Hilfe statt Werbung

Merzig · Geschäftsführer Ingo Repplinger geht das Schicksal von Flüchtlingen nahe. Er spendet nicht nur Geld, er stellt auch die Syrerin Samah Hamwi, die eigentlich nur ein Praktikum machen sollte, fest im Betrieb ein.

 Die Syrerin Samah Hamwi (v. r.), hier mit ihren Kolleginnen Dafina Hoti und Jana Oswald, freut sich über die Festanstellung. Foto: rup

Die Syrerin Samah Hamwi (v. r.), hier mit ihren Kolleginnen Dafina Hoti und Jana Oswald, freut sich über die Festanstellung. Foto: rup

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Wie in jedem Jahr sollten die Kunden von Regler Office in Beckingen auch für 2016 einen Werbekalender erhalten. Nur dass 2015 kein gewöhnliches Jahr ist. In den finalen Vorbereitungen, kurz bevor der Kalender in Druck gehen sollte, bekam Geschäftsführer Ingo Repplinger dieses eine Bild nicht mehr aus dem Kopf. Das des toten Flüchtlings-kindes, das im türkischen Bodrum an den Strand gespült worden war, ein Foto, das über Medien und Netzwerke durch die Welt ging. "Ich habe mich innerlich gegen diesen Werbekalender gesperrt", sagt Repplinger: "Solange Menschen, Kinder ihr Leben lassen und aufs Spiel setzen, weil sie vor Krieg, Not und Hoffnungslosigkeit fliehen, werden wir kein Geld für Papier ausgeben."

Deshalb beschloss er, im Einklang mit seiner Belegschaft, die dafür vorgesehenen 2500 Euro zu spenden. Und Repplinger ging noch einen Schritt weiter: Die 38-jährige Syrerin Samah Hamwi sollte zunächst ein Schnupperpraktikum machen, doch Repplinger hat sie kurzerhand eingestellt. Seit dem 1. November, "fest, unbefristet und ohne Probezeit". "Ich wusste nach drei Sekunden, dass ich sie einstellen werde", sagt Repplinger. Eine Bauchentscheidung. Ähnlich spontan wie der Beschluss, mit den 2500 Euro, die für die Produktion der Kalender geplant waren, Sprachkurse zu unterstützen. Davon profitieren die Christliche Erwachsenenbildung (CEB) in Merzig (2000 Euro) und die Caritas für die Region Trier (500 Euro).

"Wir sind ein Unternehmen, das für regionales Engagement steht", sagt Repplinger , "ob für Menschen, die hier verwurzelt sind oder Menschen, die hier eine neue Heimat suchen." Dem würden sich das Unternehmen verpflichtet fühlen. Auch bei der großen Aufgabe, die der Region mit der Integration der Flüchtlinge bevorsteht. Tatsächlich wird deutlich, dass er persönlich von der Richtigkeit seiner Entscheidung überzeugt ist und eigenen Angaben zufolge mit seinem Engagement nicht aufhören wird. Kein "eigentlich" oder "vielleicht" in seiner Stimme, kein "oder so", das Zweifel entstehen lassen könnte. "Weil ich mit Menschen aus einem anderen Kulturkreis nur positive Erfahrungen gemacht habe", betont er.

Diese Begegnungen mit Menschen unterschiedlicher Herkunft geben ihm eine innere Sicherheit. "Wir erleben das Geschenk der Vielfältigkeit hautnah. Samah Hamwi hat unsere Arbeitswelt ein Stück bunter gemacht", sagt Repplinger, "und was sie an Motivation und Dankbarkeit an den Tag legt, habe ich vorher noch nicht gesehen." Tatsächlich spricht Hamwi, die vor knapp einem Jahr mit ihren beiden Söhnen Ahmed (14 Jahre) und Tarek (13) nach Deutschland kam, schon sehr gut deutsch. Nur hin und wieder fragt sie nach einzelnen, ihr unbekannten Wörtern, strahlt dabei aber eine Offenheit aus, die eine Verständigung leicht macht und immer Platz für ein Lächeln lässt. So sehr ihre Geschichte auch zum Nachdenken anstößt.

"Ich bin sehr froh über das Vertrauen", sagt Hamwi. Schon in Syrien hat sie als Grafikdesignerin gearbeitet, hat Informatik, Grafik- und Modedesign sowie Englisch studiert. In dem kleinen Dorf Bethingen hat sie von Anfang an nur positive Erfahrungen gemacht, sodass sie sich schon "zu Hause fühlt". "Die Nachbarn, alle in unserem Ort sind sehr freundlich und haben uns offen empfangen", sagt sie, "meine Söhne sind sogar schon bei der Feuerwehr". Doch obwohl sie sich hier wohl fühlt, wirkt sie immer ein wenig hin- und hergerissen. Beunruhigt, weil der Großteil ihrer Familie noch in Syrien ist: "Je länger der Krieg in Syrien dauert, desto schwieriger wird es auszureisen. Es wird immer gefährlicher und immer teurer."

Doch ihren Sorgen um die Familie mit fünf Brüdern und vier Schwestern stehen Dankbarkeit und Glück gegenüber. "Für mich ist es ein Wunder, hier zu sein", sagt sie glücklich, "weil meine Söhne hier weit weg sind von dem, was in Syrien passiert" und sie einfach Kinder sein können. Weil die beiden in Merzig und Orscholz die Schule besuchen können. Weil sie hier in Sicherheit sind und eine Perspektive haben. Dazu fehlt ihr nur noch eines: "Dass mein Mann herkommen kann", sagt sie, "und wir hier zusammen neu anfangen können". Die Syrerin Samah Hamwi (v. r.), hier mit ihren Kolleginnen Dafina Hoti und Jana Oswald, freut sich über die Festanstellung. Foto: rup

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