Kultur-Tipp Dieses Musical ist nicht nur Tschingderassabumm

Michel Legrands Musical „Marguérite“ wurde in seinem Heimatland Frankreich noch nie aufgeführt. Obwohl der Oscar-gekrönte, weltbekannte Komponist wunderschöne Lieder dafür geschrieben hat und eine zu Herzen gehende Liebesgeschichte erzählt.

Marguérite am Staatstheater: Ein Musical, das an die Nieren geht
Foto: SZ/Robby Lorenz

Also eigentlich alles, was Musicalfans so mögen – auch in Frankreich.

Aber „Marguérite“ erzählt eine Geschichte, die man bei unseren französischen Freunden vielleicht nicht so gerne hört. Wer die mitreißende Inszenierung am Saarländischen Staatstheater sieht, versteht auch sofort, warum. Das Musical spielt nämlich während des Zweiten Weltkriegs. Und Legrand führt seinen Landsleuten da ziemlich drastisch vor Augen, dass nicht wenige von ihnen während der Besatzungszeit durch Nazi-Deutschland ihr Mäntelchen fein nach dem Wind hängten. Ohne ihre Kollaboration hätte sich das Vichy-Regime wohl nicht so lange gehalten.

Die in Frankreich geborene Regisseurin Pascale Chevroton hat für Saarbrücken diesen Aspekt des Legrand-Musicals wunderbar universell herausgearbeitet. Ihre Protagonisten wechseln quasi mit einem Wendemäntelchen die Weltanschauung. Hofieren erst die Besatzer und machen später Jagd auf Frauen, die sich mit Deutschen eingelassen haben. Hauptsache, es nutzt dem eigenen Vorteil. Auch die Hauptfigur Marguérite wird erst durch die Liebe zu einem jungen Widerstandskämpfer aus ihrem  selbstbetrügerischen Leben gerissen. Mit tragischen Folgen.

„Marguérite“ ist damit vielleicht kein typisches Musical mit großen Gefühlen, Tschingderassabumm und Happy End. Aber es ist ein zu Herzen gehender Theaterabend. Weil inmitten der schönen Melodien und einer wirklich feinen Liebesgeschichte, eben auch die Untiefen, die schwarzen Seiten der menschlichen Natur aufscheinen und einem das Lächeln durchaus auch mal gefriert. Regisseurin Chevroton findet dafür ohne große Bühnenshow in ihrer Schlichtheit unmittelbar treffende Bilder. Wenn der wie immer grandiose Chor zum Beispiel  „Reise nach Jerusalem“ spielend um Stühle kreist – und nach und nach finden immer weniger Menschen Platz in dieser nationalsozialistischen Gesellschaft. Das ist beklemmend und wirklich grandios.

 Ein ungewöhnlicher Stoff für ein Musical. „Marguérite“ (unser Foto zeigt die Hauptdarsteller Katja Reichert und Julian Culemann sowie den Opernchor) spielt während der deutschen Besatzungszeit in Paris.

Ein ungewöhnlicher Stoff für ein Musical. „Marguérite“ (unser Foto zeigt die Hauptdarsteller Katja Reichert und Julian Culemann sowie den Opernchor) spielt während der deutschen Besatzungszeit in Paris.

Foto: Martin Kaufhold/SST/martinkaufhold.de ;Martin Kaufhold

„Marguérite“ ist im Januar fünf Mal zu sehen, am Freitag, 10. Januar, 19.30 Uhr, am Sonntag, 12. Januar, um 18 (!) Uhr, am, 14., 18. und 24. Januar, jeweils um 19.30  Uhr. Karten: (06 81) 30 92-4 86.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort