Raus aus der Beziehungskiste

Gersheim. Mit charmanten Dialogen, aber auch schwarzem Humor und bissiger Gesellschaftskritik fesselten Wiebke Eymess und Friedolin Müller, seit nahezu zwei Jahren als "Das Geld liegt auf der Fensterbank, Marie" auf Tour, ihr Gersheimer Publikum

 Das Kabarett-Duo "Das Geld liegt auf der Fensterbank, Marie", Wiebke Eymess und Friedolin Müller, bei ihrem Auftritt im Gersheimer Kulturhaus. Foto: Wolfgang Degott

Das Kabarett-Duo "Das Geld liegt auf der Fensterbank, Marie", Wiebke Eymess und Friedolin Müller, bei ihrem Auftritt im Gersheimer Kulturhaus. Foto: Wolfgang Degott

Gersheim. Mit charmanten Dialogen, aber auch schwarzem Humor und bissiger Gesellschaftskritik fesselten Wiebke Eymess und Friedolin Müller, seit nahezu zwei Jahren als "Das Geld liegt auf der Fensterbank, Marie" auf Tour, ihr Gersheimer Publikum. Ihr Programm "MitternachtSpaghetti" hatten sie als real-fiktives Liebespaar, als kabarettistisch-musikalisches Dream-Team, mit funkelnd-intelligenten Dialogen ausgestattet. Im Wechselspiel mit sprachjonglierenden Liedern entwickelten sie das Streitspiel zur hohen Kultur.Die Preisträger der St. Ingberter Pfanne (2010), Träger des Münchner Kabarett-Kaktus (2009) und dem Goldenen Löwen 2009, dem Comedy-Preis ihrer Heimatstadt Hannover, waren im ersten gemeinsamen Programm mit Gitarre, Ukulele und Mini-Akkordeon bewaffnet, platzierte im Kulturhaus ihren Humor weit oberhalb flacher Fernseh-Comedy. Manchmal verließen die beiden ihre Beziehungskiste, thematisieren Umwelt und Vaterland, Musik und Film, Wagner und Stallone, boten Kabarett der sarkastischen Art. Weil sie im wirklichen Leben auch ein Paar sind, haben sie es sich angewöhnt, ihre ganz eigene Konversationsform gleich mit auf die Bühne zu bringen.

Das funktioniert dann so, dass Wiebke Eymess, eine diplomierte Fremdsprachenkorrespondentin, irgendetwas Unzusammenhängendes vor sich hin sinniert und Friedolin Müller, der neben Kabarett auch Schauspielerei studiert, in halb genervter Nachsicht herauszufinden versucht, wovon sie eigentlich spricht. So kommen die beiden von der verzwickten Frage, wie denn die Hitlerjugend der Kommunisten hieß, nach knapp zehn Minuten und 120 Ecken zu der abenteuerlichen Behauptung, dass diese blonde, sehr feminine Tatort-Kommissarin namens Ulrike Folkerts doch die Tochter von Nazi-Komponist Richard Wagner sein müsse.

Assoziationsketten in feinster Loriot-Manier, in denen das Duo von Lenin über die Marx-Brothers zu den Thälmann-Pionieren, Telemann, und Wagner-Pizza, und über unglaubliche Umwege zu Furtwängler und Folkwang gelangte, machten nicht nur dem Pärchen sichtlich viel Spaß, sondern vor allem auch dem Publikum, das sich in Begeisterungsstürme hineinsteigerte. Beim kurzweiligen Gastspiel während der 25. Gersheimer Theaterwoche, bei der sich Kabarett und Comedy Gute Nacht sagten, wickelten die Zwei von der Fensterbank ihre Zuschauer galant um den Finger: urkomisch und melancholisch, mit wunderbaren Songs, mal mit, mal gegeneinander, immer aber frisch und unerwartet.

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