Mutmaßliches Online-Profil eines Ordnungshüters der Stadt Zweibrücken weckt Zweifel an Verfassungstreue Stadt-Mitarbeiter der Volksverhetzung angeklagt

Zweibrücken · Nach Merkur-Recherchen hat der Mitarbeiter des Zweibrücker Ordnungsamts 2016 auch einen Beitrag geteilt, der zum Straßenkampf gegen die Regierung aufruft – außerdem eine offen rassistische Karikatur. Die Stadt will sich dazu auf Merkur-Anfrage nicht äußern: Sie verweist auf das laufende Verfahren und Datenschutz.

 Anlass für etliche der fremden- und staatsfeindlich wirkenden Social-Media-Aktivitäten des heutigen städtischen Ordnungshüters scheint die Flüchtlingspolitik von Bundeskanzlerin Angela Merkel (Bildmitte) in den Jahren 2015/16 gewesen zu sein.

Anlass für etliche der fremden- und staatsfeindlich wirkenden Social-Media-Aktivitäten des heutigen städtischen Ordnungshüters scheint die Flüchtlingspolitik von Bundeskanzlerin Angela Merkel (Bildmitte) in den Jahren 2015/16 gewesen zu sein.

Foto: dpa/Bernd Von Jutrczenka

Über eine brisante Anklage wegen Volksverhetzung verhandelt demnächst das Amtsgericht Zweibrücken. Brisant deshalb, weil der Angeklagte ein Mann ist, der beruflich selbst für Recht und Ordnung sorgen soll. Seine mutmaßlichen Aktivitäten auf den Online-Netzwerken Facebook und vk.com wecken aber Zweifel, ob er auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung steht.

Nach zuverlässigen Merkur-Informationen arbeitet der Angeklagte bei der Stadt Zweibrücken im Ordnungsamt. Amtsgerichts-Direktor Klaus Biehl bestätigte am Donnerstag auf Anfrage unserer Zeitung: Für den 18. November, 9.45 Uhr, ist ein Prozess gegen einen Mann wegen Volksverhetzung terminiert. Allerdings habe der Verteidiger eine Verschiebung beantragt (AKTUALISIERUNG: Die Verhandlung wurde auf ein noch unbekanntes Datum verschoben.) Die Staatsanwaltschaft hatte zunächst einen Strafbefehl beantragt – weil der Angeklagte diesen nicht akzeptierte, wird nun öffentlich verhandelt.

Biehl berichtete, die Anklage laute auf Volksverhetzung: Der Mann solle auf Facebook eine angebliche „Reisewarnung“ des Auswärtigen Amtes verbreitet haben, Äußerungen darin werte die Staatsanwaltschaft als volksverhetzend.

Dem Merkur liegt (aus anderer Quelle) ein Screenshot offensichtlich dieses Beitrags vor. Darin hat der nun Angeklagte eine angebliche „Aktuelle Reisewarnung“ geteilt. Dass es sich dabei trotz Bundes-Adler und Deutschland-Flagge um (rassistische) Satire handelt, ist allerdings schnell an zwei offensichtlich bewussten Schreibfehlern zu erkennen: „Das Ausfertige Amt warnt vor Reisen in die Buntesrepublik Deutschland.“ Ernster wirkt die Begründung: „Männer, Frauen und Kinder begeben sich bei Einreise in akute Lebensgefahr. Schwerste Straftaten wie Vergewaltigungen und Abschlachtungen durch illegale Einwanderer sind an der Tagesordnung.“

Der Angeklagte war auf Facebook nicht mit seinem echten Namen, sondern einem Pseudonym aktiv. Sein Facebook-Profil ist mittlerweile entweder gelöscht oder nicht mehr öffentlich einsehbar. Weiter öffentlich aktiv ist dagegen ein Profil mit gleichem Pseudonym bei vk.com, auch dort ist er auf eigenen Fotos zu erkennen. Dieses russische Netzwerk ist dafür bekannt, deutlich weniger als Facebook rassistische Beiträge zu löschen. Weil es deshalb bei vielen Rechtsradikalen in Deutschland beliebt ist, hat der Merkur bei seinen Recherchen das Facebook-Pseudonym in die Suchmaske bei vk.com eingegeben – und sofort den Zweibrücker gefunden.

Auf vk.com hatte – falls niemand sein Profil professionell gefälscht hat – der Angeklagte 2016 noch deutlich rassistischere und regierungsfeindlichere Beiträge geteilt als die „Reisewarnung“ auf Facebook. Dies ging bis hin zu einer islamfeindlichen Karikatur im Stürmer-Stil und einem Umsturz-Aufruf gegen den Staat.

Da der Fall und damit die Akte bereits beim Amtsgericht ist, kann die Staatsanwaltschaft auf Merkur-Anfrage derzeit nicht sagen, ob sie auch wegen der Äußerungen des Angeklagten auf vk.com ermittelt hat und ihr diese überhaupt bekannt waren.

Auch von den Facebook-Aktivitäten des Mannes hat unsere Zeitung einzelne weitere Screenshots recherchiert, die an seiner Treue zum derzeitigen politischen System in Deutschland zweifeln lassen. So hat er einen in an Nazi-Ästhetik erinnernder Schriftart gestalteten Beitrag der rechtsextremen Facebook-Gruppe „Unsere Heimat Deutschland“ geteilt, in denen es heißt: „Es gab mal eine Zeit in unserem Heimatland wo kleine Kinder, Frauen und ältere Herrschaften, eigentlich alle, zu jeder Tageszeit bedenkenlos und überall umherlaufen konnten. Weil Anstand und Ordnung selbstverständlich waren.“ Dies sei „die Zeit vor der kulturfremden Massenimmigration ins deutsche Asyl-Paradies und Weltsozialamt gewesen“.

In sämtlichen unserer Zeitung bekannten Facebook- und vk.com-Posts hat der Mann allerdings nicht selbst kritische Äußerungen getätigt, sondern lediglich fremde Beiträge kommentarlos geteilt.

Nach einer (allerdings noch unbestätigten) Merkur-Information ist der der Mann erst in seiner jetzigen Stelle beschäftigt worden, als seine Facebook-Aktivitäten bereits bekannt waren und sogar schon ermittelt wurde. Bestätigen – oder dementieren – könnte dies nur die Stadtverwaltung.

Doch auf eine Anfrage an Ordnungsamts-Dezernentin Christina Rauch (CDU) und den für Personal- und Rechtsamt zuständigen Oberbürgermeister Marold Wosnitza (SPD) antwortete Kulturamtsleiter Thilo Huble (der kommissarisch als Stadtsprecher fungiert), zu dem konkreten Fall könne man sich nicht äußern: „Zu den von Ihnen angesprochenen Vorwürfen gegen einen Mitarbeiter der Stadtverwaltung ist uns eine Äußerung nicht möglich, da es sich um ein laufendes Verfahren handelt.“ Zudem könne man keine Auskunft erteilen, „da es sich hierbei um personenbezogene Daten eines Mitarbeiters der Stadtverwaltung handelt, die dem besonderen Schutz nach der Datenschutzgrundverordnung unterliegen“.

Unbeantwortet bleibt damit auch folgende Merkur-Frage zu den auf vk.com geteilten Beiträgen:

Wie die Stadtverwaltung gewährleistet sehe, dass der Mitarbeiter des Ordnungsamtes auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung arbeitet und auch (insbesondere muslimischen) Bürgern mit Migrationshintergrund gegenüber neutral auftritt, nachdem er auf dem vk.com-Netzwerk bis heute Aussagen aus dem Jahr 2016 geteilt hat und damit weiterverbreitet, in denen die Bundeskanzlerin als „Vaterlandsverräterin“ bezeichnet wird, „Straßenkämpfer“ dazu aufgerufen werden, gegen die Regierung „die Ärmel hochzukrempeln“ und sich mit einer „Revolution“ gegen die Regierung „zu erheben“ und zudem eine „Raus mit dem Islam“-Karikatur geteilt wird, in der ein Moslem mit Schweinegesicht von einer blonden Frau einen Tritt ins Gesäß erhält.

In dem hier zitierten geteilten Aufruf eines „Anonymous“ zum „Widerstand“ wird außerdem der Staat – für den der Angeklagte heute arbeitet– als Unterdrücker dargestellt: „Obwohl Frieden die Maxime ist, müssen wir auf gewalttätige Unterdrückung vorbereitet sein und organisiert darauf reagieren.“ Der Aufruf endet mit den Worten: „Wir sind viele. Wir vergeben nicht. Wir vergessen nicht. Erwartet uns!“

In einem weiteren von dem Zweibrücker geteilten Beitrag wird Bundeskanzlerin Merkel als „perfide Pfaffenschlampe“ und „Vaterlandsverräterin, die mit ihrer desaströsen Politik unser deutsches Vaterland hinrichtet“ bezeichnet.

Unbeantwortet lässt die Stadt auch die Merkur-Fragen, ob sie irgendwelche Konsequenzen seit Bekanntwerden der laut Anklage Volksverhetzung gezogen hat (oder im Falle einer Verurteilung ziehen würde) – und ob der Mann auch im Dienst mit problematischen Äußerungen oder Handlungen aufgefallen ist. Ebenso wenig verrät die Stadt, ob ihr rechtsextreme Aktivitäten anderer Mitarbeiter bekannt sind. Unserer Zeitung sind hierfür allerdings noch nie Beispiele bekannt geworden.

Bei der Stadt herrscht Pflicht zur Verfassungstreue: Lediglich auf eine von acht Merkur-Fragen – ob und wie bei Einstellungen für den Dienst im Ordnungsamt geprüft wird, ob die Kandidaten auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung stehen – beantwortete die Stadt: „Bei Einstellungen von Mitarbeitern in den Dienst der Stadtverwaltung wird in allen Fällen die Vorlage von polizeilichen Führungszeugnissen verlangt. Desweiteren erfolgt eine Belehrung der Mitarbeiter über ihre Pflicht zur Verfassungstreue. Außerdem sind Mitarbeiter verpflichtet eine Erklärung abzugeben, aus der sich ergibt, dass kein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren, kein gerichtliches Strafverfahren und kein Disziplinarverfahren gegen sie anhängig ist. Darüber hinaus müssen sich die Mitarbeiter schriftlich verpflichten, die geltenden Gesetze des Strafgesetzbuches einzuhalten. In sensiblen Beschäftigungsbereichen werden darüber hinaus erweiterte polizeiliche Führungszeugnisse nach § 30 a Bundeszentralregistergesetz verlangt.“ (Dieser Paragraph verlangt ein „erweitertes Führungszeugnis“ vor allem für mit Minderjährigen Arbeitende.)

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