„Keine Panik, selbst wenn es Milzbrandsporen wären...“

Merzig · Was tun, wenn man weißes Pulver in einem Brief entdeckt? Und welche Gefahr ginge von echtem Anthrax aus? Professor Daniel Grandt, Chefarzt am Klinikum Saarbrücken, erklärt dies im Gespräch mit SZ-Redakteur Johannes Schleuning. Grandt gehörte lange zu einer Arbeitsgruppe des Robert Koch-Instituts, die sich unter anderem mit der Frage befasste, wie man angesichts bioterroristischer Bedrohungen die Post der Bundeskanzlerin behandelt.

Herr Professor Grandt, haben Behörden und Rettungskräfte richtig auf die Funde der Briefe mit weißem Pulver im Neunkircher und Merziger Rathaus reagiert?

Grandt: Wenn der Verdacht auf einen bioterroristischen Anschlag besteht, muss zunächst einmal alles getan werden, um die Betroffenen, die Umgebung und die Helfer vor möglichem Schaden zu bewahren. Rückblickend kann man das natürlich nicht von dem her beurteilen, was dann schließlich herausgefunden wurde: im Neunkircher Fall etwa, dass es Maismehl war. Sie würden ja auch nicht nach einer längeren Autofahrt sagen, weil nichts passiert ist, war's eigentlich unnötig, sich bei der Fahrt anzuschnallen. Unbehandelt ist der durch Einatmen von Anthraxsporen verursachte Milzbrand immer tödlich.

Ab wann kann man in so einem Fall Entwarnung geben?

Grandt: Wenn sich der Verdacht auf Anthraxsporen konzentriert, ist schon vieles einfacher. Erstens: Es gibt keine Übertragung von Mensch zu Mensch, Quarantäne ist damit nicht erforderlich. Zweitens: Man muss mindestens 50 000 Sporen einatmen, um zu erkranken. Drittens: Es vergehen 10 bis 60 Tage zwischen Infektion und Erkrankung. Eine in dieser Zeit begonnene, korrekt durchgeführte Antibiotikatherapie schützt vor dem Ausbruch der Erkrankung.

Wie lange dauert die Analyse eines verdächtigen Pulvers?

Grandt: Für Probentransport und Analyse muss man einen halben bis maximal einen Tag rechnen.

Kommt man denn einfach so an Anthrax ran?

Grandt: Nein, die Milzbrandsporen, mit denen 2005 das Pentagon angegriffen wurde, stammten aus amerikanischen Armee-Laboratorien. Dieser Kampfstoff ist übrigens braun, nicht weiß.

Was raten Sie Menschen, die einen Brief mit Pulver geöffnet haben?

Grandt: Nicht noch andere in den Umschlag gucken lassen, sondern wieder verschließen. Nicht probieren, wonach das schmeckt. Das Gesundheitsamt anrufen. Und keine Panik: Selbst wenn es Milzbrandsporen wären, kann eine Erkrankung verhindert werden.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort