"Cattenom muss Wahlkampf-Thema werden"

Sie haben rund 5000 Anti-Atomkraftgegner bei der Demo in Cattenom an Ostermontag mobilisiert. Für Sie ein gelungener Start?Henry Selzer: Ja, das war ein gelungener Start. Wir haben das in nur knapp drei Wochen hinbekommen und alle haben gut zusammen gearbeitet

 Rund 5000 Atomkraftgegner demonstrierten an Ostermontag in Cattenom. Foto: Rolf Ruppenthal

Rund 5000 Atomkraftgegner demonstrierten an Ostermontag in Cattenom. Foto: Rolf Ruppenthal

Sie haben rund 5000 Anti-Atomkraftgegner bei der Demo in Cattenom an Ostermontag mobilisiert. Für Sie ein gelungener Start?Henry Selzer: Ja, das war ein gelungener Start. Wir haben das in nur knapp drei Wochen hinbekommen und alle haben gut zusammen gearbeitet.

Das Beste daran?

Selzer: Das Beste ist aber, dass es uns so gelungen ist, eine überparteiliche, aber in der Sache entschiedene Plattform zu etablieren, die in den nächsten Monaten den Kampf für die Schließung des Atomkraftwerk Cattenom energisch voranbringen kann, so utopisch das heute noch klingen mag. In Frankreich stehen zwei entscheidende Wahlen bevor: die Präsidentschaftswahl im April/Mai 2012 und die Nationalratswahlen im Juni. Da muss der Ausstieg in Cattenom ein Thema sein. Und das wollen wir erreichen.

Ihr Ziel ist der Ausstieg aus der Atomenergie und Einstieg in die erneuerbaren Energien in der Großregion. Wie wollen Sie dies erreichen? Welche Aktionen will die IAC als nächstes angehen?

Selzer: Entscheidend sind zwei Dinge. Der politische Druck, der von einer entschlossenen nachbarschaftlichen Haltung ausgeht, die da sagt: Liebe Nachbarn, wir akzeptieren nicht mehr, dass ihr die Risiken der Atomkraft, wie sie gerade noch einmal in Fukushima belegt werden, einfach bei uns abladet. Wir wollen, dass Ihr akzeptiert, dass das ein ernsthaftes Problem ist, das gelöst wird nur durch die Abschaltung von Cattenom.

Welches Ziel verfolgen Sie bei den Franzosen?

Selzer: Und dann müssen wir zweitens unseren Beitrag dabei leisten, dass diejenigen Kräfte in Frankreich, die von der Atom-Nadel herunter wollen, von der großen, selbst geschaffenen Abhängigkeit Frankreichs vom zivilen und militärischen Atomkomplex, dass diese Kräfte stärker werden. Das war vor langer Zeit vor der Wahl Mitterands schon einmal so, scheiterte an der Stärke der CGT, der kommunistischen Gewerkschaft, in der EDF ( staatlicher Betreiber von Cattenom) und den damaligen kommunalpolitischen Entscheidungsträgern.

Und jetzt?

Selzer: Aber wir haben jetzt eine zweite Chance. Das muss zum Thema beim Präsidentschaftswahlkampf und bei den Nationalratswahlen werden. Alle Mittel der politischen Kampagnenführung wollen genutzt sein, vom zivilen Ungehorsam bis zur parlamentarischen Arbeit, von der wissenschaftlichen Studie bis hin zu Demonstrationen. Daran will die IAC in den nächsten Monaten arbeiten.

Welche Aktionen sind ins Auge gefasst?

Selzer: Dabei sehen wir drei Handlungsfelder: erstens ein interregional-kulturelles, zweitens ein fachlich-wissenschaftliches und drittes das direkt politische. Außerdem gibt es den Vorschlag im Herbst ein großes vielsprachiges Musikfestival auf die Beine zu stellen in der Nähe von Cattenom. Auf dem kulturellen Feld wollen wir in den Hauptstädten der Region die Kulturschaffenden und die Anti-Atom-Kräfte zusammenbringen und so eine neue Bühne der Auseinandersetzung mit dem AKW Cattenom schaffen.

Auf wissenschaftlichem Feld?

Selzer: Auf dem fachlich-wissenschaftlichen Feld sollen Studien erstellt werden, die sich zum Beispiel der Frage stellen: Was bedeutet eigentlich die Anreicherung von enormen Mengen Tritium in der Umgebung von Cattenom und in der Mosel für die Gesundheit aller in der Region? Wie könnte ein Einstieg in die erneuerbaren Energie in der gesamten Region einschließlich Lothringen aussehen? Gibt es eigentlich Zusammenhänge zwischen vom Kraftwerk abgegebener Radioaktivität und bestimmten Gesundheitsbelastungen in der Großregion? Da ist noch so viel Arbeit zu tun und da müssen auch die Parlamente und Regierungen der Bevölkerung noch einige Fragen beantworten.

Auf politischem Feld?

Selzer: Und auf dem politischen Feld wollen wir uns schlicht auf Seiten der Anti-Atom-Bewegung einmischen in den Wahlkampf in Frankreich und auch unsere Fragen in die Parlamente dort tragen.

Ist ein Beirat oder ein Forum geplant, das Interessierte bei ihrem Einstieg in erneuerbare Energien berät und Tipps gibt, welche Erneuerbare Energien für den jeweiligen Interessenten sinnvoll sind?

Selzer: Nein, denn das ist im Netz oder bei der Verbraucherzentrale alles schon gut zu haben. Einfach den Stromanbieter wechseln hin zu einem der vier echten Ökostromanbieter und ganz viel ist schon getan. Aber wer sich an uns wendet, bekommt eine Antwort. Es arbeiten jetzt rund 30 Organisationen mit, und da ist im Bereich alternative Energien ein enormes Know-how. Keiner wird ohne Antwort bleiben.

In der Einladung zu Ihrer Sitzung ist zu lesen, dass Sie während des Präsidentschaftswahlkampfes in Frankreich planen, in Paris für das Abschalten von Cattenom demonstrieren wollen. Glauben Sie, dass es genügend französische Anti-Atomkraftgegner gibt, die dieses Anliegen unterstützen?

Selzer: Es gibt zumindest immer mehr und durch unsere Aktivitäten sollen und können es mehr werden. Und ganz so wenig ist das in Frankreich auch nicht. Vor mehr als 20 Jahren haben wir schon einmal mit ein paar Hundert Leuten an einer solchen Demonstration in Paris teilgenommen. Das war ein starkes Erlebnis, und Paris ist immer eine Reise wert. Also werden wir mit unseren französischen Freunden zusammen versuchen, so was wieder auf die Beine zu stellen.

Fukushima gerät inzwischen schon wieder mehr und mehr aus den Schlagzeilen. Wie will die IAC dafür sorgen, dass diese Katastrophe nicht in Vergessenheit gerät und das Gros der Menschen wieder zum Alltag zurückkehrt?

Selzer: Indem wir durch unsere Arbeit das Thema wach halten. Ich glaube, dass wir diese Aufgabe jetzt einmal terminieren sollten bis zur Wahl des nächsten französischen Präsidenten. Das ist ein überschaubarer Zeitraum und in dem können wir mit unseren luxemburgischen und französischen Freunden ganz viel erreichen.

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