Leise Baustellen im Dienste der Erinnerung

Metz · Immer weniger Zeitzeugen können vom Zweiten Weltkrieg und dem Horror der Konzentrationslager berichten. Damit die Orte des NS-Terrors weiterhin als Erinnerungsstätten dienen, sind heikle, aber unabdingbare Restaurierungsarbeiten nötig.

 Die Baracken im KZ Natzweiler-Struthof sind wieder in der Originalfarbe dunkelgrün gestrichen. Foto: Centre européen du déporté résistant

Die Baracken im KZ Natzweiler-Struthof sind wieder in der Originalfarbe dunkelgrün gestrichen. Foto: Centre européen du déporté résistant

Foto: Centre européen du déporté résistant

Der Fort Queuleu in Metz und das Konzentrationslager Natzweiler-Struthof im Elsass: zwei Orte, die an die Verbrechen der Nazis in der Großregion erinnern und deren Restaurierung die Träger vor große Herausforderungen stellt. Als einziges Konzentrationslager auf französischem Boden wird Natzweiler-Struthof jährlich von mehr als 150 000 Menschen besucht (2015: 186 000), darunter tausende Schüler aus dem Saarland. So viele Besucher hinterlassen zwangsläufig Spuren. Um das Lager, das vor 75 Jahren von den Nazis gebaut wurde, weiterhin in seinem Originalzustand für die Besucher zugänglich zu halten, begannen 2014 aufwendige Restaurierungsmaßnahmen. "Uns war es wichtig, auch während der Bauphase weiterhin Besucher zu empfangen", sagt Frédérique Neau-Dufour, Leiterin der Gedenkstätte.

Da das Hauptlager unter Denkmalschutz steht, dürfe nicht jede beliebige Firma an der Restaurierung arbeiten. Die Projektleitung obliegt Christophe Bottineau. Der Architekt ist in der Region Grand Est kein Unbekannter, er verantwortet auch die Restaurierung der Metzer Kathedrale. Die ausführenden Firmen wurden ebenfalls mit Sorgfalt ausgewählt. "Bevor die Arbeiten beginnen konnten, haben wir für die Handwerker eine Besichtigung organisiert. In einem Ort solcher Emotionalität zu arbeiten, war auch für sie eine Premiere. "Es gelten eigene Regeln, zum Beispiel war es für sie nicht möglich, beim Arbeiten Radio zu hören", so die Leiterin.

Die Häftlings-Baracken in ihren Originalzustand wiederherzustellen, sie vor dem Einsturz zu bewahren und dennoch keine grundlegende Renovierung, keine Anpassung an die heutigen Gegebenheiten vorzunehmen: Der Spagat ist schwer. Es gehe darum, die Authentizität des Ortes zu bewahren. "Oft mussten wir ganz genau hingucken: Wurde diese Spur von den vielen Besuchern hinterlassen oder stammt die Abnutzungsspur aus der damaligen Zeit und ist also Teil der Geschichte?", berichtet Neau-Dufour.

Im Vergleich zu vielen anderen KZ hatten die Nazis Natzweiler-Struthof in einem "intakten Zustand" hinterlassen. "Als sie das Lager verließen, waren die Befehlshaber der festen Überzeugung, dass sie den Krieg gewinnen und das Lager wieder nutzen würden", erklärt die Historikerin. Insofern eigne sich Natzweiler-Struthof, das als erstes Lager im Westen durch die US-Armee befreit wurde, besonders gut, um den Besuchern den Alltag im Konzentrationslager so authentisch wie möglich aufzuzeigen.

"Diese Authentizität beizubehalten ist das oberste Gebot. Wir wollen den Ort restaurieren, aber ohne dass es einem auffällt", so Neau-Dufour. Anhand alter Fotos konnten die ursprünglichen Baustoffe ermittelt und für die Bauarbeiten wieder verwendet werden. Was die Farben angeht, war die Spurensuche schwieriger. "Alle Bilder, die wir von dieser Zeit besitzen, sind Schwarz-Weiß-Aufnahmen." Nach dem Krieg diente das KZ als Internierungslager für deutsche Kriegsgefangene, damals wurden die Baracken neu gestrichen, ohne Rücksicht auf die Authentizität des Ortes. Erst nach dem Abkratzen von Farbschichten wurde klar: Die Außenwände waren ursprünglich dunkelgrün, nicht grau.

Während in Natzweiler der größte Teil der Bauarbeiten durchgeführt wurde - die Küche und die Wachtürme sollen bis 2022 fertiggestellt werden - starten im Fort Queuleu, einer Metzer Außenstelle des KZ Natz weiler, bald die Restaurierungsarbeiten zum Erhalt der Kasematten. Der Zustand sei von Jahr zu Jahr schlechter geworden, man habe sogar keine Schulgruppen mehr empfangen können, weil Teile der Anlage nicht mehr sicher waren, erzählt Jean-Pierre Burger, Chef des Fördervereins. "Und das obwohl die Jugend die wichtigste Zielgruppe für unsere Erinnerungsarbeit ist", sagt Burger. Doch in Zeiten klammer Kassen sei die Kostenübernahme für die Restaurierung einer Gedenkstätte alles andere als selbstverständlich. Bauarbeiten, die auf rund eine Million Euro geschätzt werden, könne eine Behörde allein kaum stemmen. Nach jahrelangem Ringen haben sich nun die Stadt Metz , das Département Moselle, die Region Grand Est und Paris geeinigt, die Restaurierung gemeinsam zu finanzieren.

Zum Thema:

Auf einen Blick Im Fort Queuleu in Metz widmet sich die neue Ausstellung "Bientôt la liberté nous reviendra. La double fin du camp de Natzweiler" der Geschichte des KZ Natzweiler-Struthof. Die zweisprachige Ausstellung (frz./deutsch) dauert bis Ende März. hem

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort