Zum Tag der Pressefreiheit Mehr Medienkompetenz und ein Internet-Knigge gegen Hass im Netz

Saarbrücken · „Wie kommen wir zu einem neuen digitalen Miteinander?“, fragte am Sonntag eine prominent besetzte Online-Matinée der Landesmedienanstalt (LMS) in Saarbrücken.

Gegen Hass und Hetze im Netz: Medienkompetenz stärken
Foto: dpa/Lukas Schulze

Immer mehr Hass und Hetze in sozialen Netzwerken wie Facebook und Twitter bis hin zu Mord- und Vergewaltigungsdrohungen gegen Politiker, Journalisten oder Nachbarn: „Was können wir alle tun dagegen – wie kommen wir zu einem neuen digitalen Miteinander?“, fragte am Sonntag zum Internationalen Tag der Pressefreiheit eine prominent besetzte Online-Matinée der Landesmedienanstalt (LMS) in Saarbrücken. Sie zeigte eine breit gefächerte Palette von Lösungsmöglichkeiten auf, die von besseren Verhaltensregeln im Internet, über mehr Medienkompetenz von Jung und Alt bis hin zu stärkerer Kontrolle der werbefinanzierten Netzwerkbetreiber sowie mehr Aktivitäten von Polizei, Justiz und Staatsschützern gegen kriminelle Hetzer reichte.

Der Präsident des Saarländischen Städte- und Gemeindetages, der Tholeyer Bürgermeister Hermann Josef Schmidt (CDU), sagte, wegen der in Corona-Zeiten noch zunehmenden Zahl von Hetzern, Bedrohern und Verschwörungstheoretikern im Internet fänden sich bald keine Kandidaten für haupt- und ehrenamtliche kommunalpolitische Ämter mehr. „Der Maschinenraum der Demokratie gerät in Gefahr“, meinte er. Er verlangte eine Art Internet-Knigge mit Verhaltensregeln, „und mehr darüber in der Gesellschaft zu sprechen, wie man miteinander umgeht“. Auch Medienleute würden zunehmend bedroht, litten deswegen teils unter Depressionen und bräuchten Schutz auf Demonstrationen, berichtete der Vorsitzende des Deutschen Journalistenverbands (DJV), Frank Überall: „Wir erwarten von jedem Medienunternehmen jetzt Schutzkonzepte.“ Die Stimmung unter den Journalisten sei jedenfalls „sehr aufgeheizt“. Der Vorsitzende der Siebenpfeiffer-Stiftung für mehr Pressefreiheit, der Homburger Landrat Theophil Gallo (SPD), erinnerte daran, dass früher mutige Menschen gegen die Obrigkeit für mehr Freiheit vorgegangen seien, man aber heute angesichts der Hetzkampagnen eher mehr gesellschaftlichen Konsens und Staatschutz brauche. Die Grünen-Politikerin und Netzaktivistin Marina Weisband (früher Geschäftsführerin der Piratenpartei), berichtete, wie sie als Jüdin im Netz ständig Frauenfeindlichkeit und Antisemitismus, aber auch Hass auf Politiker und organisierte Angriffe in Netzwerken wie Facebook und Twitter erlebe. Da diese über Werbung gewinnorientiert arbeiteten, griffen über Algorithmen gesteuerte Kontrollmechanismen nur sehr bedingt. „Inhalte von Facebook und Twitter müssen von anderen unabhängigen genossenschaftlichen Netzwerken aus lesbar und überprüfbar sein“, verlangte sie.

Einig waren sich die Experten in der Online-Runde, zu der sich  LMS-Direktorin Ruth Meyer (CDU), der neue SR-Intendant Martin Grasmück und Saar-Bildungsministerin Streichert-Clivot (SPD) sowie mehr als 80 Zuschauer gesellten, dass bessere Medienkompetenz samt Erkennen von Fake News und Verschwörungstheorien vom Kindesalter an bis hin zur Seniorengeneration 50 plus mehr und besser vermittelt werden muss. „Wir brauchen ein Gegenhalten der gesamten Zivilgesellschaft gegen Hass und Hetze“, hieß es. Netzaktivistin Weisband zeigte sich skeptisch, ob bessere Medienkompetenz allein gegen Verschwörungstheoretiker helfe.

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