Haustadt Es gilt, das Leben auszukosten – jeden Tag neu

Ein Anruf an einem Freitagnachmittag im Ambulanten Hospiz- und Palliativberatungszentrum. Die Ehefrau eines 51 jährigen krebskranken Mannes hat den Kontakt zu uns gesucht. Es ginge ihm heute sehr schlecht, ob denn jemand vorbei kommen könnte?

Ein Anruf an einem Freitagnachmittag im Ambulanten Hospiz- und Palliativberatungszentrum. Die Ehefrau eines 51 jährigen krebskranken Mannes hat den Kontakt zu uns gesucht. Es ginge ihm heute sehr schlecht, ob denn jemand vorbei kommen könnte?

Gleich von Anfang an, ist das Gespräch zwischen den Ehepartnern und mit mir sehr offen. „Ich weiß, dass ich sterben werde“, sagt er und blickt mich dabei fest an. Ich erkläre ihm, dass wir jetzt gemeinsam überlegen sollten, was er denn braucht und auch, was er selbst will.

„Was heißt denn eigentlich palliativ – was darf ich denn jetzt noch machen?“ Wieder der feste fordernde Blick. „Alles, was geht“, ist die Antwort, die mir spontan über die Lippen kommt. „Ich möchte noch ein paar gute Tage!“ Er wolle in jedem Fall weiter unter Leute, auch im Rollstuhl, das sei ihm egal, auf den Sportplatz, zu seiner Familie, auf die Kirmes. Ich unterstütze ihn und seine Frau bei diesen Gedanken und stärke sie darin, das auch umzusetzen.

Beide begrüßen es, dass eine Hospizhelferin regelmäßig zu Besuch kommt. Der diesjährige Sommer wird voll ausgelebt. Die Kirmes mit der Rostwurst, das Grillfest bei Freunden, das große Frühstück bei ihnen und auch der 90. Geburtstag seiner Mutter.

Zwischendrin kommen immer wieder Schmerzen, der Gang ins Bad wird beschwerlich, das Haus verlassen unmöglich. Bei einem weiteren Besuch liegt Herr D. sehr hager im Pflegebett, er beteiligt sich wenig am Gespräch. Wieder stehen Kuchenplatten und Servierteller überall. „Ich bin 50 geworden“, sagt Frau D., „alle Freunde haben gesagt, egal ob ich feiere oder nicht, sie werden zum Gratulieren kommen und so hatten wir wieder einmal volles Haus!“ Ihr Mann habe zwischendrin oft schlafend auf dem Bett gelegen, aber das sei völlig in Ordnung gewesen. Jeder habe etwas mitgebracht zum Essen und es war laut und viel Gespräch und Musik und Lachen und mittendrin auch Momente der tiefen Traurigkeit. Die Begleiterin war am Fest dabei und überhaupt sei sie eine ganz wichtige Person geworden. Sie bliebe mit ihrem Mann alleine und da müsste man sich gar keine Sorgen machen. Man könne sie immer anrufen, so verlässlich und so eine Ruhe, die sie ausstrahle. Auch ihr Mann habe tiefes Vertrauen gefasst.

Zehn Tage später ist Herr D. verstorben - natürlich hat er auch geregelt, wie seine Beerdigung ablaufen soll, es soll gefeiert werden!

Eine beeindruckende Begegnung, die mich lehrt, dass es gilt, das Leben auszukosten, das Leben zu feiern, jeden Tag neu.

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