Schmuggel statt Wirtschaftswunder im Saarland

Merzig · Kein Thema bewegt seit längerer Zeit die Gemüter im Land so sehr wie die durch die Flüchtlingskrise bedingte Masseneinwanderung nach Deutschland. In unserer Serie wird die Zuwanderung in die Merziger Region während der vergangenen 200 Jahre dargestellt. Heute geht es um die Zeit vom Kriegsende 1945 bis zur Saarabstimmung 1955.

Ungeachtet dessen ist die Integration der Millionen Flüchtlinge aus den Ostgebieten aus Historikersicht binnen weniger Jahre erstaunlich gut gelungen. Doch gab es im Grunde genommen auch gar keine andere Möglichkeit. Die Alliierten hatten zum einen schnell klargemacht, dass es für die Vertriebenen keine Chance auf eine Rückkehr geben würde. Auf der anderen Seite hatte das in Westdeutschland einsetzende Wirtschaftswunder die Integration so vieler Menschen wesentlich befördert.

Auch in unserer Region ließen sich im Lauf der Zeit Vertriebene und Aussiedler nieder. Allerdings geschah dies, abgesehen von Einzelfällen, nicht unmittelbar nach dem Kriegsende , sondern vielmehr erst nachdem das Saarland aufgrund der Saarabstimmung im Oktober 1955 am 1. Januar 1957 Teil der Bundesrepublik Deutschland geworden war.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges hatte Frankreich erneut versucht, seinen Einfluss an der Saar und im nun geschaffenen Landkreis Merzig-Wadern geltend zu machen. Am 15. Dezember 1947 hatte der Landtag die saarländische Verfassung in Kraft gesetzt. Dies war die Geburtsstunde des "eigenständigen" Saarlandes. Die Verfassung verfügte gleichzeitig jedoch den wirtschaftlichen Anschluss an die französische Republik, was auch die Währungs- und Zolleinheit mit Frankreich bedeutete.

Wirtschaftlich ging es ab diesem Zeitpunkt spürbar bergauf. Der wirtschaftliche Anschluss an Frankreich fand daher zumindest in den Anfangsjahren der Regierung Johannes Hoffmanns die Zustimmung der meisten Saarländer. Trotz der relativen Zufriedenheit der Saarländer in wirtschaftlicher Hinsicht nahm mit Beginn der 1950er Jahre die Kritik an der in der Verfassung des Saarlandes festgeschriebenen, fast ausschließlichen Ausrichtung der saarländischen Politik an Frankreich zu.

In der Bundesrepublik hatte nämlich das begonnen, was später als deutsches "Wirtschaftswunder " bezeichnet worden ist. Das Saarland blieb jedoch von dieser Entwicklung abgekoppelt. In Deutschland waren nun Waren zu erhalten, die es damals an der Saar überhaupt nicht gab oder die hier wesentlich teurer waren. Dies hatte zwischen dem Bundesgebiet und dem Saarland ein wirtschaftliches Gefälle zur Folge, das geradezu zum Schmuggeln herausforderte.

Am 23. Oktober 1955 fand dann erneut eine Volksabstimmung im Saarland um das so genannte Saarstatut statt. Es sah für das Saarland die grundsätzliche Fortdauer der französisch-saarländischen Wirtschafts- und Währungsunion bei einer fortschreitenden Erweiterung der saarländisch-deutschen Wirtschaftsbeziehungen vor. Im Kreis Merzig-Wadern lag die Wahlbeteiligung bei 96,4 Prozent. 67,33 Prozent hatten mit "Nein" gestimmt, 32,67 Prozent mit "Ja".

Das Wirtschaftswunder , das zu Beginn der 1950er Jahre eingesetzt hatte, führte, was die Einwanderung nach Deutschland betraf, zu einem weiteren großen Schub. Dieser rasante Wirtschaftsaufschwung hatte zur Folge, dass ein Mangel an Arbeitskräften gegeben war. Im Dezember 1955 hatte die Bundesrepublik daraufhin mit Italien das erste Anwerbeabkommen geschlossen. Es folgten Verträge mit Griechenland, Spanien, der Türkei, Marokko, Portugal, Tunesien und Jugoslawien. 1973 wurde dann infolge der Ölkrise jedoch ein Anwerbestopp verhängt.

< Wird fortgesetzt.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort