Riegelsberger Heimkino-Firma Pidax vertont Paul Temple Eine harte Nuss für den „König des Hörspiels“
Riegelsberg · Die Riegelsberger Firma Pidax ist vor allem als Spezialist für Heimkino-Veröffentlichungen bekannt. Jetzt hat sie ihr erstes Hörspiel produziert – mit einem klassischen Krimi-Helden.
Schon nach Sekunden ist man mittendrin in London, am Oxford Circus, im Menschengewirr, das zunehmend panisch klingt: Eine Frau steht auf einem Haus, droht, in die Tiefe zu springen, während ein Reporter mit seinem Chefredakteur telefoniert, der den möglichen Freitod zynisch als Mittel der Auflagensteigerung sieht: „Sie muss springen – die Story ist ja schon geschrieben.“ Die Frau springt, die Geschichte wird gedruckt, und so beginnt ein schwieriger Fall für Paul Temple, Krimischriftsteller und Nebenbei-Ermittler: Warum haben sich im Londoner Westend innerhalb einer Woche zehn Menschen das Leben genommen? Eine Verbindung scheinen Drogen und der Name „Valentin“ zu sein. Temple beginnt zu ermitteln – auch wenn ihm der Abgabetermin seines neuen Kriminalromans im Nacken sitzt. Was folgt, sind allerlei Wendungen, Finten, falsche Fährten und flotte Dialoge zwischen Temple und seiner Gattin.
„Paul Temple und der Fall Valentine“ heißt das Hörspiel, das in London spielt und aus Riegelsberg kommt: Die Firma Pidax hat es produziert. Paul Temple, diesen Schriftsteller, der auch allerlei reale Fälle er- und überlebt, hat sich der Brite Francis Durbridge (1912-1998) ausgedacht; hierzulande ist Durbridge nicht zuletzt bekannt durch Fernseh-Verfilmungen wie „Das Halstuch“ und „Das Messer“, die in den 1960ern und 1970ern als „Straßenfeger“ galten. Durbridge hatte Temple 1938 als Hörspiel-Helden für die BBC erfunden, wo er 30 Jahre lang emsig Fälle löste. In Deutschland gab es ab 1949 Hörspiele mit Paul Temple (in den Niederlanden schon ab 1939), meist gesprochen vom sonorigen Luxemburger René Deltgen; aber auch von Karl John, Paul Klinger und 2014 von Bastian Pastewka.
„Am Ende ist dann doch alles ganz anders“
Auch eine britisch-deutsche TV-Serie entstand zwischen 1969 und 1971; den Temple gab damals Francis Mathews, der – das passt in seiner „Britishness“ sehr gut – TV-Zuschauern ab 1978 mit dem TV-Kurs „Follow Me!“ die englische Sprache nahebrachte. Vier britische Kinofilme mit Temple wurden zwischen 1946 und 1952 gedreht, von denen aber nur zwei den Weg in die deutschen Kinos fanden. Und da kommt nun die Firma Pidax ins Spiel: Denn deren Gründer und Geschäftsführer Edgar Maurer ist ein großer Temple- und Durbridge-Fan. Denn der lasse „einem keine Zeit zum Luftholen und Nachdenken, wer der Täter ist, weil er im Minutentakt Drehungen und Wendungen liefert und überraschende Cliffhanger serviert“. Man könne sich „auf nichts verlassen – und am Ende ist dann doch alles ganz anders“.
Mit seiner Heimkino- und Hörspiel-Firma, die im Oktober ihren 15. Geburtstag feiert, brachte Maurer schon die vier betagten Paul-Temple-Filme heraus, drei von ihnen ließ er synchronisieren, hatte es für zwei doch keine deutschen Fassungen gegeben, beim dritten Film war die alte Synchro verschollen. Die deutschen Fassungen erstellte das Heilbronner Studio „Hnywood“ mit viel Sinn für nostalgische Ton-Atmosphäre, so dass die alten Bilder und die neue Synchronisation gut zusammenpassen. Der Erfolg war ermutigend, und so veröffentlichte Pidax lange vergriffene Temple-Comics, Bücher und ließ auch Temple-Hörbücher aufnehmen: Lesungen von Temple-Romanen mit dem Sprecher Omid-Paul Eftekhari, ungekürzt. „Paul Temple und der Fall Foster“ etwa dauert über sechs Stunden.
Bei „Paul Temple und der Fall Valentine“ liegt der Fall nun anders – es ist die erste Hörspiel-Eigenproduktion von Pidax, die um einiges aufwendiger ist als ein Hörbuch. „Mit viel Herzblut und über 50 Sprecherinnen und Sprechern“, sagt Edgar Maurer; in Zusammenarbeit mit „Hnywood“ habe man darauf geachtet, dass der 1946 spielende Fall eine gewisse nostalgische Anmutung besitzt. „Es soll modern klingen und zugleich ein bisschen alt“, sagt Edgar Maurer. Auch bei der Sprache habe man sich bemüht, allzu modernes Vokabular oder aktuelle Modewörter zu vermeiden.
50 Sprechrollen, eine neu eingespielte (dennoch nostalgisch klingende) Musik von Regisseur Antonio Fernades Lopes – das lässt sich nicht nebenbei produzieren, sondern ist sehr aufwändig. Ein finanzielles Risiko für die Firma? „Einen Film zu lizensieren ist sicherlich günstiger als solch eine Produktion“, sagt Maurer, „aber ein Sprung ins kalte Wasser ist das nicht.“ Die Temple-Hörbücher liefen sehr erfolgreich, gerade digital bei Audible und Spotify, da könne man ziemlich genau kalkulieren. Im Hörspiel- und Hörbuchbereich spiele sich übrigens mittlerweile fast alles im digitalen Bereich ab, die CD habe da nur noch eine untergeordnete Rolle. Und egal, welches Medium: „Paul Temple ist so etwas wie der König des Hörspiels.“
Zu „Der Fall Valentine“ gab es kein deutsches Skript, Pidax ließ das Original vom Durbridge-Experten Dr. Georg Pagitz übersetzen. Was bei den Veröffentlichungen sehr helfe, auch bei Rechteverhandlungen und Ähnlichem, sei das „sehr freundschaftliche Verhältnis zu den Durbridge-Söhnen“, sagt Maurer. „Die sehen, was wir schon gemacht haben, die haben Vertrauen.“ Zudem sei es den Söhnen wichtig, dass das Andenken ihres Vaters weitergetragen werde. Zwei weitere Temple-Hörspiele sind bereits produziert, sie sollen im Laufe des Jahres erscheinen: „Paul Temple und der Fall McRoy“ im Juli, „Paul Temple und der Fall Westfield“ im Oktober. „Und danach“, sagt Maurer, „schauen wir weiter.“
„Paul Temple und der Fall Valentine“: Digital und auf CD erschienen bei Pidax.
Kontakt und Infos: www.pidax-film.de