Merzig Weihnachten auf der anderen Seite des Ozeans

Schülerin Maiken Klinke aus Merzig erfüllt sich ihren Traum von Amerika und verbringt die Zeit bis Sommer 2018 in Maine. Für die SZ berichtet sie regelmäßig über ihren Alltag in den Staaten.

 An Heiligabend hängen viele Kinder in den USA „stockings“ (Strümpfe) auf, damit Santa Claus diese über Nacht mit Geschenken befüllt.

An Heiligabend hängen viele Kinder in den USA „stockings“ (Strümpfe) auf, damit Santa Claus diese über Nacht mit Geschenken befüllt.

Foto: Maiken Klinke

Weihnachten ist ein sehr bedeutendes religiöses Fest. Es ist das Fest der Liebe, welches die meisten gemeinsam mit Familie und Freunden verbringen. In vielen Köpfen von uns Europäern ist die Vorstellung von Weihnachten in Amerika von Kitsch und übertriebener Lichterdekoration geprägt. Ob das wirklich so ist, konnte ich erleben. Das diesjährige Weihnachtsfest habe ich anstatt mit meiner Familie in Deutschland mit meiner Gastfamilie an der amerikanischen Ostküste in Maine verbracht. Für viele ist es unvorstellbar, Weihnachten nicht bei der eigenen Familie sein zu können. Von den amerikanischen Bräuchen und meinen Erfahrungen mit Weihnachten fern von Deutschland und meiner Familie möchte ich in diesem Artikel erzählen.

Das Weihnachtsfest wurde erst im 19. Jahrhundert in den Vereinigten Staaten zunehmend beliebter, als mehr und mehr Europäer ihre Traditionen mitbrachten. Zu diesem Fest gehören heute viele verschiedene Bräuche, so verschieden wie auch die Einwohner Amerikas sind, die aus ganz unterschiedlichen Ecken der Welt stammen. Zu den „importierten“ US-amerikanischen Weihnachtsbräuchen gehören zum Beispiel das Aufhängen von Mistelzweigen (England), das Schmücken des Kamins mit Weihnachtssternen (Mexiko) oder das Aufstellen und Schmücken eines Nadelbaumes (Deutschland).

Heutzutage erstrahlen in den USA viele Häuser und auch manche Geschäfte schon im Oktober im Weihnachtsglanz. Viele stellen sich die amerikanische Dekoration sehr kitschig und überladen vor, mit Plastiktannenbäumen, Lichterketten und viel zu vielen bunten Figuren am Baum. Dies ist zwar nicht überall so üblich, aber tatsächlich fällt die Dekoration im Allgemeinen schriller, bunter und pompöser aus als wir es in Deutschland gewohnt sein mögen. Der Großteil der Amerikaner betreibt tatsächlich einen großen Aufwand, viele dekorieren ihre Häuser neben Lichterketten und vielen verschiedenen Figuren mit allem, was glänzt und glitzert. Auch manche Krippenszenen werden im Vorgarten nachzustellen versucht. Die Mühe, die die Hausbesitzer in die Dekoration ihrer Häuser stecken, und die Ergebnisse sind mitunter atemberaubend.

Dass es auch schlichter geht, erlebte ich in meiner Gastfamilie. Es muss nicht immer extrem überladen und kitschig sein. Allerdings war das nicht auf die Großfamilie zu übertragen, wie ich in der Adventszeit auf einem Familientreffen erleben sollte. Für Menschen in der ganzen Welt ist Weihnachten die Zeit des Schenkens und Beschenktwerdens. So gehören die vier Wochen vor Weihnachten auch in den USA zu den umsatzstärksten des Einzelhandels.

Ein großer Unterschied zum deutschen Weihnachtsfest ist, dass der Heiligabend (Christmas Eve) in den USA nicht von so großer Bedeutung ist wie der Christmas Day (der erste Weihnachtstag). Dementsprechend wird nicht viel an Heiligabend unternommen. Nur einige besuchen einen Gottesdienst am Abend. Manche gehen auch zur Mitternachtsmesse zum Auftakt des ersten Weihnachtstages. Am Abend werden meist von den Kindern „stockings” (Strümpfe) an den Kamin oder ans Treppengeländer gehängt – in der Hoffnung, dass Santa Claus (der Weihnachtsmann) sie über Nacht mit Geschenken befüllt. Das Christkind ist in Amerika nicht bekannt. Nur Santa Claus schlüpft durch die Schornsteine und füllt die Strümpfe mit Geschenken. Manche Kinder stellen sogar ein Glas Milch und Kekse für den Santa bereit. Diese Tradition mit den „stockings” ähnelt unserer Tradition am Nikolausabend, an dem wir dem Nikolaus unsere Schuhe vor die Tür stellen.

Am Morgen des 25. Dezember werden reichlich Geschenke ausgepackt. Am Christmas Day gibt es dann auch das Weihnachtsfestessen. Zu diesem wird meist ein Truthahn serviert. In diesem Sinne unterscheidet es sich nicht sehr vom traditionellen Thanksgiving-Festmahl. Auch das Singen typischer Weihnachtslieder ist in den USA weit verbreitet. Viele mögen es auch, sich zu dieser Zeit all die Weihnachtsklassiker im Fernsehen anzuschauen. In Nordamerika stehen  dann eher „The Grinch” oder „A Christmas Story” auf dem Programm statt „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel”.

Meine Advents- und Weihnachtszeit verlief dieses Jahr etwas anders, als ich es aus Deutschland gewohnt bin. Zum Auftakt fuhren meine Gastschwester, mein Gastvater und ich Mitte Dezember in den Bundesstaat Connecticut in die Nähe der Stadt Hartford, wo sich auch das „Trinity College” befindet, welches meine ältere Gastschwester besucht. Dort besuchten wir eine große und „verrückte“ Weihnachtsfeier der Familie. Als wir das Haus betraten, konnte ich den Mund kaum schließen vor Staunen. Das Haus wirkte wie ein Dekogeschäft, jeder Zentimeter war geschmückt. In diesem Haus gab es so gut wie keine Ecke ohne Weihnachtsdekoration. Vor lauter unterschiedlich leuchtenden Lichtern, Weihnachtsmännern, Geschenken und Weihnachtsbäumen wusste man nicht, was man zuerst betrachten sollte. An Heiligabend besuchten wir Freunde und hatten ein gemeinsames Dinner (Abendessen). Anschließend gingen wir zu einem schönen Gottesdienst mit Kerzenschein und Weihnachtsmusik.

Der Christmas Day ist, wie bereits gesagt, der bedeutendste Weihnachtstag in den USA. Am Morgen wurden noch schnell einzelne Geschenke verpackt und unter den Weihnachtsbaum gelegt. Wir haben alle nett beisammen gesessen und uns gut unterhalten. Zuerst haben meine Gastschwester und ich zusammen unsere Geschenke ausgepackt, anschließend meine Gasteltern. Ich hatte eigentlich nicht erwartet, Geschenke zu bekommen, aber ich habe eine Menge erhalten. Das hat mich wirklich sehr überrascht, aber auch gefreut. Da wir gerade am ersten Weihnachtstag einen Schneesturm hatten, mussten wir darauf warten, dass der sich legte, damit wir zu den Großeltern väterlicherseits fahren konnten, um dort ein gemeinsames Festmahl zu haben. Während der Wartezeit hieß es, Schnee schaufeln und den frischen Schnee genießen. Eine weiße Weihnacht erleben wir im Saarland ja wirklich selten. Nachmittags war der Sturm vorbei gezogen, und wir konnten losfahren. Bei den Großeltern angekommen, haben wir zuerst gegessen, dann zusammen Gesellschaftsspiele gespielt und schließlich weitere Geschenke erhalten. Abends ging es wieder zurück, und meine Gastschwester, meine Gastmutter und ich haben uns einen typischen amerikanischen Weihnachtsfilm angeschaut.

 Eine originelle Leckerei zum Weihnachtsfest.

Eine originelle Leckerei zum Weihnachtsfest.

Foto: Maiken Klinke
 Die 16-jährige Maiken Klinken aus Merzig in ihrer neuen Heimat im US-Bundestaat Maine.

Die 16-jährige Maiken Klinken aus Merzig in ihrer neuen Heimat im US-Bundestaat Maine.

Foto: Maiken Klinke

Es war schon etwas ungewohnt, dieses große Fest ohne meine Familie zu zelebrieren und auf der anderen Seite der Welt zu sein. Aber ich habe eine tolle Weihnachtszeit mit meiner Gastfamilie verbracht und die amerikanischen Sitten zu Weihnachten kennenlernen dürfen.

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