Neue SZ-Serie: Saarland 2050 Wie die Klimakrise unser Leben im Saarland verändern wird

Serie · Hitzewellen, Waldbrände, Dürre: Die globale Erwärmung ist bereits jetzt zu spüren. Doch mit welchen Folgen des Klimawandels müssen wir noch rechnen – und wie können wir uns davor schützen? In der Serie „Saarland 2050“ wirft die SZ einen Blick in eine nicht allzu weit entfernte Zukunft. Erster Teil: Wie wird sich das Klima entwickeln?

 Nur eine Seite des Klimawandels: Flüssen fehlt durch anhaltende Trockenheit oftmals Wasser.

Nur eine Seite des Klimawandels: Flüssen fehlt durch anhaltende Trockenheit oftmals Wasser.

Foto: dpa/Patrick Pleul

Zukunftsprognosen sind mit Vorsicht zu genießen. Um das zu erkennen, genügt ein Blick in die Vergangenheit: Das 21. Jahrhundert hatte gerade erst begonnen – da war in den Medien schon von einem „Jahrhundertsommer“ die Rede. Auch bei der SZ.

„Insgesamt herrschte im Juli ideales Hochsommerwetter“, war am 20. August 2003 in einer Lokalausgabe zu lesen. „Zusammen mit der Rekord-Hitze im August – das lässt sich jetzt schon sagen – wird der Sommer 2003 zu einem einmaligen Jahrhundertsommer werden. An ihm und seinen extrem hohen Temperaturen werden sich kommende Sommer messen lassen müssen.“

Zehntausende Tote in Europa

Diese Zeilen sind aus mehreren Gründen bemerkenswert. Zunächst legt die Formulierung im letzten Satz nahe, dass ein Sommer wie 2003, der durch extreme Hitze und Trockenheit geprägt war, etwas Positives sei – mit großartigen Spitzenwerten, mit denen die folgenden Jahre in Konkurrenz treten. Tatsächlich hatte der europäische Hitze-Sommer 2003 verheerende Auswirkungen. Der „Spiegel“ nannte ihn zehn Jahre später „eine der größten Naturkatastrophen in der Geschichte des Kontinents“. Studien schätzten später, dass mindestens 70 000 Menschen in Europa in den Monaten Juni, Juli und August an Hitze starben.

Im Saarland freuten sich die Winzer 2003 zwar über eine gute Weinlese, die drei Wochen früher begann als üblich, zudem vermeldeten Freibäder Rekord-Besucherzahlen. Gleichzeitig verformte sich unter der sengenden Hitze der Asphalt, Bäche im Bliestal führten kaum noch Wasser, was den Tod vieler Fische bedeutete, Bauern klagten über finanzielle Einbußen durch karge Ernten und die saarländischen Wälder trugen massive Schäden davon, von denen sie sich teils bis heute noch nicht erholt haben.

 Jahresdurchschnittstemperaturen_im_Saarland_seit_1881

Jahresdurchschnittstemperaturen_im_Saarland_seit_1881

Foto: Michael Steffen

Nein, ein Grund zur Freude ist ein solches Extremwetterereignis nicht. In einem Punkt hat der eingangs zitierte SZ-Text dennoch recht: Der Sommer 2003 war nach damaligen Maßstäben außergewöhnlich heiß. Laut einer Recherche des ZEIT-Magazins, das sich auf Daten des Deutschen Wetterdienstes (DWD) stützt, gab es in diesem Jahr im heißesten Landkreis des Saarlandes, dem Regionalverband Saarbrücken, 25 Hitzetage – der höchste unter den erfassten Werten, die bis 1961 zurück reichen. Mit „Hitzetage“ sind solche gemeint, an denen das Thermometer über 30 Grad klettert. Dieser Rekord wurde allerdings in Saarbrücken schon 2015 erneut erreicht, die anderen Landkreise lagen nur unwesentlich darunter. Und betrachtet man den gesamten Verlauf von Januar bis Dezember, ist 2003 plötzlich gar nicht mehr so einmalig: Die Jahres-Durchschnitts-Temperatur betrug 10,6 Grad. Damals war es das heißeste Jahr im Saarland seit Beginn der Wetteraufzeichnungen 1881 – doch heute, nur 19 Jahre später, reicht es gerade noch für Platz Fünf. Übertroffen wurde dieser Wert 2014 (10,9 Grad), 2018 (11,1 Grad) und 2019 (10,7 Grad). Damals wurden in allen saarländischen Landkreisen die immer noch gültigen Hitzerekorde aufgestellt, aber dennoch war das folgende Jahr insgesamt sogar noch extremer: 2020 betrug die Jahres-Durchschnitts-Temperatur 11,3 Grad – 0,7 Grad mehr als 2003.

„Jahrhundertsommer“ wird zur neuen Normalität

Solche Abweichungen klingen belanglos. Und doch können wenige Zehntelgrad viel ausmachen. Am eindrücklichsten ist das im Winter zu beobachten: Bei minus 0,5 Grad fällt üblicherweise Schnee, bei plus 0,5 Grad Regen. Aber auch in den restlichen Jahreszeiten haben höhere Temperaturen gravierende Folgen. Wenige Grad machen den Unterschied zwischen einem normalen Sommer mit Freibad-Wetter bei Tag, angenehmer Kühle in der Nacht sowie regelmäßigen Niederschlägen – und einem „Jahrhundertsommer“, der Straßen aufplatzen lässt, Ernten vernichtet und viele Todesopfer fordert.

Schon 2003 war längst bekannt, dass sich die Erde immer weiter aufheizt. Dennoch erwähnt der eingangs zitierte Text den Klimawandel kein einziges Mal. Vermutlich wäre die Zukunftsprognose dann ganz anders ausgefallen – und wesentlich realistischer. Denn das hat die Vergangenheit auch schon gezeigt: Die Klima-Forschung der vergangenen Jahrzehnte lag mit ihren Vorhersagen meist erschreckend richtig. Wenn sich die Prognosen irrten, dann in die falsche Richtung, sprich: Es kam regelmäßig schlimmer als befürchtet.

Wie wird es weiter gehen? Schon jetzt ist klar: Zur Mitte des Jahrhunderts wird ein Sommer wie 2003 kein Ausreißer mehr sein, sondern regelmäßig auftreten, und auch die Jahres-Durchschnitts-Temperatur wird weiter steigen. Das zeigen Daten des Gerics (siehe Info), das dafür die Prognosen von 85 regionalen Klima-Modell-Simulationen auswertete – auch für das Saarland und seine Landkreise.

Die Zahlen unterscheiden sich – je nachdem, welchem von drei Szenarios die jeweilige Simulation folgt: Setzt die Menschheit ab sofort starke Klimaschutz-Maßnahmen um? Stellt sie sich der Bedrohung nur halbherzig? Oder macht sie weiter wie bisher und stößt weiterhin ungebremst Treibhausgase in die Atmosphäre?

Das letzte Szenario wird seit dem 5. Sachstandsbericht des Weltklimarats (erschienen 2013/14) unter der Bezeichnung „RCP8.5“ geführt. Einige Wissenschaftler halten es für unwahrscheinlich – der Grund ist allerdings eher politischer denn physikalischer Natur: Die Forscher können sich schlicht nicht vorstellen, dass die Nationen der Welt weiterhin so viele Treibhausgase ausstoßen wie jetzt, wenn die globale Temperatur – und die Zahl dadurch ausgelöster Katastrophen – weiter in diesem Tempo steigt. Und doch: Der weltweite Trend liegt aktuell nur leicht unter diesem Pfad.

Wetterextreme häufen sich

Geht es so weiter, käme auf das Saarland zur Mitte des Jahrhunderts folgendes zu: Die Durchschnitts-Temperatur würde in den Jahren 2036 bis 2065 zwischen 10.5 und 12,2 Grad betragen. Es gäbe im schlimmsten Fall 29,7 heiße Tage pro Jahr. Die Zahl der „Frosttage“ – an denen das Thermometer unter den Gefrierpunkt fällt – würde im Vergleich zu 1971 bis 2000 von rund 74 Tagen pro Jahr auf 54 bis 31 sinken. „Tropische Nächte“, in denen es wärmer als 20 Grad bleibt, gab es im Saarland bis vor wenigen Jahrzehnten praktisch nie: Im Schnitt trat dieses Phänomen im Vergleichszeitraum nur einmal alle fünf Jahre auf. Zur Mitte des Jahrhunderts könnte es im schlimmsten Fall 18 Tropennächte pro Jahr geben.

All das hätte massive Folgen: auf unsere Gesundheit, Städte, Infrastruktur, Wirtschaft und Landwirtschaft, Flora und Fauna. Aber selbst beim günstigsten Szenario wird das Saarland und seine Bewohner sich dennoch an die neuen Klima-Bedingungen anpassen müssen. Welche Strategien es dafür gibt, was Experten dazu sagen und wie weit wir schon gekommen sind – auch das wird Teil der SZ-Serie „Saarland 2050“ sein.

Lesen Sie hier die weiteren Teile der Serie „Saarland 2050“:

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