Weihnachtsessen Die Gans ist auf dem Rückzug

Homburg · Weihnachten hat man endlich mal Zeit für sich, man kann kochen oder heimwerken. Doch bevor man die neuen Sachen ausprobiert, sollte man die Betriebsanleitung lesen.

 Ein Gänsebraten vor einem geschmückten Christbaum – das ist immer noch der Klassiker auf dem Teller am ersten Weihnachtstag. Macht aber viel Arbeit und enthält viel Fett.

Ein Gänsebraten vor einem geschmückten Christbaum – das ist immer noch der Klassiker auf dem Teller am ersten Weihnachtstag. Macht aber viel Arbeit und enthält viel Fett.

Foto: dpa/Karl-Josef Hildenbrand

Der Weihnachtsbraten oder die Weihnachtsgans gehörten zu Zeiten unserer Großeltern zur Grundausstattung eines gelungenen Weihnachtsfestes. Das war auch sinnvoll, zumal man früher nicht so sehr in Versuchung geführt wurde, sich schon ab Ende November mit Plätzchen, Glühwein und Stollen vollzustopfen. Oder gar mit Kartoffelchips, Knoblauchbrot und Fleischkäse – Dinge, die man inzwischen auf allen Weihnachtsmärkten antrifft.

Im Übrigen galt der Advent aus kirchlicher Sicht als Fastenzeit, ähnlich wie die Zeit vor Ostern. Außerdem soll es früher im Dezember kälter gewesen sein, jedenfalls wird das immer gerne erzählt. Und eine fette Gans schmeckt allemal besser, wenn‘s draußen friert und man sich wochenlang nur von Pellkartoffeln und Quark ernährt hat – an Stelle von Käsegrillern und Schoko-Printen bei zehn Grad am Glühweinstand. Außerdem ist eine Fastenzeit auch aus praktischen Erwägungen sinnvoll gewesen, weil man in armen Zeiten das Essen den Dezember über angesammelt und haltbar gemacht hatte, damit für die Festtage genügend vorhanden war.

Doch die Schlemmerei kommt etwas aus der Mode, zumal viele Leute heute generell auf Fleischgerichte verzichten. Wenngleich es auch interessante vegetarische Gerichte gibt.

Dass aber auch Fleischesser einen Gänsebraten nur noch mit schlechtem Gewissen verspeisen können, dazu haben vor allem gute Ratschläge von besorgten Medizinern beigetragen: Das Weihnachtsessen sei generell zu schwer, zu fett, die arme Leber müsse Höchstleistungen erbringen. Man solle doch große Menüs sein lassen und lieber „ab und zu mal einen Apfel essen“, raten Gesundheits-Ratgeber.

Am Ende geht man als Leser populärer Medizin-Presse beschämt in sich und überlegt, ob es zu Weihnachten nicht doch eine einfache Rindfleischbrühe täte. Oder ein Gemüseauflauf. Fragt man jedoch mal beim Notfalldienst am Universitätsklinikum in Homburg nach, so gehen die meisten akuten Fälle an Weihnachten nicht auf Verdauungsprobleme mit Gänsebraten zurück, sondern auf banale bis peinliche Dinge.

Zum Beispiel, dass der Vater mit der neuen elektrischen Heckenschere, die er sich an Heiligabend noch schnell im Baumarkt besorgt hat, nicht die Hainbuchen, sondern sein Knie zersägt hat. Oder dass sich jemand an Heiligabend am Lyoner oder an den Plätzchen verschluckt oder sich mit der Kerzenflamme Haar und Kopfhaut angesengt hat. Zu den verrücktesten Erlebnissen der Notaufnahme am Uniklinikum gehört jedenfalls eine Frau, die sich am Weihnachtsabend noch schnell ihr Kleid am Körper überbügeln wollte und mit Verbrennungen zweiten Grades im Bauchbereich eingeliefert werden musste.

Was lernt man daraus? Dass man sich einen schönen Braten nicht schlecht reden lassen und Hauruck-Heimwerker-Aktionen unterlassen sollte. Wichtig ist vor allem, dass man sich keinen Stress macht. „Für Heiligabend haben viele Kunden bei uns Platten bestellt“, sagt Melanie Flatter vom gleichnamigen Homburger Fischgeschäft, „denn gerade abends sind Salate oder Pasteten sehr beliebt, das macht keine Arbeit und schmeckt allen gut.“ Der Renner beim Fisch war in diesem Jahr der Lachs, „als schönes Filet für den ersten Weihnachtstag“.

Oder ein Kabeljaurückenfilet mit Kapernbutter oder mit Petersiliensoße. Der Karpfen, vor einigen Jahren noch in Mode, sei „rückläufig“, „der ist nicht mehr so beliebt wie früher. Manche Kunden kaufen ihn noch, aber das ist eine Minderheit“, so Melanie Flatter.

Dieter Schwitzgebel von der preisgekrönten Einöder Metzgerei bleibt gerade vor Weihnachten seinem Prinzip „Kalb und Rind aus der Region“ treu: Die Kunden bevorzugten Kalb, „diesmal wurde gefüllte Kalbsbrust häufig nachgefragt“.

Auch Kalbsnierenbraten und Rinderfilet seien Weihnachtsklassiker. Bei Geflügel sei die Lage „nicht so einfach“, weil in der Biosphäre ein Hof mit freilaufenden Gänsen oder Enten fehle, „und ich mag einfach keine Käfighaltung“, betont Schwitzgebel. Natürlich könne er den Kunden eine Gans oder Ente besorgen, „aber die kommen dann nicht aus der näheren Umgebung. Aber ich weiß immer, von welchem Hof, sonst würde ich sie nicht verkaufen.“ An Heiligabend gibt es viele Kunden, die traditionell Wiener Würstchen oder Lyoner kaufen, „das ist so Sitte, macht nicht viel Arbeit und schmeckt gut“.

Klaus Lambert von der gleichnamigen Metzgerei in Beeden hat festgestellt, „dass die Leute heute ganz anders einkaufen als noch vor 30 Jahren“.

Dazu gehörten zum Beispiel Rinder- und Schweinebäckchen oder Wildleber, „alles Sachen, die man früher gering geachtet hat. Inzwischen sind die richtig teuer, die schmecken auch hervorragend“. Lambert vermutet, dass die Koch-
shows im Fernsehen daran ihren Anteil haben. Geflügel sei bei ihm allerdings nicht besonders gefragt, „bei 300 Bestellungen waren nur zwei Gänse dabei“. Viele Kunden haben hingegen Wild vorbestellt, zumal Klaus Lambert selbst auf die Jagd geht.

Was wird er auf den Tisch bringen? „Ich verwerte die Reste aus der Metzgerei“, lacht er. Aber was sind schon Reste für ihn? „Na ja, ich denke, ein gutes Rehgulasch wird schon noch dabei rauskommen. Oder ein zartes Rehblatt.“

David Simon aus Erbach, der vor einigen Wochen zusammen mit seiner Frau Tanja in Homburg ein Tagesrestaurant eröffnet hat, schlägt vor, die Gans für den ersten Weihnachtstag mit einer Brioche-Füllung zuzubereiten: „Die Gans wird mit Hefeteig gefüllt, der Teig saugt während des Bratvorgangs den guten Geschmack der Gans auf und kann als Beilage serviert werden.“ Dem Hefeteig könne auch Backobst beigefügt werden, „das passt sehr gut zur Gans“.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort