Diskussion über EU-Parlament in Straßburg Harsche Kritik an Straßburg-Vorstoß

Saarbrücken/Straßburg · SPD, Linke und AfD halten Kramp-Karrenbauers Forderung für einen Affront gegenüber Frankreich.

Die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer hat mit ihrer Forderung, Straßburg als Sitz des EU-Parlaments aufzugeben und die Versammlung künftig nur noch in Brüssel tagen zu lassen, nach Ansicht der meisten Landtagsfraktionen die französischen Nachbarn düpiert. „Es nutzt überhaupt nichts, wenn wir alle drei Wochen im Landtag die große deutsch-französische Freundschaft beschwören und dann solche Querschüsse von der ehemaligen Ministerpräsidentin kommen“, sagte SPD-Fraktionschef Stefan Pauluhn. Das seien „Nackenschläge“ für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit. Wer sich als Erfinderin der Frankreich-Strategie feiern lasse, könne nicht kurz darauf die Auflösung des EU-Parlaments in Straßburg fordern.

Das sah auch der Linken-Abgeordnete Jochen Flackus so. „Man muss schon ziemlich weit weg von französischer Denk- und Lebensart sein, dass man so einen Vorschlag macht und die französische Seite bloßstellt.“ Den „Wanderzirkus“ zwischen Brüssel und Straßburg könne man ja kritisieren, aber dann müsse man das „mit Fingerspitzengefühl und ein bisschen Empathie für die französischen Befindlichkeiten“ tun. Pauluhn und Flackus äußerten sich auch bei anderen Themen kritisch zu Kramp-Karrenbauers Europa-Papier, vor allem zur Ablehnung eines europaweiten Mindestlohns.

Der AfD-Fraktionsvorsitzende Josef Dörr bezeichnete Kramp-Karrenbauers Forderung als „grenzenlose Dummheit“. Straßburg sei ein wichtiger symbolischer Ort zwischen Deutschland und Frankreich. Die Franzosen täten alles, um diese Stadt aufzuwerten. Die Mitarbeiter und Abgeordneten aus Brüssel müssten immer durchs Saarland fahren. „Insofern ist das auch nicht so ganz in unserem Interesse, wenn Straßburg abgehängt wird“, sagte Dörr.

Verteidigt wurde Kramp-Karrenbauer von der CDU-Fraktion: Es gebe immer weniger Verständnis in Deutschland für diesen „Umzugszirkus“, sagte Fraktionschef Alexander Funk. „Wenn Macron Reformen in der EU anmahnt und mit einem offenen Brief in die Diskussion einsteigt, ist das ein Lackmustest, inwieweit der Reformwille auch auf französischer Seite vorhanden ist.“

Ein Sprecher von Frankreichs Präsident Macron sprach von „Meinungsunterschieden“ mit Kramp-Karrenbauer in der Straßburg-Frage (außerdem beim Mindestlohn und dem geforderten gemeinsamen EU-Sitz im UN-Sicherheitsrat). Er betonte weiter, in Frankreich werde Kramp-Karrenbauers Haltung zum Straßburger Parlamentssitz von der konservativen Partei Les Républicains von Ex-Präsident Nicolas Sarkozy unterstützt. „Das ist nicht das Projekt, das wir vertreten.“

Der saarländische EU-Abgeordnete Jo Leinen (SPD) bezeichnete die Forderung Kramp-Karrenbauers als „Affront erster Klasse an die französische Regierung“ und an Macron. Aus Sicht der Grenzregion, wo Straßburg die Hauptstadt der französischen Region Grand-Est ist, sei dies „auch ein Angriff auf das Selbstgefühl des Elsass und der Nachbarregionen in Frankreich“. Das Europaparlament habe mehrfach erklärt, dass es einen Sitz für seine Arbeit wolle. Es habe aber immer offen gelassen, wo dieser Sitz sein solle, weil man dann auch über Ausgleichsmaßnahmen für die Stadt sprechen müsse, die nicht mehr Tagungsort sei, so Leinen.

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