Ins braune System verstrickt

Zweibrücken · Verliefen die Jahre zwischen dem Assisenprozess (gegen die Akteure des Hambacher Festes) und der Nazi-Zeit ohne besondere Ereignisse am OLG Zweibrücken, spielte es in der NS-Zeit eine ebenso unrühmliche Rolle wie sämtliche Gerichte in Deutschland. „Unrechtswesen“ und der Ausschluss jüdischer Justiziare prägten die 30er Jahre auch im Gerichtsbezirk Zweibrücken.

 Wie weite Teile der Stadt wurde im Krieg auch das Schloss zerbombt. Foto: pma

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"Die Führung im Dritten Reich und ihre Anhänger, die Nationalsozialisten , haben gegenüber Juden und Christen Handlungen begangen oder Handlungen unterlassen, wodurch nach dem Verständnis aus der Zeit vor 1933 und nach unserer heutigen Auffassung der Tatbestand eines Verstoßes gegen das Strafgesetzbuche, eines Vergehens oder Verbrechens, erfüllt war", stellt Karl Heinz Debus in der Festschrift zum 175-jährigen Jubiläum des OLG fest. Handelten Richter aus inneren Zwängen? Waren darunter Überzeugungstäter? Sicherlich war beides der Fall. An- und Übergriffe der Nationalsozialisten richteten sich gegen drei unterschiedliche Bevölkerungsteile, gegen politische, religiöse und ethnische Gruppierungen. Die Gesetzgebung verschaffte dem Nationalsozialismus dabei erst die Handhabe, dass die dem gesetzten Recht verpflichteten Staatsanwälte und Richter in der Intention des Nationalsozialismus ermitteln, urteilen und aburteilen konnten - bei Verfahren vor dem Volksgrichtshof bis hin zur Verhängung von Todesstrafen. Für manchen verantwortungsvollen Juristen bedeutete dies einen Zwiespalt zwischen Moral und Gewissen einerseits sowie der erlernten positivistischen Gesetzesinterpretation andererseits: eine Rechtsbeugung durch "Unrechts-Gesetze". So entstand 1934 ein Gesetz gegen "heimtückische Angriffe gegen Staat und Partei und zum Schutz der Parteiuniformen" als neues Instrument zur infamen Unterdrückung Andersdenkender. Durch dieses Gesetz wurde mit einer Gefängnis- oder Geldstrafe belegt, wer das Ansehen von Staat und Partei schädigte. Was als parteischädigend galt, bestimmte die Partei jedoch selbst, entschieden die Gerichte einvernehmlich mit der Partei. Gewaltenteilung ade! Von insgesamt 58 untersuchten Verfahren hierzu in der Westpfalz wurden mindestens 46 vor Sondergerichten des OLG Zweibrücken ausgetragen.

Nach der Reichspogromnacht, in der jüdische Geschäfte zerstört und geplündert wurden, wurden Schutzhaft, Deportation, Mord oder Selbstmord von Juden höchstens von der Gestapo untersucht, ordentliche oder Parteigerichtsverfahren gar nicht eingeleitet. Das galt auch für den Tatbestand der Erpressung: Jüdische Mitbürger wurden veranlasst, ihr Vermögen unter Hinzuziehung eines Notars quasi "freiwillig zu verschleudern".

Von der Staatsanwaltschaft Zweibrücken sind 27 Ermittlungen im Zusammenhang mit Diebstählen und Plünderungen im Landgerichtsbezirk bekannt, von denen 25 teils nach Konsultierung der Gestapo einfach eingestellt wurden.

"Die auf Terror und Justiz gestützten Taten der Nationalsozialisten gegenüber Christen und Juden im Dritten Reich beziehungsweise ihr Ausgeliefertsein gegenüber einer versagenden Gerichtsbarkeit, die sich in ihrem Handeln oder in ihrer Untätigkeit auf die Scheinlegitimierung des Gesetze stützen konnte, sowie die weitgehend unterbliebene Aufarbeitung durch die Justiz der Nachkriegszeit, jeweils im Oberlandesgerichtsbezirk Zweibrücken ", nahm Karl Heinz Debus zum Thema seines Aufsatzes im Festbuch "175 Jahre Oberlandesgericht Zweibrücken ". Er endet lateinisch: Wer hat Vorrang: Gnade oder Gerechtigkeit?

Der amtierende Präsident Zweibrücker des Oberlandesgerichtes, Willi Kestel, widmete sich dem Schicksal der jüdischen Justiziare - Richter, Staats- und Rechtsanwälte in der NS-Zeit. Freigestellt, Kraft Gesetz abermals zum Gericht zugelassen und schließlich doch verfolgt und ausgegliedert, suchten viele ihr Heil in der Flucht. Sie übersiedelten in die Schweiz, nach Übersee, Australien oder die USA, so Kestel.

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