Die Autorin Sonja Ruf liest im Rechtsschutzsaal in Bildstock Die Autorin, die keine Bücher mehr schreiben will

Saarbrücken/Bildstock · Seit 30 Jahren ist Sonja Ruf Autorin. Aber jetzt soll Schluss sein mit Bücher schreiben. Jetzt soll alles anders werden. Bei ihrer Lesung zur Eröffnung der Kulturtage im Rechtsschutzsaal Bildstock gibt es also einiges zu besprechen.

 Sonja Ruf liest zur Eröffnung der Kulturtage im Rechtsschutzsaal aus ihrem Erzählband „Das Flussbad-Wunder“.

Sonja Ruf liest zur Eröffnung der Kulturtage im Rechtsschutzsaal aus ihrem Erzählband „Das Flussbad-Wunder“.

Foto: Iris Maria Maurer

Sonja Ruf ist Autorin. Und: Sie will nicht mehr schreiben. Zumindest keine Romane, keine Bücher. Fatalistisch mag das für den einen oder die andere klingen. Für Ruf selbst hingegen kommt es einem Befreiungsschlag gleich. „Seit ich das entschieden habe, geht es mir viel besser“, stellt sie klar.

Auf über 30 Jahre als Autorin blickt die 55-Jährige mittlerweile zurück. 30 Jahre, in denen sie 14 Werke veröffentlicht hat, von erotischen Erzählungen, ihrem Steckenpferd, über eine Anthologie zum Thema Arbeitswelten bis hin zu einem Kinderroman.

Figuren hat Sonja Ruf in ihrer Schrifstellerinnen-Karriere so einige erfunden, hat mit ihnen gelebt, ist ihnen gefolgt, hat sich in ihnen gespiegelt. So waren die Helden und Heldinnen ihrer Erzählungen fast immer so alt wie Ruf selbst. In ihrem Roman „Im Glanz der Kontrolle“ schreibt Ruf etwa von einer gruselig-skurrilen Riesenklinik, in der alle 50-Jährigen landen, weil sie es in dieser unseren neuen Arbeitswelt nicht mehr aushalten, überflüssig werden.

Es ist ein Text über die Digitalisierung. Aber auch über Lebenskrisen. Über das große sich selbst Hinterfragen in der Mitte des Lebens. Ein Erfahrung, die Ruf in den letzten Monaten selbst durchlebte. „Ich habe mich ganz radikal gefragt was ich vom Leben wollte“, sagt sie, „und wie viel ich davon erreicht habe“.

Schon als Kind hat Sonja Ruf davon geträumt, Schriftstellerin zu werden. Nach ihrer ersten Veröffentlichung, einem Jugendsachbuch, das 1991 auf der Auswahlliste des Deutschen Jugendliteraturpreises stand, folgten 1996 ihr von der Kritik äußert wohlwollend aufgenommener Roman „Evas ungewaschene Kinder“ und die Einladung zum renommierten Ingeborg-Bachmann-Preis.

Sonja Ruf baute sich ihr Leben „um das Schreiben herum“, wie sie sagt, „alles, was ich in meinem Leben getan habe, habe ich getan um das Schreiben zu finanzieren“.

In Pforzheim geboren, lebte sie zeitweise in Darmstadt, in Leipzig und Bad Neustadt an der Saale. Neben dem Schreiben immer die Erwerbsarbeit. Arbeit als Lektorin, Ghostwriterin, Lokaljournalistin, Postausträgerin. Auch hier in Saarbrücken, wo sie seit 2012 mit ihrem Mann, dem Laut-Poeten Karl-Heinz Heydecke lebt, arbeitet sie an drei Tagen die Woche als Erzieherin an einer Grundschule.

Trotz ihrer Erfolge, der vielen Veröffentlichungen, blickt Sonja Ruf wehmütig auf 30 Jahre Schreiben zurück. Sie habe einen bestimmten Platz einnehmen wollen, sagt Ruf, „ich wollte als ernstzunehmende Literatin geachtet werden“. Geschafft habe sie das nicht. Vom Bücher-Schreiben weggebracht habe sie aber mehr der Literaturbetrieb selbst.

Sowohl ihr 2019 erschienener Kinderroman „Mallows oder Katzengrütze“ als auch ihr 2020 erschienener Roman „Im Glanz der Kontrolle“ wurden, trotz hervorragender Kritiken, fast vollständig von der Corona-bedingten Kulturkrise gefressen.

Ganz generell sei auch der Literaturbetrieb von der neo-liberalen Lüge, dass Qualität sich durchsetze, dass man es schaffen könne, wenn man nur gut genug sei, regiert, sagt Ruf. Es herrsche hingegen vielmehr „eine Überproduktion bei gleichzeitiger qualitativer Mangelernährung“.

Und dann seien da noch die Verlage, die immer mehr Verantwortlichkeiten an die Autoren selbst outsourcen. „Autoren müssen ihre Bücher nun selbst vermarkten, verkaufen, und wenn das nicht funktioniert, fällt es auf die Autoren selbst zurück“, sagt Ruf.

All das will Sonja Ruf nicht mehr. Das eigentliche literarische Schreiben sei für sie aber nach wie vor die größte Freude im Leben, inspiriert zu sein das größte Gefühl. Sie wird weiter schreiben. Nur eben keine Bücher mehr. Beiträge für Zeitschriften, Zeitungen, Anthologien. Darauf will sie sich jetzt konzentrieren.

Waren es bei den literarischen Großformen vor allem bestimmte Themen, die sie umtrieben – allen voran das weibliche Begehren, dem Sonja Ruf einen schamlosen, klaren Ausdruck verlieh – will sie sich nun Formexperimenten zuwenden. „Vielleicht will ich noch abweisender für den gewöhnlichen Leser werden“, sagt sie mit einem Augenzwinkern, „jedenfalls will ich literarisch noch besser werden“.

Die nächsten Monate wird sie hierzu intensiv nutzen: Als erste Schriftstellerin wird sie in den kommenden Monaten – zumindest zeitweise – im Haus des verstorbenen Bildhauers Leo Kornbrust und seiner Frau, der Lyrikerin Felicitas Frischmuth, an der Damra bei St. Wendel leben und arbeiten. „Ich stelle mir ein Gespräch, ein Gewebe zwischen Frischmuths Schaffen und meinem vor“, sagt Ruf. Freudig gespannt und erwartungsvoll blickt Sonja Ruf auf diesen Sommer. Und vor allem ohne das Gefühl irgendetwas beweisen zu müssen.

Zum Auftakt der „Kulturtage im Zeichen der Solidarität – Für eine demokratische Gesellschaft!“ liest Sonja Ruf am Samstag, 21. Mai, um 19 Uhr im Rechtsschutzsaal Bildstock aus ihrem neu erschienenen Erzählband „Das Flussbad-Wunder und andere Erzählungen“. Der Eintritt ist frei. Eine schriftliche Anmeldung ist erforderlich an info@rechtsschutzsaal.de [Link auf https://www.rechtsschutzsaal.de/aktuelles-termine/meldung-1/lesung-mit-sonja-ruf-und-karl-heinz-heydecke]

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