Harfenistin im Unruhestand Reiselust lässt Harfenistin einfach nicht los

Saarbrücken · Saarbrücken ist seit Jahrzehnten Charlotte Nyborgs Zuhause. Und ihr Können ist nach wie vor auch in fernen Ländern gefragt.

 Charlotte Nyborg ist in vielen Orchestern zu hören.

Charlotte Nyborg ist in vielen Orchestern zu hören.

Die Wohnung der Harfenistin Charlotte Nyborg auf dem Saarbrücker Rotenbühl ist gespickt mit Erinnerungen aus ihrem Musikerleben. Überall hängen Plakate von Konzerten aus Brasilien, aus den Vereinigten Staaten, aus Saarbrücken. Selbst der Boden ist liebevoll dekoriert mit Noten und Souvenirs. Hier hat jemand viel gesehen und viel erlebt.

„Es sieht ein bisschen aus wie bei einer Oma“, sagt die Musikerin lächelnd und charmant. Dann beginnt Charlotte Nyborg, die jung gebliebene ehemalige Harfenistin des Saarländischen Staatstheaters, aus ihrem Leben zu erzählen. „Schon als kleines Kind, als ich gerade stehen und gehen konnte, habe ich Klavier gespielt. Meine Familie mütterlicherseits war sehr musikalisch, mein Onkel war Kontrabassist“, berichtet sie.

Der Onkel war es auch, der dem 16-jährigen Mädchen die Harfe empfahl. „Ich liebte den Klang der Orchestermusik, spielte schon lange Klavier. Als ich dann mit der Harfe angefangen habe, hätte ich wegen der sieben Pedale beinahe hingeschmissen“, erläutert sie. Aber sie hat sich durchgeboxt.

Charlotte Nyborg war ein großes, musikalisches Talent, sie studierte schon mit 17 Jahren an der Musikhochschule, war zugleich noch Gymnasiastin, gab mit 18 Jahren Klavierkonzerte. 1975 machte sie ihr Diplom für Harfe und Klavier am Königlichen Musikkonservatorium in Kopenhagen.

„Am liebsten wäre ich dann schon in den Süden auf Konzertreisen gegangen. Aber erst mal bin ich in Dänemark geblieben.“ Denn sie hatte gute Angebote, arbeitete im Sinfonieorchester und in einer Bigband. „Aber eigentlich hatte ich als Harfenistin nur wenig Erfahrung“, gesteht sie.

Daher ging sie mit einem Stipendium nach Maastricht, lernte in dieser Zeit die französische Harfenistin Chantal Mathieu kennen. „Von ihr habe ich sehr viel gelernt. Die französischen Harfenistinnen waren pragmatisch, die mochten den ganzen Firlefanz mit den Armen nicht so“, erzählt sie und lacht.

Eigentlich wollte sie zu dieser Zeit auch in Holland bleiben, aber das Berner Symphonieorchester suchte eine Harfenistin. „Und so ließ ich alles stehen und liegen und ging nach Bern.“ Sieben Jahre blieb sie in der Schweiz, arbeitete in Bern, gewann den „Prix de Virtuosité“ in Lausanne, unterrichtete in Zürich, war Aushilfe in Luzern, gab Konzerte. Sie machte Bergtouren im Berner Oberland, lebte mit ihrem Freund auf einer Alm. Während Charlotte Nyborg davon erzählt, lässt sie Anekdoten einfließen, wie sie damals in den USA während einer Konzertreise auf einem Schiff spielte, das fürchterlich schaukelte, oder wie sie ohne Noten ein Kammerkonzert spielen musste, weil die Tasche mit den Noten im Zugabteil geblieben war.

Eigentlich gefiel es Charlotte Nyborg gut in der Schweiz, sie hatte viele Konzerte, war eine anerkannte Solistin. Aber dann wurde sie zu einem Vorspiel nach Saarbrücken eingeladen. „Ich weiß es noch genau. Das war am 19. Juni 1984. Am Abend zuvor hatte ich noch ein Konzert in der Schweiz. Ich war allein mit dem Auto unterwegs und viel zu spät“, erzählt sie lachend.

Und gerade, als sie sich in Saarbrücken trotz Verspätung warmgespielt hatte und loslegen wollte, hieß es: „Sie sind eingestellt.“ „Ich bekam zur gleichen Zeit noch Angebote aus Luzern und Göteborg. Aber ich habe mich für Saarbrücken entschieden“, erzählt sie.

30 Jahre, bis September 2015, sollte sie nun zum Ensemble des Saarländischen Staatstheaters gehören, 30 Jahre war sie dort Solistin. „Das war mein Leben“, sagt sie über diese Zeit. Bis heute ist sie mit früheren Kollegen befreundet, nicht nur mit Musikern, sondern auch den Technikern und Kollegen, die hinter der Bühne arbeiteten.

Während dieser langen Zeit ging Charlotte Nyborg auf unzählige Konzertreisen, war viele Jahre Dozentin an der Hochschule für Musik Saar. „Mein Abschiedskonzert war in einer Kirche auf der Folsterhöhe vor 400 Zuhörern. Ich bekam Standing Ovations und jede Menge Glückwünsche und Blumen. Aber in der Zwischenzeit war das ganze Büfett leergeräumt“, erzählt sie lachend.

 Der Harfenistin Charlotte Nyborg ist es wichtig, Kinder für die Orchestermusik – und natürlich für die Harfe – zu begeistern.

Der Harfenistin Charlotte Nyborg ist es wichtig, Kinder für die Orchestermusik – und natürlich für die Harfe – zu begeistern.

Foto: Oliver Dietze

Auch in der Rente ist ihr die Abenteuerlust geblieben. Daher war sie 2016 für sechs Monate Gastprofessorin in den USA, in Arizona. Daneben ist sie oft in ihrem Haus in Spanien bei Marbella, gab dort vorige Weihnachten ein großes Fernsehkonzert – mit gebrochener Hand – und musiziert häufiger in einem Schloss in der Gascogne. Ihr erster Wohnsitz ist nach wie vor in Saarbrücken, in ihrer kleinen, charmanten Oma-Wohnung. „Diese Wohnung hat mir geholfen, mich zu finden“, sagt sie.

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