Gewalt in der Familie Kein Anstieg von Kindeswohlgefährdung

Zweibrücken · Der Kinderschutzbund warnte zur Lockdown-Zeit, dass familiäre Gewalt möglicherweise zunimmt. Das Jugendamt in Zweibrücken hat in diesem Jahr nicht häufiger überprüfen müssen, ob Kindeswohl gefährdet ist.

 Die Zahl der Kindeswohlgefährdungen ist in Zweibrücken bisher nicht erkennbar gestiegen.

Die Zahl der Kindeswohlgefährdungen ist in Zweibrücken bisher nicht erkennbar gestiegen.

Foto: dpa/Patrick Pleul

Schon kurz nach Beginn des ersten Lockdowns im März dieses Jahres schlug der Kinderschutzbund Alarm. Man müsse das Risiko häuslicher Gewalt stärker in den Blick nehmen. Der Bundesverband des Vereins fürchtete nämlich, dass beengte Wohnverhältnisse, weggefallene Freizeitangebote und die Angst der Eltern vor Jobverlust zwangsläufig zu mehr Kindeswohlgefährdungen führen könnten. So formulierte der Verband es jedenfalls Ende März in einer Presseerklärung. Besonders problematisch sei, dass entsprechende Hilfsangebote in der Zeit von März bis Mai nicht wahrgenommen werden konnten. So war etwa auch die Einrichtung des Kinderschutzbundes in Zweibrücken zur Zeit des Lockdowns geschlossen.

Doch haben sich die Befürchtungen bewahrheitet? Zumindest nicht beim Blick auf die reinen Zahlen, die das Jugendamt der Stadt Zweibrücken auf Merkur-Anfrage mitteilt: „Wir können nicht bestätigen, dass es durch die Corona-Krise zu einer Verschärfung der genannten Problematik gekommen ist“, erklärt Hauptamtsleiterin Alessa Buchmann. Demnach hat es in Zweibrücken zwischen März und Juli 2020 nur eine Meldung über eine mögliche Gefährdung mehr gegeben, als im gleichen Zeitraum des Vorjahres (27 Meldungen).

Nach Paragraph 8a des achten Sozialgesetzbuches muss das Jugendamt solchen Meldungen, durch die „gewichtige Anhaltspunkte für die Gefährdung des Wohls eines Kindes oder Jugendlichen bekannt werden“, nachgehen. In etwa 60 Prozent der Fälle kämen solche Gefährdungshinweise von Lehrern, Erziehern oder Kinderärzten, sagt der Präsident des Kinderschutzbund-Bundesverbandes, Heinz Hilgers. Die Schulen und Kitas waren jedoch in der Zeit von März bis Mai Corona-bedingt geschlossen.

Im Jahr vor der Pandemie war der landesweite Trend, dass den Jugendämtern immer mehr Fälle von möglicher Kindeswohlgefährdung gemeldet wurden. Die Gesamtzahl in Rheinland-Pfalz lag nach Informationen der Deutschen Presse Agentur im vergangenen Jahr bei 8730 – eine Zunahme um 5,3 Prozent. Auch in Zweibrücken waren 2019 besonders viele Hinweise auf eine potentielle Gefahr des Wohlergehens von Kindern und Jugendlichen eingegangen. 2019 überprüfte das Zweibrücker Jugendamt 72 Fälle. 2018 waren es nur 40 Fälle.

Nicht immer stellen die Mitarbeiter des Jugendamtes bei einer Gefährdungsmeldung auch eine tatsächliche Gefährdung fest. Wie Buchmann erklärt, war das 2019 sogar bei 49 der 72 Fällen so. In 19 überprüften Familien wurde aber dennoch ersichtlich, dass diese Unterstützung brauchten.

Etwas aussagekräftiger, ob körperliche oder psychische Gewalt gegen Kinder in Familien zur Corona- beziehungsweise Lockdown-Zeit wirklich zugenommen haben, ist die Zahl der Inobhutnahmen. Stellen Mitarbeiter des Jugendamtes laut §42 des achten Sozialgesetzbuch eine „dringende Gefahr für das Wohl des Kindes“ fest, ist die Behörde berechtigt und verpflichtet  es in Obhut zu nehmen und anderweitig unterzubringen. Etwa bei einer geeigneten Person oder in einer Einrichtung.

Wie das Jugendamt Zweibrücken mitteilt, hat es zwischen März und Juli 2020 genau sechs Inobhutnahmen gegeben. Auch das war nur eine mehr, als im selben Zeitraum des Vorjahres. Im gesamten Jahr 2019 holte das Jugendamt Zweibrücken 15 Kinder und Jugendliche, deren Wohl dringend gefährdet war, aus ihren Familien.

Aus Daten und Perspektive des Jugendamtes in Zweibrücken haben die Corona-Maßnahmen im Frühling zu keiner besonderen Gefährdungslage der Kinder und Jugendlichen geführt. Ebenso seien auch beim Kinderschutzbund in Zweibrücken keine weiteren Kindeswohlgefährdungen bekannt geworden. Der Verein in Zweibrücken erklärt, dass er selbst diesbezüglich auch keine Statistik führe.

Der Bundesverband des Kinderschutzbundes ist sich trotz des Ausbleibens von Meldungen über zahlreiche Inobhutnahmen nach dem Lockdown jedoch noch nicht sicher. „Es ist zu vermuten, dass erst im nächsten Jahr die polizeiliche Kriminalstatistik und die Statistik der Kinder- und Jugendhilfe dazu konkret Auskunft geben wird“, ließ der Verein im Mai verlautbaren.

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