Maria und der Kreuzweg

Merzig · Ich sitze in der wunderschönen kleinen barocken Wallfahrtskapelle im Merziger Stadtteil Harlingen. Eine einfache Marienfigur mit dem kleinen Jesus auf dem Arm fängt meinen Blick sofort ein. Freundlich - ja idyllisch zeigt sich das Bild! Warm und einladend hell wirkt auch das ganze Innere der Kapelle.

Und doch wandert mein Blick irgendwie ganz schnell auf die 14 Kreuzwegstationen, die Bilder an den beiden Seitenwänden des kleinen Gotteshauses. Zwar sind die Rahmen noch barock und in die Kapelle passend eingefügt. Aber irgendwie scheinen die gemalten Szenen der Stationen nicht hierhin zu passen, in diese freundliche und frohe Athmosphäre.

Die rote und die schwarze Farbe sind es zuerst, die mich an den Bildern anziehen. Und dann sind es die vielen kleinen Einzelheiten und Details in den einzelnen Stationen, die mich faszinieren.

Ich entdecke in einem Bild das Datum 11. September 2001. An diesem Tag sind die beiden Flugzeuge in New York ins World Trade Center geflogen und haben auch ein Teil unserer Welt zum Einsturz gebracht.

Jesus, der unter seinem Kreuz fällt, zeigt diese Station. Und das über ihn stürzende Kreuz sind die einstürzenden Doppeltürme aus New York.

In einem anderen Bild entdecke ich ein Datum aus dem Jahr 1938. Nicht nur in Merzig, in vielen Orten Deutschlands brennen 1938 die Synagogen . Ein denkwürdiger und schmerzvoller Tag! Jesus, der verspottet wird, zeigt diese Station in Harlingen. Jesus, der in seinen jüdischen Mitschwestern und Mitbrüdern - ganz konkret in unserer Stadt, verspottet wird!

Meine Blicke wandern von Bild zu Bild und immer mehr Einzelheiten entdecke ich, die die Botschaft eines leidenden Jesus mit dem Leid heute verbinden. Mit dem großen und kleinen Leid.

Der im Jahr 2013 an Ostern verstorbene Künstler Ernst Alt hat die 14 Kreuzwegstationen geschaffen - eigens für diese Kapelle.

Und je mehr ich von Station zu Station des Kreuzwegs wandere, umso mehr merke ich, wie Ernst Alt es geschafft hat, dass seine Bilder eben nicht Fremdkörper in dieser beschaulichen kleinen barocken Kapelle sind. Nein - dieses konkrete Leid in unserem Leben, in unserem Alltag ist Wirklichkeit. Wirklichkeit ist aber auch eine freundliche und einladende Maria mit ihrem Sohn. Und je länger ich in der Harlinger Kapelle sitze und beides sehe, spüre ich die Botschaft Jesu immer deutlicher: das Leid hebe ich nicht auf, aber ich trage euer Leid mit!

Christian Schöneberger ist als Gemeindereferent in der Pfarreiengemeinschaft Merzig St. Peter tätig. Die Kinder in der Grundschule Brotdorf und der Kreuzbergschule Merzig kennen ihn nach seinen Wortem aus dem Religionsunterricht . Neben Erstkommunion- und Firmvorbereitung sind Jugendarbeit und Verbindung zu den Kindergärten Schwerpunkte seiner Arbeit.

Christian Schöneberger ist verheiratet und hat drei erwachsene Söhne.

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