alleine oder zu zweit in die Wildnis gegangen sind. Und heute bin ich bereit, diese Erfahrungen mit einem breiten Publikum zu teilen, das natürlich ein Interesse daran haben muss, an diesen Geschichten. Und das es mir erlaubt hat, die ganzen Reisen zu unternehmen. Wenn es kein Publikum gegeben hätte, dann hätte ich alle meine Reisen nie machen können.

In Ihrer Heimat Südtirol geben Sie den Menschen mit Ihren mittlerweile sechs Museen sehr viel Reichtum an Erfahrung und kultureller Besinnung. Ist dies vielleicht doch eine Botschaft, die Sie ja sonst nicht unbedingt für sich in Anspruch nehmen?

Messner: Also ich möchte nicht in erster Linie als Vorbild dienen, weil ich sonst nicht mehr frei arbeiten, frei gestalten kann. Und die Leute können sich alles anhören und es auch hinterfragen. Mir muss da keiner blindlings nachfolgen. Die Museen in Südtirol sind dort natürlich in erster Linie für den Tourismus konzipiert. Weil wir das erste Land sind in der Welt, das den Bergtourismus kulturell unterfüttert. Wir müssen den Menschen die Berge als Emotion näher bringen.

Wie sehen Sie den Alpinismus heute im Spannungsfeld von Events und Rekordjagden? Gibt es noch Respekt, Naturbewusstsein oder Verantwortung vor dem Leben?

Messner: Ja, der Respekt vor dem Leben der Bergbauern, die sich bis heute haben halten können, ist da, aber vielfach in einer sehr romantischen Sicht. Zur praktischen Sicht habe ich auch vieles gemacht - habe ein Buch geschrieben ‚Rettet die Alpen‘ - hat kaum jemand gelesen. Meine erfolgreichen Bücher sind die Erlebnisgeschichten. Aber nicht die Mühe, wie gehen wir mit den Alpen um, wie gehen wir mit der Bergbevölkerung weltweit um? Das sind jene Gutmenschenthemen, von denen alle glauben, sie zu kennen und darauf Antworten zu haben. Aber ich will mich nicht beklagen.

Sie sagen, der Alpinismus ist heute quasi in unzählige Disziplinen zersplittert…

Messner: Wir verlieren sehr viel vom traditionellen Alpinismus an den Sport. Klettern wird olympisch, das wird dem Bergsteigen nicht unbedingt gut tun. Oder wenn es dazu kommt, dass Alpinismus dafür steht, was man in der Halle sieht. Und Alpinismus wird immer mehr zum Tourismus - ob am Everest oder am Mont Blanc. Alles wird dort präpariert für massenhafte Aufstiege, Sie können im Reisebüro Ihre Touren buchen. Aber traditioneller Alpinismus ist eben genau das Gegenteil: Er führt dahin, wo keiner ist, keine Infrastruktur, er führt dorthin, wo die anderen nicht sind. Dorthin, wo der Mensch Maß nimmt an den Bergen. Dort entsteht der Respekt für das, was die Aussage der Berge ist: Hineingehen in eine archaische Welt mit anarchischen Verhaltensmustern. Am Berg gibt es niemanden, der sagt richtig oder falsch - es geht nur um möglich oder unmöglich.

Zum Thema:

Auf einen Blick In seinem Buch "Über Leben" (Piper/Malik Verlag, 336 Seiten, 22,99 Euro ) schreibt Reinhold Messner : "Wie oft werde ich nach meiner Message gefragt. Aber ich habe keine! Meine Erfahrungen haben keine Allgemeingültigkeit, keine Zukunft, keine Wichtigkeit." Besonders hervorgetreten ist der frühere Extrem-Bergsteiger, der den Mount Everest ohne Flaschensauerstoff meisterte, in den vergangenen Jahren mit der Einrichtung seiner sechs Messner Mountain Museen in Südtirol. Jedes Haus hat eine individuelle Konzeption. Doch verbindend ist die Ausgestaltung durch Messner selbst und die Thematisierung von Mensch und Bergwelt in unterschiedlichsten Facetten. hcr Vortrag in Saarbrücken: Donnerstag, 19. Januar 2017, 20 Uhr, Congresshalle. Informationen zu Karten im Internet unter www.messner-live.de .

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort