Pflegestützpunkte mit mehr Zulauf

Die Pflegestützpunkte im Saarland verzeichnen einen wachsenden Zulauf. Immer häufiger haben sie es mit Verwahrlosungs- und Vermüllungstendenzen in Pflegehaushalten zu tun, beklagt die Geschäftsführerin des Pflegestützpunkts St. Wendel, Helga Setz, im Gespräch mit SZ-Redakteur Norbert Freund.

Was ist das Besondere an den saarländischen Pflegestützpunkten im Vergleich zu anderen Bundesländern?

Setz: Die gemeinsame Verantwortung von Land, Kreisen und Kassen sowie die kreisbezogene Arbeitsorganisation mit einer gemeindebezogenen Zuständigkeit der Pflegeberater. Dies ermöglicht wohnortnahe Beratung und intensive Kenntnis der örtlich tätigen Gesundheits- und Pflegedienste sowie der nachbarschaftlichen Hilfemöglichkeiten.

Welche Probleme und Beratungsthemen traten in den Jahren 2012 und 2013 verstärkt in den Vordergrund?

Setz: Nach wie vor stehen die Pflegeversorgung und die Weiterführung des Haushalts pflegebedürftiger Menschen, die Entlastung pflegender Angehöriger sowie die Beantragung von Pflege- und Sozialleistungen im Vordergrund. Die Pflegeberater belastet zunehmend, dass im Zusammenhang mit Pflegebedürftigkeit häufig eine Vermüllungs- und Verwahrlosungsproblematik sowie wirtschaftliche Notlagen auftreten.

Warum kommt es in Haushalten mit einem Pflegefall überdurchschnittlich oft zu einem Vermüllungs- und Verwahrlosungsproblem? Können Sie das erklären?

Setz: Einsamkeit, seelische Belastungen in Verbindung mit Krankheit, Pflegebedürftigkeit beziehungsweise Demenz und Armut sind die Ursache. Die Zuzahlungen steigen und die Renten stagnieren. Pflegebedürftigkeit bewirkt, dass Menschen keine Zukunftshoffnung mehr haben. Alleine sind sie überfordert, ihre Probleme zu lösen. Sie geben sich auf. Vermüllung und Verwahrlosung sind die Folge.

Inwiefern haben sich die Arbeitsschwerpunkte der Pflegestützpunkte in den vergangenen Jahren verändert?

Setz: Weil die Familien kleiner werden und häufig keine Angehörigen zur Versorgung zur Verfügung stehen, engagieren sich die Pflegeberater zunehmend im Aufbau und in der Begleitung nachbarschaftlicher Hilfen sowie in der pflegebezogenen Selbsthilfe.

Kann man mit Blick auf die vergangenen Jahre von einer zunehmenden Inanspruchnahme der Pflegestützpunkte im Saarland reden?

Setz: Ja. Immer mehr Menschen suchen bei den Pflegestützpunkten Rat und Hilfe. Auch die Kranken- und Pflegekassen, die Ärzte und die Krankenhäuser sehen zunehmend in den Pflegestützpunkten eine wichtige Unterstützung.

Verringern die Anstrengungen der Pflegestützpunkte die Kosten durch die ständige Begleitung von Pflegebedürftigen, die sonst anderswo entstehen?

Setz: Ja, weil dadurch Heim- und Klinikunterbringungen verhindert, hinausgeschoben oder verkürzt werden können.

Gibt es beim Einsatz von Hilfs- und Betreuungskräften aus Osteuropa finanzierbare und praktikable Alternativen zur illegalen Beschäftigung? Ist in solchen Fällen eine Finanzierung durch die gesetzliche Pflegeversicherung möglich?

Setz: Die Pflegestützpunkte verweisen Hilfesuchende in solchen Fallen an die Arbeitsagentur. Die Finanzierung einer häuslichen "Rund-um die-Uhr-Versorgung" durch die Pflegeversicherung ist gegenwärtig nicht möglich. Das könnte nur der Gesetzgeber auf der Bundesebene ermöglichen. Eine Finanzierung durch die Sozialhilfe ist dagegen schon nach geltendem Recht bei Bedürftigkeit denkbar, da es sich hierbei in der Regel um eine Hilfe zur Weiterführung des Haushalts handelt.

Wo sehen Sie noch besondere Probleme in der Arbeit der Pflegestützpunkte?

Setz: Bei der Vermeidung von Versorgungsbrüchen nach Klinikaufenthalten. Das Land ist hier gefordert, Umsetzungsimpulse für Überleitungshilfen zu forcieren. Die Pflegestützpunkte St. Wendel und Saarpfalz sind derzeit mit den Kliniken in ihrem Einzugsbereich im Gespräch, Vereinbarungen über die Verbesserung der Zusammenarbeit bei der Entlassung von Patienten zu erreichen.

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HintergrundDie Pflegestützpunkte sind gemeinsame Einrichtungen der Kranken- und Pflegekassen sowie der Landkreise. Sie werden unterstützt vom Land. Im Saarland gibt es in jedem Landkreis einen Pflegestützpunkt. Auf 100 000 Einwohner kommen jeweils drei bis vier Pflegeberater. Die Pflegeberatung der Stützpunkte ist flexibel ausgerichtet, damit auch Angehörige erreicht werden, die beruflich stark eingebunden sind oder ihren Lebensmittelpunkt nicht am Wohnort der Pflegebedürftigen haben. In manchen Fällen machen die Pflegeberater daher auch am späten Nachmittag, abends oder an einem Wochenendtag Hausbesuche. Eine wichtige Aufgabe der Stützpunkte besteht darin, den "Paragraphendschungel", dem sich viele pflegende Angehörige gegenübersehen, zu lichten. Sie informieren auch über mögliche Anpassungsmaßnahmen in der Wohnung sowie über die Aktivierung nachbarschaftlicher Unterstützung. Bei Bedarf organisiert der Stützpunkt auch deren "passgenauen" Einsatz. nof

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