Friedhofsführung Gräber erzählen tausend Geschichten Gräber erzählen tausend Geschichten

Zweibrücken · Heiko Wunderberg nahm die Mitglieder des Historischen Vereins mit auf eine Führung über den Zweibrücker Hauptfriedhof.

 Heiko Wunderberg (links) erzählt die Geschichte der kanadischen Kindergräber.

Heiko Wunderberg (links) erzählt die Geschichte der kanadischen Kindergräber.

Foto: Susanne Lilischkis

Auf großes Interesse stieß vergangene Woche eine Führung über den Zweibrücker Hauptfriedhof, die vom Historischen Verein angeboten wurde. Heiko Wunderberg, Sachgebietsleiter Friedhöfe und Naturschutz beim UBZ, weihte etwa 35 Interessierte in die Geheimnisse des Friedhofs ein. Obwohl man dort viele alte Grabsteine bewundern kann, ist der Hauptfriedhof beileibe nicht die älteste Begräbnisstätte in der Rosenstadt. Auf der Kugelfang finden sich keltische Hügelgräber und auf dem Kissel in Niederauerbach wurde ein römischer Friedhof entdeckt. In christlicher Zeit wollten die Menschen in der Nähe der Kirchen begraben werden. Erst nach dem Aufkommen von Seuchen wie der Pest legte man aus hygienischen Gründen die Grabstätten außerhalb der Ansiedlungen an. So gab es einmal einen Friedhof in der Hornbachaue. Der war allerdings oft überschwemmt und die Leichen lagen frei. 1791 entschloss man sich deshalb zur Ausweisung eines Gräberfeldes auf dem Gebiet des heutigen Hauptfriedhofs. Das passte damals vielen Bürgern nicht, mussten doch die Totenträger nach der Länge des zurückgelegten Weges bezahlt werden. Der außerhalb der Stadt gelegene Friedhof machte die Begräbnisse teurer. Ein alter Stein zeugt noch von einer Grablegung aus dem Gründungsjahr des Friedhofs.

Ganze 400 historische Gräber fielen leider in den 1960er Jahren dem Ausbau der B10 zum Opfer. An Denkmalschutz wurde damals in den wenigsten Fällen gedacht. Und so überlebten nur wenige der einstigen Grabmale, wie die älteste Grabtafel, die heute Bestandteil einer Mauer ist, oder Teile des Grabmals des OLG-Präsidenten Birnbaum, dessen mittlerer Teil im Foyer des Schlosses zu bewundern ist. Mit viel Begeisterung und ausgezeichnetem Fachwissen führte Heiko Wunderberg die Besucher über den Friedhof. Der ist geprägt von der militärischen Vergangenheit Zweibrückens. Bekannt dürfte vor allem das Ehrenfeld für die Toten des Zweiten Weltkrieges sein, doch auch Verstorbene des Ersten Weltkrieges finden sich hier. „Zweibrücken hatte mit den Kampfhandlungen im Ersten Weltkrieg nicht viel zu tun“, erklärte Wunderberg, „doch es gab ein Lazarett hier. So kommt es, dass 283 verstorbene Soldaten in der Rosenstadt beerdigt sind. Geht man noch weiter in der Geschichte zurück, kommt man zum Deutsch-Französischen Krieg 1870/71. Ein Obelisk mit dazu gehöriger Germania-Skulptur erinnert an das 25-jährige Friedensjubiläum nach dieser Auseinandersetzung. Hier findet sich ein kleines Gräberfeld. Die Namen der Toten aus Zweibrücken sind in den Obelisk eingemeißelt. Der jüdische Friedhof gegenüber erzählt von einer traurigen Geschichte. In der Nazizeit wurden die Grabsteine dort abgebaut und einem Steinmetz zur Weiterverwendung gegeben. Doch statt sie zu zerschlagen hob er sie auf. So konnten sie nach dem Krieg wieder aufgestellt werden. „Beim jüdischen Friedhof stehen wir vor besonderen Herausforderungen“, erklärte Heiko Wunderberg, „laut jüdischem Glauben darf die Totenruhe nicht durch Grabungen gestört werden. Als wir die einsturzgefährdete Mauer am Rand des Friedhofs sanieren mussten, durften wir nur einen Spaten tief graben und mussten uns ein alternatives Stützungskonzept überlegen.“ Die UBZ investiert einiges an Geld, um die historischen Grabmäler zu erhalten, doch man sei auch auf Spenden angewiesen, so Wunderberg, denn die Sanierung dürfe nicht aus den Friedhofsgebühren finanziert werden.

Aus der neueren Militärgeschichte stammen die Kindergräber der kanadischen Besatzungssoldaten. Aus den Jahren 1953 bis 1969 sind hier 147 Kinder bestattet. Einige der prächtigsten Gräber haben sich die Zweibrücker Industriellen-Familien gebaut. Das Grab von Julius Dingler, dem Sohn von Firmengründer Christian Dingler, ist noch erhalten. Sein Vater erfand die „Dingler-Presse“, auf der Flugblätter von With und Siebenpfeiffer gedruckt wurden. „Mit der Presse konnte man schnell arbeiten. Das war auch nötig, denn die bayrische Obrigkeit versiegelte die Druckerpressen sofort, wenn sie von verbotenen Flugblättern Wind bekam“, so Heiko Wunderberg.

Dass Zweibrücken die Wiege der Demokratie war, sieht man auch an einem Denkmal zu Ehren von Napoleon. „Warum gibt es ein Denkmal für den Krieger und Eroberer Napoleon?“ fragte Wunderberg und erklärte dann, dass dieses Denkmal ein Symbol der Auflehnung der Bürger gegen den bayrischen Obrigkeitsstaat war. Anders als im Rest von Bayern galt in der Region um Zweibrücken nämlich der von Napoleon eingeführte Code Civil weiter. Der garantierte unter anderem Gewerbefreiheit, Gewaltenteilung, Geschworenengerichte und ein gewisses Maß an Pressefreiheit. Mit der Dingler-Presse wurde die Familie reich. Und doch ist das auf den ersten Blick pompöse Grab keine Einzelanfertigung einer Steinmetz-Firma. „Das ist ein Grab aus dem Katalog“, scherzte Heiko Wunderberg, „die scheinbaren Bronze-Girlanden sind Galvano-Plastiken von WMF und damit eigentlich Gipskörper, die mit einer dünnen Schicht Kupfer überzogen sind.“

Im weiteren Verlauf der Führung erfuhren die Besucher zahlreiche Details aus dem Leben der Zweibrücker Fürsten und Familien. Mit ihren steinernen Särgen, trauernden Engeln oder aufwendig gestalteten Einfassungen üben die alten Gräber auch heute noch einen Zauber aus, dem man sich schwer entziehen kann.

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