Müll und Zerstörungswut in Neunkirchen Neunkircher fordert Kultur des Hinschauens

Neunkirchen · Vandalismus geht alle an. Ein Anlieger des Neunkircher Wagwiesentals fordert die Menschen in der Stadt auf, sich einzumischen oder Behörden zu kontaktieren, wenn sie sehen, dass sich Zeitgenossen danebenbenehmen.

 Vandalismus im Wagwiesental: Anwohner Frank Krämer-Baumann ist mit seinem Elektrorollstuhl öfter in der Anlage unterwegs und macht auch schon mal Müll weg mit dem Greifer, den er in einem Köcher hinter sich mitführt.

Vandalismus im Wagwiesental: Anwohner Frank Krämer-Baumann ist mit seinem Elektrorollstuhl öfter in der Anlage unterwegs und macht auch schon mal Müll weg mit dem Greifer, den er in einem Köcher hinter sich mitführt.

Foto: Michael Beer

Wilder Müll und Zerstörungswut sind keine spaßigen Themen. Wenn Frank Krämer-Baumann (54) in seinem Elektrorollstuhl aber durch das Neunkircher Wagwiesental führt und darüber berichtet, was ihm in der Parkanlage an Vandalismus schon alles untergekommen ist, dann hat er dennoch viele spaßige Kommentare parat. Und erzählt wie ein Wasserfall. Man sage ihm nach, er sei ein bisschen verrückt. „Wir sind da anderer Meinung“, schiebt er hinterher und lacht herzhaft. Er wolle sich selbst nicht in den Mittelpunkt stellen, sagt der Neunkircher zu Beginn des Gespräches. Es gehe ihm um die Sache. Und darum, dass Bürger mehr Flagge zeigen und sich einmischen, wenn Dinge schieflaufen. Wenn Leute ihre Essensverpackungen oder Getränkedosen neben der Parkbank liegen lassen, wenn sie Abfalleimer aus ihrer Verankerung reißen oder mit dem Auto auf dem Grün des Wagwiesentals die Reifen durchdrehen lassen etwa. Das habe er alles schon gesehen.

Beispiel Blumenwiese am unteren Eingang zum Wagwiesental nahe der Bliesstraße. Der kniehohe Holzzaun rund um das kleine Areal, das die Bürgerinitiative Neunkirchen Stadtmitte (BINS) pflegt, ist an einigen Stellen zerstört. Mit viel Wucht müssen diejenigen, denen die Einfriedung ein Dorn im Auge war, auf die Holzlatten gesprungen sein, um sie zu zerbrechen. „Der Bauhof der Stadt leistet hier wirklich gute Arbeit, er hat schon mehrfach die Latten am Zaun erneuert.“ Aber ein paar Tage später seien sie wieder kaputt. Krämer-Baumann schaut in Richtung der Häuser, vielleicht 30 Meter entfernt. Es könne ihm keiner erzählen, dass niemand etwas davon mitbekomme, wenn wieder und wieder dieser Zaun zerstört werde. „Warum rufen die Leute nicht wenigstens die Polizei?“ Ein paar Meter weiter weist er vor einem Klettergerüst auf die leere Halterung eines Mülleimers. Rausgerissen. Er habe auch schon gesehen, dass ein Müllgefäß mitsamt Fundament aus der Senkrechten gebracht worden sei. Oder noch weiter oben im Park eine Laterne so schief stand, dass er Sonntagmorgens den Bauhof alarmierte, weil das ramponierte Teil womöglich auf Spaziergänger hätte fallen können.

Achmet Achour ist Leiter des Zentralen Betriebshofes der Stadt. Er bezeichnet Krämer-Baumann als „sehr engagierten Menschen“. Es sei schon schwierig für das Team des Betriebshofes, mit den Verwüstungen umzugehen. Achour: „Uns macht das sehr, sehr traurig.“ Schließlich sorge man dafür, den Park wie auch alle anderen öffentlichen Flächen in der Stadt in einen guten Zustand zu bringen und halten. Im Moment sieht er wachsenden Vandalismus, der wohl in großen Teilen der Pandemie geschuldet sei. Er selbst sei seit 26 Jahren in der Stadtverwaltung beschäftigt. Seit Februar 2020 leite er den Zentralen Betriebshof und sei stolz auf die Mannschaft, die trotz aller Widrigkeiten engagiert ans Werk gehe.

Wagwiesental-Anwohner Krämer-Baumann hat während der Runde durch den Park einige Hustenattacken. Er leidet unter COPD, ausgeschrieben Chronisch obstruktive Lungenerkrankung. Früher war er Rettungssanitäter, erzählt er, aktiv bei der Freiwilligen Feuerwehr. Das ist wegen der Erkrankung alles vorbei. An seinem Elektrorollstuhl hat der Anlieger eine Greifzange. Wenn er durch den Park fährt, sammelt er auch Müll auf. Im vergangenen Jahr habe er am Rondell oberhalb der Skateranlage einmal 277 Pappbecher mit Helfern aufgesammelt nach einem Gelage. Was er selbst nicht schafft, meldet er an den Baubetriebshof weiter. Die jungen Leute an der Skateranlage, sagt Krämer-Baumann, habe er „im Griff“. Er spreche sie ganz offen an, wenn sie ihren Unrat verstreuten: „Man muss wissen, wie mit ihnen umzugehen ist. Ich kanzele niemanden von oben herab ab.“ Er sei im Park auch schon mal mit einem Messer bedroht worden. Angst habe er aber nicht. „Ich habe Respekt, aber keine Angst.“ Sein Leben liege in Gottes Hand.

 Das Rondell im Wagwiesental. Dort wird oft gefeiert.

Das Rondell im Wagwiesental. Dort wird oft gefeiert.

Foto: Michael Beer
 Eine Schranke vor der Handballhalle verhindert, dass nachts Autos ins Wagwiesental fahren.

Eine Schranke vor der Handballhalle verhindert, dass nachts Autos ins Wagwiesental fahren.

Foto: Michael Beer

Im oberen Teil des Parks auf Höhe der Handballhalle haben nach seinen Worten im vergangenen Jahr Rabauken mit ihren Autos Rennen auf den Wiesen gefahren. Das geht heute nicht mehr. Der Anwohner zeigt eine Schranke, erst ein paar Wochen alt, die über Nacht die Zufahrt verhindert. Die Stadt habe sich des Problems angenommen und einen Riegel vorgeschoben. Sie kümmere sich intensiv, sagt Krämer-Baumann. Allerdings ist er sich sicher: Jeder muss hinschauen. Wer sich nicht traue, etwas zu sagen, könne ja die Behörden anrufen. Aber nur alle zusammen könnten dem Problem begegnen.

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