Kolumne Von Gänsen und Motten

An den Feiertagen wird ja immer groß aufgetischt. Meist besondere Spezialitäten, die man sich den Rest des Jahres nicht gönnt. In einer edlen Porzellan-Schale serviert meine Gastgeberin etwas leicht grau Aussehendes. Vermutlich die Füllung für den prächtigen Truthahn. Sehr ungesunde Farbe für Essen, denke ich. „Gänseleber“, beginnt sie stolz. „Gänseleber“, wiederhole ich und überhöre den Rest der Aufzählung. Als Kinder hat man uns eingetrichtert, alles zu probieren. „Wenn du es nicht probierst, kannst du gar nicht wissen, ob du es nicht magst“, hat meine Mama gepredigt.

Kolumne: Von Gänsen und Motten
Foto: SZ/Robby Lorenz

Ich starre auf die graue Pampe auf meinem Teller und erinnere mich an ein Erlebnis aus dem Jahr 2010. An einem Abend im Spätsommer saß ich mit ein paar Freunden auf der Terrasse beim Abendessen. Angelockt vom Kerzenschein landete eine riesige Motte auf der Schulter meines Gegenübers. Der lebensfrohe Australier mit Dreadlocks schaute den Nachtfalter kurz an, schnappte zu und fing an das Insekt zu zerkauen: „Hätte ja schmecken können“, sagte er damals und spuckte die Einzelteile auf den Boden. „Hätte ja schmecken können“, denke ich beim Festessen auch. Nur Spucken kommt nicht in Frage.

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