Kammermusiktage Homburg Ein Spaziergang durch die Jahrhunderte

Homburg · Mit einer mehr als gelungenen Abschlussmatinée im Kulturzentrum Saalbau gingen die Homburger Kammermusiktage zu Ende. Auf Wiedersehen im kommenden Jahr!

 Gemeinsam eröffneten das Eliot-Quartett und das Vogler-Quartett das Abschlusskonzert der diesjährigen Homburger Kammermusiktage.

Gemeinsam eröffneten das Eliot-Quartett und das Vogler-Quartett das Abschlusskonzert der diesjährigen Homburger Kammermusiktage.

Foto: Thorsten Wolf

Das Dienstagkonzert der internationalen Kammermusiktage Homburg bot im Kulturzentrum Saalbau Werke von Ludwig van Beethoven (1770-1827), Louis Théodore Gouvy (1819-1898) und Franz Schubert (1797-1828). Drei Komponisten nur, aber was für ein musikalischer Reichtum! Der Saarländische Rundfunk war da und nahm das Programm zwischen Gesanglichkeit und kapriziösem Spiel auf.

Erstmals stellte sich mit dem russischen Ehepaar Maryana Osipova (Primaria) und Dimitry Hahalin (Viola) sowie mit ihren deutschen Kollegen Alexander Sachs (2. Violine) und Michael Preuß (Cello) das noch junge Eliot-Quartett vor. Ungeachtet erster stolzer Wettbewerbserfolge bereitet es sich zur Zeit bei Tim Vogler an der Frankfurter Musikhochschule auf sein Konzertexamen vor. Wenn es dabei Beethovens Quartett-Erstling F-Dur op. 18/1 aus dem Jahr 1798 so fein ausgehört vorträgt, dürfte über die Examensnote kein Zweifel bestehen. Die delikate Wiedergabe der schnellen Ecksätze „con brio“ und die klangliche Homogenität selbst im burlesken Übermut des Scherzo-Satzes verrieten etwas über die Ehrfurcht Beethovens vor seinen großen Vorbildern Haydn und Mozart.

Den Titanen der Leidenschaften und Abgründe aus dem nächsten Lebensjahrzehnt ließ das Quartett in der von „Romeo und Julia“ angeregten Grabesszene des düsteren Adagio-Satzes erahnen, dessen „affettuoso ed appassionato“ die jugendlichen Quartettspieler voll auskosteten. Großer, lange anhaltender Beifall dankte es ihnen. In den drei ausgewählten Stücken aus „Six Morceaux pour Piano à quatre Mains“, die Gouvy 1873 in Paris vollendete, entfaltete das kraftvolle Jeu perlé des Duo Two4piano seine volle Brillanz. Die rauschenden Arpeggien des Prélude, ein schlichtes gesangliches Thème, das in den nachfolgenden Variationen seinen ganzen Reichtum offenbarte, und die grandiose ‚Polonaise in Erinnerung an Chopin ernteten großen Beifall. Mit seiner fast einstündigen „Himmlischen Länge“ füllte Schuberts Oktett für Klarinette, Horn, Fagott und Streichquartett mit zusätzlichem Kontrabass F-Dur D 803 den zweiten Teil des Abends aus. Schuberts Wunsch nach sinfonischem Orchesterklang, die eine Briefstelle aus dem Entstehungsjahr 1824 verrät, war bei David Orlowsky (Klarinette), Bruno Schneider (Horn), Hendrik Rabien (Fagott), Fritjof-Martin Grabner (Kontrabass) und beim Vogler Quartett in besten Händen. Sie spielten in den fünf Sätzen, und da vor allem im zentralen Variationensatz mit der Experimentierfreudigkeit Schuberts, sparten in den Adagio-Einleitungen andererseits aber nicht seinen aufbegehrenden Weltschmerz aus.

Louis Théodore Gouvy, der gute Stern der Kammermusiktage, eröffnete auch den sechsten Kammermusikabend am Mittwoch. Das Vogler-Quartett spielte sein fünftes und letztes Streichquartett d-Moll op. 68, das 1874 im nahen Hombourg-Haut entstand. Die Wiedergabe hätte das ganze Spannungsfeld zwischen der c-Moll-Düsternis des Kopfsatzes „Allegro con brio“ bis zum sieghaften „Allegretto agitato“ des Finalsatzes durchmessen. Eine interpretatorische Meisterleistung, die den an seinem letzten Quartett zweifelnden saarländischen Komponisten sicher mit sich versöhnt hätte. Für das zweite, 1941 entstandene Streichquartett F-Dur op. 92 nach tscherkessischen Liedern und Tänzen von Sergej Prokofjew (1891-1953) fiel die Wahl auf das Eliot-Quartett mit seinen beiden aus Russland stammenden Mitgliedern. Es überzeugte in den zupackenden Ecksätzen ebenso wie im Adagio-Satz mit seiner betörenden kabardinischen Liebeslyrik und dem eingestreuten, tänzerischen Scherzo. Im Hauptwerk des Abends, im Klavierquintett g-Moll op. 57 von Dmitri Schostakowisch (1906-1975), ergänzte Pianist Alexey Pudinov mit seiner fulminanten Technik das Quartett zum Quintett. Der jugendliche Schwung und der couragierte Zugriff auf die fünf unterschiedlichen Sätze hätten erahnen lassen, weshalb das Werk seit seiner Entstehung 1940 bis heute ein geradezu legendäres Ansehen genießt. Das Feuerwerk der Russen hätte ein paar Zuhörer mehr verdient gehabt.

Hingegen war der Saalbau zur Abschlussmatinee am Feiertag wieder gut besetzt. Das Vogler-Quartett und das Eliot-Quartett eröffneten die Werkfolge mit Präludium und Scherzo für Doppelquartett op. 11 von Schostakowitsch. Sie verdeutlichten vor allem im ersten Stück die große Trauer des 18-jährigen Komponisten um den befreundeten, gerade an Tuberkulose verstorbenen Leningrader Freund Wladimir Kurtschawow. Maurice Ravel (1875-1937) hat „La Valse“, sein „Poème choréographique“ 1919 in der berühmten Orchesterfassung veröffentlicht, aber auch in Bearbeitungen für Klavier allein und für zwei Klaviere. Two4piano spielten mit unglaublichen Klangkaskaden eine vierhändige Fassung von Lucien Garban, die der Faszination der Orchesterfassung in nichts nachstand. Nach vielen grazilen Anläufen und Aufforderungen zum Tanz endet auch die Klavierfassung im Aufbäumen aller motivischen und Klanglichen Mittel, die aber den tumultartigen Zusammensturz in die Bassregion nicht verhindern kann, in dem nach dem Ersten Weltkrieg mit der Donaumonarchie eine ganze Walzerselige Ära unterging. Der stehende Beifall feierte eines der glanzvollsten Ereignisse der ganzen Kammermusikwoche. Katerina Moskaleva und Alesey Pudinov bedankten sich dafür mit jener verwirbelten „Polka?“ von Stefan Young (geb. 1946).

Nach dem Ravelschen Wetterleuchten und dem Koboldhaften Wechsel zwischen Zweier- und Dreiermetren hatten es die Tänze aus Spanien, aus Wien und aus Ungarn der „Cinq Novelettes“ für Streichquartett op. 15 von Alexander Glasunow (1865-1936) etwas schwer. Und doch horchte man auf, als Primarius Tim Vogler „All‘Ungherese“ in die Rolle eines schmachtenden Zigeunerprimas schlüpfte. Als sich nach der orchestralen Pracht im Doppelquartett d-Moll op. 65 von Louis Spohr (1784-1859) die beiden beteiligten Quartette und das Duo Two4piano ein letztes Mal verbeugten, mischt sich in den enthusiastischen Applaus doch viel Wehmut über das Abschiednehmen. Aber wie sagte doch Sibylle Kößler bei ihrer Begrüßung: „Nächstes Jahr zur selben Zeit und an diesem Ort geht‘s weiter“.

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