Besuch in der Skid Row Am Samstag öffnet der „Kleine Horrorladen“

Neunkirchen · Wieder Musical erleben mit allen Sinnen. Ein Besuch in der Hauptprobe. Nur noch Karten für Sonntag erhältlich.

Seymour (Dennis Klein) präsentiert der entzückenden Audrey (Kristin Backes) die blutrünstige Audrey zwei.

Foto: Jörg Jacobi

Schon mal Downtown gewesen? Möglicherweise gar in der Skid Row, diesem ganz besonderen Stadtviertel von Los Angeles? Nein? Am Samstag und Sonntag ist es gar nicht weit bis dorthin. Man muss nur in die Gebläsehalle gehen - und schon ist man mittendrin.

Das Intensiv-Theater aus Saarbrücken - spätestens seit der Aufführung von „Jesus Christ Superstar“ in den Herzen der Musical-Liebhaber fest verankert - feiert hier Premiere mit seinem neusten Werk: „Der kleine Horrorladen“. Seit Montag leben die beiden Geschäftsführer Tim Ganter und   Jenny Theobald, ihre Assistin Géraldine Bernarding und die rund 30 Ensemble-Mitglieder quasi in der Neunkircher Gebläsehalle. „Wir sind so gegen 10 Uhr jeden Tag hier, proben bis 23 Uhr - und dann sind wir noch lange nicht fertig“, erzählt Bernarding der SZ am Abend der Hauptprobe.

Im Foyer ist die Arbeit unübersehbar. Philip Ternus ist hier zu Gange. Der 28-jährige Saarlouiser arrangiert Müllsäcke, schiebt Fässer hin und her - und ist guter Dinge. Ternus hat die Kulissen fürs Foyer gebaut (die auf der Bühne sind von Christian Held). Seit Mitte Juni war Ternus damit beschäftigt, im Garten der Eltern. Erschaffen wurden  ein kleiner Kiosk, „Schmendricks Shop“, an dem es unter anderem Süßigkeiten geben wird, zwei Wände, die die Skid-Row-Atmosphäre widerspiegeln und eine schöne alte Kinokasse. Unübersehbar gehört auch allerlei Grün zum Foyer-Inventar. Ternus verrät: „Das wird sich im Laufe des Stückes immer mehr ausbreiten.“ Denn - genau das ist beim Intensiv-Theater Programm - die Geschichte spielt sich nicht nur im Saale ab. Zehn Leute gehören zum Foyer-Team, werden während des Abends hier ihre Rollen spielen, den Zuschauern vor und nach der Show sowie in der Pause das Rundum-Theater-Erlebnis vermitteln. Fingerfood und Getränke inklusive. „Grün und Rot wird das in diesem Jahr sein“, so viel verrät Ganter schon mal, der gerade mit zwei mit grünen und roten Süßigkeiten bestücken Glasdosen auftaucht. Sie kommen in die Verkaufsbude. Ganter weiß, dass das beim letzten Mal gut ankam, das „gesunde, kreative und inszenierungsbezogene Fingerfood“. Theater für alle Sinne halt, wie es hier sein soll. Die kleine Bude ist mittlerweile mit Ballons verziert, zwölf Müllsäcke und vier Fässer haben ihren Platz gefunden. Bleibt noch ein Stapel Paletten. „Die kommen vermutlich in den Saal, dort werden wohl die Foyer-Leute während der Vorstellung ihre Rollen weiterspielen.“ Die Tansport-Eidechse steht bereit.

Zu den zehn Leuten Foyer-Ensemble kommen noch fünf vom Bühnenensemble, sieben Solisten, ein Kreativ-Team mit sieben Leuten und eine sechsköpfige (Dirigent inklusive) Rockband. Letztere ist kurz vor 20 Uhr schon auf den Plätzen - im linken Bühnenbereich, vom Geschehen durch Bauzaun-Gitter „getrennt“. Alle anderen haben noch dies und das zu erledigen, bevor es zur hochkonzentrierten Durchlauf-Probe geht. Die elfjährige Ella Fritz nimmt’s ganz entspannt. Es ist bereits ihr drittes Jahr beim Intensiv-Theater, bis abends spät dabei zu sein, damit hat sie keinen Stress, wie sie verrät. Ein Skid-Row-Mädchen ist sie dieses Mal, die Nalbacherin. Bevor es in Position hinter die Bühne geht, fängt Maja Storbeck die junge Dame ab. Storbeck macht die Maske, hat direkt hinterm Bühnenaufgang eine Schnell-Schmink-und-Puder-Station für zwischendurch. Das eigentliche Schminken findet in den Garderoben-Räumen statt. Ein junger Mann mit Bauchladen kommt vorbei. Und richtig, da ist sie ja, die kleine Ausgabe von Audrey. In riesig groß steht sie hinter der Bühne bereit. Die einzelnen Pflanzen hat man sich ausgeliehen an verschiedenen Stellen, wie Ganter verrät. Der ausgewachsene Teil beispielsweise kommt vom Theater Trier. Nachgerüstet von Bühnenbildner Held.

Ganter ist guter Dinge an diesem Probenabend, alles läuft. Die Mischung Profis-Amateure funktioniere einfach, sagt er der SZ. „In der Halle hier, in der Stadt überhaupt, da fühlen wir uns sehr wohl.“ Es sei schließlich nicht selbstverständlich, dass eine Stadt ein solch großes Herz fürs Musical habe. „Dass wir die Premiere nun hier feiern, das passt ganz einfach.“ Mit der Stadt hat man sich deshalb auch noch mehr verbandelt. Theaterpädagogin Theobald gibt im Herbst verschiedene VHS-Kurse. Und Planungen fürs nächste Jahr stehen auch schon: Ein Konzert für alle Sinne und ein Kindertheater-Ensemble. Die vorbeieilende Audrey eins holt Ganter in die Gegenwart zurück. Kristin Backes, den Neunkirchern bestens bekannt unter anderem aus dem Musical „Stumm“, eilt vorbei. Im kleinen Schwarzen und blond perückt. Die Lieder kennt die Hauptdarstellerin aus den Musical-Workshops der Musical-Schule. „Aber da war ich immer noch zu jung“, erinnert sich die 19-jährige Lehramts-Studentin. Jetzt endlich aber darf sie singen, eines ihrer Lieblingsstücke „Ein Häuschen im Grünen“ beispielsweise. „Dabei: am besten gefällt mir das Lied von Audrey zwei ‚Gib’s mir’“, verrät sie. Deren „Züchter“ kreuzt gerade den Weg. Dennis Klein ist die - wie er ihn nennt - „arme Socke“ Seymour. Wer genau guckt, erkennt es: Ja, beim letzten Mal war der 27-Jährige noch Jesus. Im echten Leben wohnt er in Schoden bei Saarburg und studiert Pädagogik in Trier. Mit seiner Figur hat er Mitleid, ist aber happy, die Rolle zu haben. „Als ich gelesen habe, dass das gespielt wird, da habe ich gleich gedacht, da gehe ich zum Casting.“

Doch schon ist genug geredet. Alle Mann bereit - die Musik beginnt, die Downtown-Girls Lisa Helfer, Sophia Buhl und Bianca Basler haben schon das Silberne an - der Vorhang geht auf. Und eh man sich versieht ist man mittendrin, wird verzaubert von der entzückenden Audrey, hat Mitleid mit dem tolpatschigen Seymour, gönnt dem bösen Zahnarzt (Rouven Wildegger-Bitz) sein Schicksal von Herzen. Noch sind die 800 Plätze der voll bestuhlten Halle leer. Nur ganz wenige sind nach Downtown gereist an diesem Probenabend. Wie verzaubert werden wohl erst die Besucher der beiden Vorstellungen sein?

Übrigens: Einige wenige Karten für die Vorstellung am Sonntag gibt es noch: www.intesnivtheater.de/tickets