Lust auf Kaltnaggisch Gruppen, die den Ort voranbringen wollen

Herrensohr · Überraschend gut besucht war das Bürgerforum „Lust auf Kaltnaggisch“. Dabei gab es konstruktive und umsetzbare Vorschläge zu verschiedenen Themenfeldern.

 Erneuter Rohrbruch in Herrensohrer Grundschule.

Erneuter Rohrbruch in Herrensohrer Grundschule.

Foto: BeckerBredel

Parkplätze vor der evangelischen Kreuzkirche in Herrensohr sind eigentlich immer knapp. Auch am vorigen Dienstag war das so, auch wenn sich Karin Lackas vom Ortsinteressenverein (OIV) noch ein paar Sorgen machte, wie viele Mitbürgerinnen und Mitbürger „Lust auf Kaltnaggisch“ haben – denn unter diesem Oberbegriff stand das vom OIV gemeinsam mit dem Regionalverband veranstaltete Bürgerforum.

„Ich hoffe, dass so 30 Leute kommen“, sagte Lackas zurückhaltend, „und dass wir vielleicht schon das ein oder andere konkrete Projekt anstoßen können“.

Am Ende waren es dann gut 50 Teilnehmerinnen und Teilnehmer – die jüngsten wenige Monate alt, die ältesten schon in Rente, die Mehrheit allerdings eher zwischen 40 und 50 Jahren. „Ich habe im Vorfeld einige Jugendliche angesprochen“, erzählte der 38-jährige Christian Luckhardt, „leider fehlt ihnen offenbar irgendwie die Bindung an den Ort. Ich hatte hier eine tolle Kindheit, darum beschäftigt mich dieses Thema.“

Die Jugendarbeit und -treffpunkt waren eines von fünf Themenfeldern, die sich teilweise überschneiden, oft gegenseitig bedingen und beeinflussen. Attraktivität des Ortes, Steigerung des Gemeinschaftsgefühls, die Dorfgemeinschaft als Treffpunkt sowie die Visionen für Herrensohr 2030 bildeten die weiteren Diskussionsschwerpunkte.

„Das Format ist einfach“, erklärte Moderator Klaus Kuntz, der schon ähnliche Projekte in Auersmacher oder Bliesransbach geleitet hat, „wir wollen in einen effizienten Dialog treten. So wie am Stammtisch - nur effizienter. Wir wollen dabei die individuellen Unterschiede nutzen“.

Fünf Gruppen wurden gebildet, die im rollierenden System sich für jeweils 20 Minuten mit einem der Themenfelder beschäftigen und dann zum nächsten weitergehen. Die Ergebnisse wurden jeweils an einer Tafel festgehalten und am Ende im Plenum nochmals diskutiert.

Dabei waren die Gesprächsverläufe in den Gruppen so unterschiedlich wie deren Zusammensetzung. Bewegte man sich in einem Themenfeld in einer argumentativen Abwärtsspirale und erging sich im Feststellen von Negativem, gab es in anderen Gruppen und Bereichen durchaus konstruktive und umsetzbare Ansätze. „Genau darum ging es“, sagte Markus Ehses vom OIV, „neue Ideen entwickeln, Vorreiter finden und weitere Leute begeistern, mitzumachen“.

Die Frage, ob die Jugend einen Treffpunkt braucht und wer diesen betreiben könnte, wurde beispielsweise durchaus kritisch und kontrovers diskutiert. Vereinsvertreter schilderten ihre unterschiedlichen Probleme. Während den einen Trainingsräume für die Nachwuchsarbeit fehlen, haben andere zwar den Raum, aber nicht den Zulauf. Die Forderung nach Einkaufsmöglichkeiten im Ort wurde ebenso besprochen wie die Unzufriedenheit mit Verwaltung und Politik. Man fühlt sich nicht ernst genommen. Auch habe sich die Bevölkerung gewandelt. Etliche engagierte „Kaltnaggischer“ seien in den vergangenen Jahren gestorben, die zugezogenen Familien noch nicht ins Ortsleben integriert. Das führe auch dazu, dass verschiedene Feste auf der Kippe stehen. „Solche Negativ-aussagen sind versteckte Wünsche“, ordnete Moderator Kuntz auch negativ anmutende Gesprächsverläufe positiv ein, „oft ist dieses Jammern eine Art Ausholbewegung, um an Veränderungen zu arbeiten“.

Seit zwei Jahren gibt es beim Regionalverband eine Anlaufstelle für Menschen, die zur „Zukunftsentwicklung ihres Lebensmittelpunktes beitragen wollen“, sagte Christian Schreiner, der stellvertretende Fachdienstleiter für Regionalentwicklung und Planung. Das Angebot richtet sich an Ortsteile und Dörfer im Regionalverband mit bis zum 3000 Einwohnern. Herrensohr sei das „erste Dorf in der Landeshauptstadt“, das an dem Programm teilnimmt. „Durch die Vernetzung schaffen wir es, dass nicht jeder jeden Fehler selbst machen muss“, sagte Schreiner, „wir sehen uns als Streichholz, das Brennholz muss jeder selber mitbringen.“

Davon wurde am vergangenen Dienstag in der Christuskirche reichlich gesammelt. „Wir werden jetzt die Ergebnisse sichten und zusammenfassen“, sagte Karin Lackas, „die wollen wir dann im Rahmen eines Dorfgesprächs der Öffentlichkeit vorstellen“. Dies soll nach den Sommerferien geschehen und bei noch viel mehr Menschen Lust auf Kaltnaggisch wecken.

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